Bund und Land drohen bereits an „50Mbit/s bis 2018 für alle“ zu scheitern – Grüner Breitbandcheck zeigt erheblichen Nachholbedarf
„Es ist eine Frage der Gerechtigkeit und der gleichwertigen Entwicklungschancen, dass auch die ländlichen Regionen in Brandenburg einen flächendeckenden Anschluss an das schnelle Internet bekommen“, sagt die bündnisgrüne Brandenburger Bundestagsabgeordnete ANNALENA BAERBOCK.
In Brandenburg droht das Ziel von Bundesinfrastrukturminister Alexander Dobrindt ‚Breitband 50Mbit/s für alle bis 2018‘ zu scheitern. Von flächendeckendem Breitbandanschluss von 50Mbit/S – also von 90 Prozent oder mehr Haushalten – kann man nach einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Abgeordneten bisher höchstens in 13 von 419 Brandenburger Kommunen sprechen. Die Landesregierung feierte Anfang Dezember den erreichten Anschlussgrad von 51,3 Prozent der Haushalte. Aber noch immer fehlen etwa 600.000 Haushalte im Land.
Nachholbedarf in Zahlen
Von den ca. 1,2 Mio. Haushalten in Brandenburg haben 281.000 Haushalte, also gut 23 Prozent, immer noch keinen schnellen Internetanschluss mit mindestens 16 Mbit/s. 55.000 Haushalte, also vier Prozent, haben sogar keinen Anschluss an 6 Mbit/s. Diese Übertragungsgeschwindigkeit hatte die Landesregierung in ihren ‚Entwicklungskonzept Glasfaser 2020‘ als Grenze für eine Unterversorgung festgelegt. Anschlussinhaber mit 6Mbit/s Übertragungsgeschwindigkeit müssen sich mit einem Basisangebot zufrieden geben, in dem das Empfangen und Senden größerer Datenmengen Ewigkeiten dauert und an die Anfänge in des Internets in den 90er Jahren erinnert.
Insbesondere im Landkreis Elbe-Elster liegt derzeit noch einiges im Argen. Über die Hälfte der etwa 54.000 Haushalte im Landkreis haben kein schnelles Internet von 16 Mbit/s. Nur sieben Prozent der dortigen Haushalte verfügen über einen 50 Mbit/s-Anschluss. Auch in einigen brandenburgischen Städten ist noch viel zu tun. In Frankfurt/Oder verfügen erst 43,8 Prozent der etwa 32.000 Haushalte über 50 Mbit/s-Anschlüsse.
Direkter Glasfaseranschluss nur für 6 Prozent der Haushalte
Über den direkten Anschluss an die Zukunftstechnologie Glasfaser (Fiber to he home – FTTH) verfügt in Brandenburg bisher nur ein Bruchteil der Haushalte – fast ausschließlich in Potsdam und in einigen berlinnahen Regionen. Die daran angeschlossenen 71.300 Haushalte entsprechen knapp 6 Prozent der Haushalte in Brandenburg.
Baerbock: „Bund und Land setzen auf veraltete Technologien“
„Beim Breitbandausbau setzen der Bund und das Land Brandenburg auf veraltete Technologien.“ sagt die Brandenburger Bundestagsabgeordnete ANNALENA BAERBOCK. „Anstatt nach Wegen zu suchen, um möglichst viele Haushalte möglichst schnell mit Glasfaser zu erschließen, setzten Bundes- und Landesregierung auf Kupferkabel und Übergangstechnologien wie ‚Vectoring‘ – also die Ertüchtigung von alten Kupferkabeln. Das ist ein teurer Zwischenschritt zum Glasfaser. Darum führt angesichts bald benötigter Übertragungsgeschwindigkeiten nichts vorbei. Es drohen doppelte Ausbauanstregungen oder die weitere Abhängung ländlicher Regionen.
Außerdem dürfte das bereitgestellte Geld durch die Bundesregierung nicht reichen. Denn das Bundesverkehrsministerium weiß letztlich selber gar nicht wie viel Geld benötigt wird. Das zumindest bemängelte jüngst schon der Bundesrechnungshof.“
Grünes Konzept Glasfaser bis 2020 in 75 Prozent der Haushalte
Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verfolgt das Ziel bis 2021 75 Prozent der Haushalte und Unternehmen mit Glasfaseranschlüssen auszustatten. Die restlichen 25 Prozent der Haushalte sollen dann mit mindestens 50 Mbit/s ins Netz gehen können.
Zur Finanzierung soll der Bund sein Telekomaktien verkaufen und mit den 10 Milliarden Euro eine Bundesbreitbandgesellschaft gründen. Gemeinsam mit den Kommunen kann so die passive Infrastruktur ausgebaut, finanziert und verpachtet werden. So kommt von dem Geld sogar wieder etwas zurück.
Grüner Breitbandcheck
So lange es kaum Glasfaseranschlüsse bis ins Haus gibt, hängen die tatsächlichen Übertragungsgeschwindigkeiten maßgeblich davon ab, wie weit man vom Verteilerkasten weg wohnt. Die Grüne Bundestagsfraktion wollte genau wissen, welche Übertragungsgeschwindigkeiten bei den Menschen zu Hause ankommen. Deshalb haben wir den deutschlandweiten, grünen Breitbandcheck eingerichtet. Hier können alle die Geschwindigkeit ihres Internetanschlusses schnell prüfen und schauen, wie viel Dobrindt noch liefern muss.
Seit dem 24.11 haben dabei mehr als 1400 Haushalte aus ganz Brandenburg an diesem Test teilgenommen. Die Daten dazu finden Sie in der angehängten Excel-Datei.
Zentrale Erkenntnisse der Auswertung für Brandenburg:
- Gut 27 % der teilnehmenden Haushalte aus Brandenburg surfen mit einer Verbindungsrate von unter 5 Mbit/s. Das sind Verbindungsraten in der nur eine rudimentäre und nervenaufreibende Nutzung des Internets möglich ist. Das ist vergleichbar mit den Anfängen des Internets in den 90er Jahren.
- Davon wiederum haben 5 % einen so schlechten Anschluss (unter 1 Mbit/s), dass er eigentlich nur zum Checken von Emails reicht.
- Insgesamt liegen 64 % der gemessen Anschlüsse unter 16 Mbit/s und haben damit keinen Zugang zu schnellem Internet.
- Der Test hat die Realgeschwindigkeiten in den Haushalten gemessen und ist somit aussagekräftiger als die allgemeinen Versorgungszahlen, die von den Telekommunikationsfirmen angegeben werden.
Durchschnitt und Median der Übertragungsgeschwindigkeiten:
Wenn man die Durchschnittszahlen anschaut, surft Brandenburg mit 21,8 Mbit/s halbwegs schnell. Dieser Wert ist aber extrem durch einige hohe Messwerte verzerrt von Unis oder Forschungsinstituten, die schnell über 500 Mbit/s kommen. Aussagekräftiger und der Realität näher kommender ist der Median-Mittelwert, bei dem die hohen und niedrigen Werte bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden. Im Durchschnitt (Median) surfen die Menschen in Brandenburg dann mit rund 10,6 Mbit/s, was weit entfernt ist von einer guten Internetgeschwindigkeit – mit der man schnell große Datenmengen verschicken kann oder gut Skype oder Streamingdienste nutzen kann.
Kommentare von Verbraucherinnen und Verbrauchern:
Interessant sind auch die Kommentare, die die Brandenburgerinnen und Brandenburger zu ihren Messergebnissen abgegeben haben. Hier einige Beispiele:
- Ich bin sehr unzufrieden mit der aktuellen Geschwindigkeit. Mein Unternehmen wird auf Grund dessen in seiner wirtschaftlichen Entwicklung gehemmt.
- Abzocke ohne Ende: kassiert wird für 16mbit
- wie zu erwarten: miese Werte! da am Stadtrand der Kreisstadt Lübben nicht einmal Kabel in der Erde liegen, nutze ich für >70€/Monat einen LTE-Zugang
- So ist es bei mir in Potsdam. Die Telekom verspricht seit Jahren Besserung, geschehen ist nichts.
- Mickrige Datenrate in einem Technologiezentrum über die Standardanbindung! Mehr Leistung ist bei Mehrkosten zwar möglich, aber eigentlich blamabel
- Landflucht!
- Selten, dass wir auf über 2 MBit/s kommen… oft sind es auch weniger als 1 MBit/s und dann bricht häufig die Verbindung ab…
- Wenn kein anderer aus der Familie im Internet ist und sowas wie Youtube macht, dann geht es eigentlich.
- Hatte gehofft, daß andere Anbieter als die Telekom unser Dorf erschließen, aber leider sind wir auch bei denen wieder aus der Liste gefallen
- Hab zwei Leitungen schalten lassen und bezahle die natürlich auch jeweils, um mit meiner 4-köpfigen Familie klarzukommen.
Links und Hintergrunde
Beschluss der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Schnelles Internet – Überall“ vom 10. Nov. 2015
Grüner Breitbandcheck
http://www.gruene-bundestag.de/breitbandcheck/
Foto Baerbock: Stefan Kaminski
Quelle & Grafikquelle: Annalena Baerbock, Mitglied des Deutschen Bundestages