Am Dienstag traf ich mich mit Philipp Wesemann, mit 25 Jahren der jüngste der drei Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters der Stadt Forst (Lausitz). Vorab recherchierte ich nach den derzeit jüngsten Bürgermeistern in Deutschland und wurde fündig. Michael Bergrab, der mit Abstand jüngste ehrenamtliche Bürgermeister wurde mit 22 Jahren in der Gemeinde Lisberg im Kreis Bamberg gewählt. Bei den hauptamtlichen Bürgermeistern haben es gleich mehrere der 25-Jährigen geschafft. Mit 27 Jahren wurde 2009 Daniel Zimmermann zum Bürgermeister der Stadt Monheim am Rhein gewählt. Er war so erfolgreich, dass er mit über 94% der Stimmen wiedergewählt wurde.
Helmut P. Fleischhauer: Sie möchten der jüngste Bürgermeister in Brandenburg werden. Was ist Ihr Antrieb für das nicht einfache Amt?
Philipp Wesemann: Natürlich möchte ich der neue Bürgermeister werden. Mir ist bewusst, dass das Amt viel Einsatz und Energie erfordert und alles andere als eine 40 Stunden Tätigkeit ist, aber das schreckt mich überhaupt nicht. Ich denke, es ist an der Zeit für einen echten Generationswechsel. Ich bin Forster, hier ist meine Heimat und dafür möchte ich mich einsetzen. Die Stadt hat so viele sehr schwierige Jahre hinter sich, es wurde viel bewegt aber noch gibt es sehr viel zu tun. Ich möchte etwas Positives für die Zukunft meiner Heimatstadt bewegen. Das ist mein Antrieb.
hpf: Kürzlich las ich den Begriff ‘Klinken putzen’. Sie gehen ja zu den Bürgerinnen und Bürgern und stellen sich vor. Erinnere mich, dass das vor schon längerer Zeit viele Politiker gemacht haben. Ist etwas aus der Mode gekommen.
Philipp Wesemann (mit einem Schmunzeln): Zu dem Begriff ‘Klinken putzen’. Der ist ganz in Ordnung. Wenn ich unsere Stadt aufpolieren möchte, schadet es ja nicht, mit dem ‘Putzen’ zu beginnen.
Der eigentliche Grund ist die weit verbreitete Politikmüdigkeit, also dieser Gedanke ‘die da oben….’. Die Bürgerinnen und Bürger sollen mir in ihren vier Wänden ihre Fragen stellen können, sie sollen sehen, dass mich ihre Gedanken interessieren. Und zwar ganz direkt, von Person zu Person. Mir hilft es, die tatsächlichen Gedanken, Wünsche, Hoffnungen aber auch Kritik mitzunehmen. Bei einer Wahlveranstaltung ist das kaum möglich.
hpf: Wie kommt das bei den Bürgerinnen und Bürgern an?
Philipp Wesemann: Sehr gut. Viele sind zuerst einmal überrascht, sie haben das nicht erwartet.
hpf: Ist das Ihre Vorstellung von Bürgernähe?
Philipp Wesemann: Ja, auch das gehört für mich bereits im Wahlkampf dazu. Sie sollen sich von mir ein Bild machen können, ganz direkt und bereits vor der Wahl. Dann können sie mich auch später an meinen Worten messen. Auch als Bürgermeister wird Bürgernähe für mich ein wichtiger Punkt bleiben. Es macht keinen Sinn, Entscheidungen zu treffen, die die Forster nicht mittragen können. Ich möchte ein Bürgervorschlagswesen. Bürger sollen Gedanken einbringen, die geprüft werden. Das können Hinweise sein, dass eine bestimmte Straße unbedingt saniert werden muss, Vorschläge zur Gestaltung von Plätzen und so weiter. Und es ist mir wichtig, dass bei einer Ablehnung, auch wenn das nur vorübergehend der Fall ist, der Grund genannt wird. Ich denke, jede Bürgerin und jeder Bürger versteht, dass Forst nur das Geld ausgeben kann, was auch zur Verfügung steht.
hpf: Stichwort ‘die die Forster nicht mittragen können’. Da fällt mir spontan die Ausstellungshalle ein.
Philipp Wesemann: Die Stadtverordnetenversammlung hat einstimmig dem Bürgermeister den Auftrag erteilt, ein Konzept für die Bebauung vorzulegen und Möglichkeiten einer Förderung zu sondieren. Das hat er getan und die an der Ausschreibung beteiligten Unternehmen haben Konzepte eingereicht und die Wahl fiel auf die Ausstellungshalle. Was aber viele Bürgerinnen und Bürger offenbar nicht wissen, ist die Tatsache, dass es um das Konzept ging. Es war keine Entscheidung zum Bau. Das hätte einer weiteren Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung bedurft.
Zu der Bebauung gibt es bereits eine Reihe anderer und sehr interessanter Überlegungen. Ich denke, mit denen werden die Forster viel zufriedener sein und diese Lösungen mittragen.
Allerdings möchte ich etwas klarstellen, der Platanenhain ist fertiggestellt und der Teich wird voraussichtlich kommen, da im INSEK (Integriertes Stadtentwicklungskonzept) steht, dass eine grüne Nachnutzung erfolgt. Eine eventuelle Rückzahlung von Fördermitteln wäre ein finanzieller Aderlass für die Stadt. Das muss offen gesagt werden, auch im Wahlkampf und vor der Wahl.
hpf: … und schon sind wir beim Haushalt der Stadt. Wie denken Sie darüber?
Philipp Wesemann: Da halte ich es mit der schwäbischen Hausfrau ‘Wir können nur das Geld ausgeben, das wir auch zur Verfügung haben’. Wenn wir das nicht tun, schränken wir unsere Handlungsfreiheit ein. Ein ausgeglichener Haushalt ist deshalb für mich sehr wichtig.
Der Haushalt der Stadt ist seit nunmehr zwei Jahren ausgeglichen, zumindest fast ausgeglichen. Einige Unwägbarkeiten können immer dazwischen kommen.
hpf: … nun zu Ihren Zielen, den wichtigsten Punkten, die Sie als Bürgermeister in Angriff nehmen werden.
Philipp Wesemann: Den Punkt Bürgervorschläge hatte ich ja bereits erwähnt. Die Ehrenamtler liegen mir sehr am Herzen. Brandenburg ist das Bundesland mit dem höchsten Anteil an ehrenamtlich Engagierten. Ich habe einige Vereine besucht und oft finden die Vorstandssitzungen im Wohnzimmer eines Mitgliedes statt weil sie nicht die Mittel für andere Räumlichkeiten haben.
Das Ehrenamt ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält, das sollten wir nicht vergessen. Alle haben unseren Dank verdient. Ich möchte eine zentrale Anlaufstelle einrichten, bei der sich ehrenamtlich Tätige und Vereine informieren und Rat holen können. Sei es zu möglichen Fördermitteln, der Hilfe bei deren Beantragung oder zu sonstigen Fragen.
Außerdem möchte ich einen Ehrenamtspass speziell für Forst, der Ehrenamtlern Vergünstigungen in städtischen Einrichtungen gewährt.
hpf: Also zum Beispiel vergünstigter Eintritt im Frei- oder Hallenbad. Wäre ja von den Kosten im Rahmen.
Philipp Wesemann: So ist es. Es soll eine ‘Dankeschön’ für ihr Engagement sein. Sie haben sich ein ‘Dankeschön’ mehr als verdient.
hpf: Ein Sprung vom städtischen Haushalt zur Wirtschaft der Stadt Forst. Wie möchten Sie weitere Ansiedlungen nach Forst holen und damit Arbeitsplätze schaffen.
Philipp Wesemann: Das ist wirklich eine harte Nuss. Schon wegen der sehr unterschiedlichen Förderungen in Brandenburg, die Forst benachteiligt. Der Unterschied zwischen den Fördergebietskernen, ich nenne da unsere Nachbarstädte Guben und Spremberg, und Forst beträgt 5% Förderungsunterschied. Zwischen dem Süden Brandenburgs und dem Norden Brandenburgs, so ab Eisenhüttenstadt, gar 10%. Als Herr Stolpe, der erste Ministerpräsident von Brandenburg; im Forster Hof war, äußerte er sein Unverständnis über die Politik, die Städte, die gut aufgestellt sind besser zu unterstützen als die Städte, die es deutlich schwieriger haben. Darüber müssen wir unbedingt mit der Landesregierung ins Gespräch kommen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir eine aktive Politik zur Ansiedlung von Unternehmen in Forst betreiben müssen. Wir dürfen nicht nur passiv mit Angeboten locken, wir müssen das aktiv anbieten.
hpf: … also wie eine verkäuferische Akquise? Um auf einen Begriff, der früher in unserem Gespräch gefallen ist, zurückzukommen … ‘Klinken putzen’.
Philipp Wesemann: Genau. Wir brauchen dafür einen aktiven Verkauf, der die Vorzüge des Standortes Forst einem möglichen Investor nahe bringt.
hpf: Nun habe ich noch ein Frage … Zukunftsvisionen
Philipp Wesemann: Ja, Zukunftsvisionen. Eine davon ist die medizinische Versorgung. Ich denke, wir müssen die Weichen für die Zukunft jetzt stellen. Ein Stipendium für Medizinstudenten, die sich verpflichten, nach dem Abschuss eine Mindestzeit in Forst zu praktizieren oder eine Praxis zu übernehmen, wäre eine sinnvolle Möglichkeit, die Versorgung zu sichern. Das dauert zwar einige Jahre bis es greift, es ist aber eine sinnvolle Investition in die Zukunft. Wenn ich zum Bürgermeister gewählt werde, weiß ich ja nicht, ob ich nach meiner Amtszeit wiedergewählt werde. Aber nicht darüber hinaus in die Zukunft zu denken, wäre mehr als töricht.
Heute gibt es einen Busdienst für Patienten zwischen Forst und Potsdam. Patienten, besonders Ältere oder junge Familien mit Kindern, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht und z.B. in Mexiko wohnen, fällt es schwer, zum Forster Krankenhaus zu kommen. Wenn ein Shuttle zwischen Forst und Potsdam möglich ist, warum nicht auch ein Transport zwischen dem Krankenhaus und den abgelegenen Ortsteilen? Auch darüber muss gesprochen und eine Lösung gefunden werden.
hpf: Herr Wesemann, ich danke Ihnen für das sehr interessante und aufschlussreiche Gespräch.
Überblick über die Forster Bürgermeisterwahlen:
Im Gespräch mit dem Bürgermeisterkandidaten Ingo Paeschke