Das Seilerhandwerk und seine Produkte haben dem Deutschen eine Vielzahl wunderschöner Sprachbilder geschenkt. Wir müssen in schwierigen Situationen gordische Knoten lösen, haben einen Plan B, falls alle Stricke reißen, nutzen Seilschaften, um unsere Ziele zu erreichen oder hängen völlig erschöpft in den Seilen. Doch wer kennt eigentlich noch das Handwerk, dem wir das Seil verdanken – und wer weiß, wie ein Seil entsteht?
Dem einzigen Handwerk, das beim Rückwärtsgehen Geld verdient und dabei voran kommt, widmet das Museum Schloss Doberlug in diesem Sommer eine Sonderausstellung. Es präsentiert die umfangreiche Privatsammlung der Kirchhainer Seilerdynastie Langmann, die sich dem Thema regionalhistorisch, handwerksgeschichtlich und technisch nähert. In städtischen Archiven finden sich Innungsartikel des Seilergewerks von 1549, die Seilerinnung zu Kirchhayn wird 1609 bei der Bildung der Schützengilde erwähnt, und 1850 waren von den 2.444 Einwohnern immerhin 10 Seiler. Die Geschichte der Seile flechtenden und schlagenden Langmanns begann in Kirchhain mit Johann Gottlob (1804–1874); als vorerst letzter Vertreter der Familie lernte Rainer Langmann das Familienhandwerk. Die Werkstatt der Langmanns befand sich in der Wilhelmstraße 32 (heute Leipziger Straße). Die dort installierte, 33 Meter lange Seilerbahn konnte über die Elster hinweg verlängert werden. Auf ihr stellten die Langmanns in Handarbeit Seile für alle Lebenslagen her – von der Wäscheleine über den Strick fürs Vieh bis hin zum Einkaufsnetz war alles vertreten, was sich aus Flachs- und Hanffasern herstellen ließ. Später wurde auch die Drahtseilspleißerei in das Langmannsche Dienstleistungsangebot aufgenommen.
Die Ausstellung präsentiert Maschinen, Werkzeuge und Materialien der Handseilerei und des Drahtseilspleißens. Sie zeigt, wie mühselig das Seilerhandwerk war: Für neun 26 Meter lange Wäscheleinen aus zwölf Fäden musste der Seiler an einem Tag etwa zehn Kilometer auf seiner Seilerbahn laufen. Die Geschichte der kleinen Langmannschen Handseilerei wird ebenso erzählt wie die Anforderungen der Zeitläufte. So musste der Seiler etwa unter den DDR-Bedingungen vor der großen Nachfrage nach seinen Makramee-Netzen kapitulieren: Diesem Ansturm war der Kleinstbetrieb nicht gewachsen. Aber auch die Herstellungstechniken von Hanf- und Drahtseilen werden beleuchtet und dabei der eine oder andere Rekord vorgestellt. Historische Abbildungen berichten von Tradition und Geschichte der Seilerei. Mit kleinen Filmen und Fotos wird schließlich die Seilerei in anderen Weltteilen, etwa China oder Tibet, dargestellt. Eine assoziierte Ausstellung von Kulturland Brandenburg 2016. Eröffnung am 9. Juli, 15 Uhr, im Museum Schloss Doberlug.
Foto Privatsammlung Seilerei Langmann: Seilermeister Rainer Langmann auf der Seilerbahn.