Hallo ihr zwei und herzliche Grüße in die Ferne, wie geht es euch?
Justin: Wir grüßen in die Heimat und können sagen, dass wir gut dabei sind, wir fühlen uns wohl, wir sind gesund, das Essen schmeckt und haben inzwischen 7.200 Kilometer heruntergestrampelt.
Anni: Die Kilometerangabe von Justin soll aber nicht heißen, dass wir auf der Jagd nach möglichst vielen Kilometern sind. Die ergeben sich von allein nach so einer langen Zeit. Klar, bissel stolz schaut man schon auf den Kilometerzähler, mehr aber nicht!

Erzählt mal, wie eure ersten Eindrücke von Indien waren, als ihr per Flug in Mangalore angekommen seid …
Anni: Zunächst waren wir glücklich und zufrieden, als wir die großen Kartons wiederhatten, in die wir ja unsere Räder verpackt hatten. Als wir dabei waren unsere Fahrräder fahrtüchtig zu machen, fand das Flughafenpersonal auch mehr und mehr Interesse an uns bis schließlich der Kommunikationbeauftragte des Flughafens ein kurzes Interview mit uns führte und uns an die Tageszeitung „Times of India“ weitervermittelte. Was ganz besondere Folgen haben sollte.
Justin: Nachdem das Interview in der Zeitung stand, wurde auch das Deutsche Konsulat in Mumbai auf uns aufmerksam. Was zur Folge hatte, dass wir ein paar Wochen später dorthin bestellt wurden. Eine totale Ehre für uns, als wir dort dem Deutschen Generalkonsul gegenübersaßen. Er hat sich viel von uns zu der Tour erzählen lassen und sein Team hat uns am Ende dann auch noch beschenkt. Nicht alles konnten wir aus Platzgründen mitnehmen.
Wie verlief die weitere Tour, ihr wolltet ja sowohl Nord- als auch Südindien erleben …
Justin: Positiv überrascht wurden wir an der Westküste auf dem Weg nach Mumbai. Entgegen so mancher Erzählung war es hier überhaupt nicht so chaotisch und überfüllt wie gedacht und die Menschen waren auch extrem freundlich zu uns. Was wir auch nicht wussten: Goa, die Touristenhochburg ist nicht etwa eine Stadt, sondern ein ganzer Bundesstaat. An den Stränden fühlten wir uns quasi wie in Europa aber nicht mehr wie in Indien. Der Blick auf die Karte hat dann aber doch wieder bestätigt, dass wir noch in Indien sind. In Margao Goa haben wir dann noch die Eltern einer Freundin von uns aufgesucht, mit denen wir eine wirklich schöne Zeit verbracht haben und die uns mit weiteren Kontakten versorgt haben. So zum Beispiel mit einer sehr herzlichen indischen Familie in Mumbai. Der Familienvater hat zufälligerweise auch eine wichtige Position bei der Bahn dort, was sich für uns als der berühmte „Sechser im Lotto“ herausstellte.

Anni: Wir hatten ja geplant mit dem Zug von Mumbai nach Patna zu fahren. Für diese lange Tour haben wir uns in die höchst-mögliche Klasse eingebucht, doch wir konnten leider nicht beeinflussen, ob wir im Zwei- oder Vierbettzimmer landen. Dank der Hilfe dieses Herrn und seinen gut gepflegten Kontakten hat aber auch das wunderbar geklappt und wir konnten die Zugfahrt ohne das Schnarchen anderer genießen. So haben wir für 33 Stunden im Zug gesessen und haben dabei entspannte 1.700 Kilometer zurückgelegt, bis wir um Mitternacht im völlig nebligen Patna angekommen sind. Zwei Tage später traten wir die Weiterreise nach Nepal an, wo wir mittlerweile herum radeln.
Justin: Eine Ergänzung bezüglich der Bahnfahrt habe ich noch. Ich weiß ja nicht, was eine Zugfahrt von Berlin nach Neapel kostet, dies wäre kilometertechnisch eine vergleichbare Strecke. Die günstigsten Tickets hätten uns umgerechnet 7,50 Euro gekostet, unser Zweier-Luxusabteil hat pro Mensch 50 Euro gekostet.

Wenn wir von unterschiedlichen Straßen und Wegen auf den bisherigen 7.200 Kilometern reden, ist es interessant, wie eure Räder diese Beanspruchen bisher wegstecken …
Justin: Sehr gut eigentlich. Das „Glück“ platter Reifen hatten wir öfter, aber das ist nichts Schlimmes und gehört wohl dazu. Ansonsten haben wir mit der Fahrrad-Auswahl völlig richtig gelegen. Unsere Räder sind uns Tag für Tag richtig gute und treue Begleiter.
Wie liegt ihr eigentlich im Zeitplan, denn hier und da gab es ja Veränderungen zu Euern Planungen. Kommt ihr bis Weihnachten wie geplant ans Ziel?
Anni: Ich muss sagen, dass wir so konkret die Route ohnehin nicht geplant hatten. Klar, wir wollten bis Weihnachten wieder in Deutschland sein. Inzwischen hatten wir aber eine Nachricht bekommen, die den neuen Endpunkt der Reise definiert. Ein guter Freund von uns heiratet im Herbst und da wollen wir unbedingt daheim mitfeiern. So wollen und werden wir Anfang Oktober wieder zu Hause sein.
Justin: Wir haben unseren Reiseplan daraufhin angepasst und bleiben zum Beispiel nun etwas länger als ursprünglich geplant in Nepal. Auch in Thailand, wo wir Heimatbesuch bekommen, werden wir länger bleiben. Diese Eckpunkte stehen im Gegensatz zu manch anderen schon fest. Malaysia und Singapur werden wir dann aber wohl weglassen, damit noch genügend Zeit für die Vereinigten Staaten bleiben.

Wann immer wir miteinander sprechen, frage ich ja stets gern nach Besonderheiten. Sicher ist eure ganze Tour schon was sehr Besonderes. Doch oft sind es ja die Überraschungen, die Eure Reise begleiten. Was fällt Euch zum letzten Monat ein?
Justin: Da müssen wir jetzt wieder auf Indien zu sprechen kommen. Das Land ist uns total zweigeteilt begegnet. Obwohl wir von Freunden und anderen Reisenden reichlich gewarnt wurden, dass die Leute dort recht aufdringlich sind und es heillos überfüllt ist. So haben wir das in Südindien entlang der Westküste nicht erlebt. Alle waren kontaktfreudig und haben uns immer wieder sehr freundlich aufgenommen und uns mit Essen, Trinken und Geschenken versorgt. Genau wie schon an vielen Stationen vorher auf unserer Tour.
Anni: Als wir dann aber nach Nordindien kamen, hat sich ein völlig anders Bild ergeben. Erstmal kommen nur ganz wenige Ausländer dorthin, damit waren wir für die Einheimischen noch mehr im Exoten-Status. Da waren ständig große Menschentrauben um uns rum. Alle guckten und sprachen uns permanent an, natürlich begleitet von einer unglaublichen, wirklich lückenlosen Selfie-Manie. Und dann der Verkehr, dieses irre Gehupe der Autos und Mopeds auf den Straßen. Selbst wenn der unglaublich dichte Verkehr steht, wird von allen penetrant weitergehupt, als ob das irgendetwas bringt. Dazu dröhnt aus jeder Ecke superlaute Musik, eine total verrückte Welt.

Justin: In diesem irren Verkehr muss man versuchen, sich als Radfahrer zu behaupten, denn freiwillig Platz macht Dir da niemand. Da muss man die Leute auch mal anschreien, was ja eigentlich so gar nicht unsere Art ist, aber es muss halt sein und wir haben keine Hupe.
Der Großteil unserer Konversationen mit den Indern war allerdings auch hier ausgesprochen freundlich. Fahrradfahren bleibt aber aufgrund der schieren Masse an Leuten, die dir das Handy ungefragt vors Gesicht halten oder dich kommentarlos filmen sowie der Geräuschkulisse sehr, sehr nervig.
Zu Eurer Weltreise gehört nicht nur das Radfahren. Wie und wo kommt ihr zur Ruhe, konkret zur Nachtruhe?
Anni: Wir haben kürzlich mal unser elektronisches Tagebuch gewälzt und dabei interessante Werte ermittelt. In den sechs Monaten hatten wir die Hälfte der Nächte in unserem Zelt geschlafen und gut ein Drittel in festen Unterkünften. Statistisch gesehen haben wir dazu jede zehnte Nacht bei netten Gastgebern zugebracht. Die restlichen Nächte haben wir auf Campingplätzen geschlafen, die nach Osteuropa aber quasi nicht mehr vorhanden waren.
Wie kommt ihr mit den Finanzen klar? Seid ihr im Limit und wie laufen denn überhaupt die Bezahlungen in den einzelnen Ländern?
Justin: Wir sind was die Ausgaben betrifft absolut im Limit. Natürlich waren die beiden Transfers via Flug das Teuerste, aber das war uns ja vorab klar. Wir bezahlen entweder mit der normalen Kreditkarte oder der Debitkarte, mit einer von beiden haut es immer hin, da gab es noch nie ein Problem.
Was sind die nächsten Etappenziele für euch, wohin geht es direkt nach unserem Gespräch?
Justin: Da liegen sehr anspruchsvolle vier Tage vor uns. Wir wollen zur nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. Die liegt auf einer Höhe von 1.400 Metern und auf dem Weg dorthin müssen wir rund 3.500 Höhenmeter absolvieren. Wir hätten uns auch einen anderen Weg aussuchen können, aber wir wollen uns mal physisch wieder fordern. Mal schauen, ob und wie wir klarkommen.
Da kann ich euch nur voller Respekt die besten Wünsche mit auf den Weg geben und mich sehr herzlich für die heutigen Schilderungen bedanken und alle guten Wünsche hinüber ins Himalaja-Gebirge!
Heute in der Lausitz – Unser täglicher Newsticker
Mehr News, Content und Videos aus der Lausitzer und Südbrandenburger Region von heute findet ihr in unserer Tagesübersicht –>> Hier zur Übersicht
Red. / Georg Zielonkowski