In Deutschland gilt Bildung als Schlüssel zu sozialer Mobilität, doch die Realität zeigt: Nicht alle haben die gleichen Chancen. Besonders die steigenden Mietpreise in Großstädten wie München, Berlin oder Frankfurt verschärfen die finanzielle Belastung von Studierenden und machen das Studium für viele zu einem kaum überwindbaren Hindernis. Während der BAföG-Höchstsatz seit dem Wintersemester 2024/2025 bei 992 Euro liegt, reicht dieser Betrag in vielen Städten nicht einmal für die Miete eines WG-Zimmers. Diese Diskrepanz – die BAföG-Lücke – führt zu einer ungleichen Verteilung von Studienchancen und verstärkt soziale Ungleichheit.
Die BAföG-Lücke im Fokus
Der BAföG-Höchstsatz: Ein Tropfen auf den heißen Stein
Seit dem Wintersemester 2024/2025 beträgt der BAföG-Höchstsatz für Studierende, die nicht bei ihren Eltern wohnen, 992 Euro pro Monat. Dieser Betrag setzt sich aus dem Grundbedarf, der Wohnpauschale sowie Zuschlägen für Kranken- und Pflegeversicherung zusammen. Doch während die Lebenshaltungskosten, insbesondere die Mieten, in den letzten Jahren stark gestiegen sind, hinkt die BAföG-Anpassung hinterher. Laut einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes von 2024 verschärfen hohe Wohnkosten die soziale Ungleichheit, da sie einen immer größeren Anteil des verfügbaren Einkommens auffressen. Besonders Studierende, die auf BAföG angewiesen sind, stehen vor einem Dilemma: Entweder sie ziehen in teure Städte, um an renommierten Universitäten zu studieren, oder sie bleiben in günstigeren Regionen, wo jedoch oft das Studienangebot eingeschränkt ist.
Regionale Mietpreise: Ein unüberwindbares Hindernis
Die Mietpreise in Deutschland variieren stark je nach Region. In Metropolen wie München liegt der Durchschnittspreis für ein WG-Zimmer bei etwa 790 Euro, während die BAföG-Wohnpauschale lediglich 380 Euro beträgt. Diese Lücke zwingt Studierende, entweder Nebenjobs anzunehmen, was die Studienzeit verlängert, oder auf finanzielle Unterstützung durch die Familie zurückzugreifen – ein Privileg, das nicht allen zur Verfügung steht. Laut einem Post auf X vom April 2025 betont die Politikerin Nicole Gohlke: „Mehr Chancengerechtigkeit gäbe es mit einer regionalen Staffelung der Wohnkostenpauschale!“
Hier einige Beispiele für die Mietpreisunterschiede in deutschen Städten (Stand 2025):
- München: Durchschnittliche Miete für ein WG-Zimmer: 790 Euro
- Berlin: Durchschnittliche Miete für ein WG-Zimmer: 650 Euro
- Leipzig: Durchschnittliche Miete für ein WG-Zimmer: 420 Euro
- Dortmund: Durchschnittliche Miete für ein WG-Zimmer: 350 Euro
Diese Zahlen verdeutlichen, dass die aktuelle BAföG-Wohnpauschale in vielen Städten nicht ausreicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Studierende in teuren Regionen müssen oft mehr als die Hälfte ihres BAföG-Betrags allein für die Miete aufwenden, was kaum Spielraum für andere Ausgaben wie Lebensmittel, Studienmaterialien oder soziale Aktivitäten lässt.
Soziale Ungleichheit: Wer bleibt auf der Strecke?
Die BAföG-Lücke hat weitreichende Folgen für die soziale Gerechtigkeit. Studierende aus einkommensschwachen Familien sind besonders betroffen, da sie weder auf elterliche Unterstützung noch auf Ersparnisse zurückgreifen können. Laut einer Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung von 2024 ist die Einkommensungleichheit in Deutschland seit 2010 deutlich gestiegen, und hohe Mietpreise tragen dazu bei, dass einkommensschwache Haushalte wirtschaftlich weiter zurückfallen. Für Studierende bedeutet dies, dass sie oft gezwungen sind, ihr Studium abzubrechen oder gar nicht erst anzutreten, wenn die finanziellen Hürden zu groß werden.
Ein weiterer Aspekt ist die regionale Ungleichheit. In wohlhabenden Regionen wie Bayern oder Baden-Württemberg gibt es oft bessere Bildungsangebote, doch die hohen Lebenshaltungskosten machen diese für viele unzugänglich. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts und des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zeigt, dass sozioökonomisch benachteiligte Regionen nicht nur eine geringere Lebenserwartung, sondern auch schlechtere Bildungschancen aufweisen. Dies verschärft die Kluft zwischen wohlhabenden und benachteiligten Regionen weiter.
Kritik am BAföG-System: Reformen reichen nicht aus
Die BAföG-Reform 2024 brachte einige Verbesserungen, wie die Erhöhung der Bedarfssätze um 5 % und die Einführung einer einmaligen Studienstarthilfe von 1.000 Euro für Studierende unter 25 Jahren, die zuvor Bürgergeld oder Kinderzuschlag erhalten haben. Doch Kritiker bemängeln, dass diese Maßnahmen nicht weit genug gehen. Die Wohnpauschale wurde nicht an die realen Mietpreise angepasst, und die „kleine Wohnpauschale“ für Studierende, die bei ihren Eltern wohnen, blieb unverändert. Gewerkschaften und Studierendenvertreter fordern eine stärkere Anhebung der Sätze, um den gestiegenen Lebenshaltungskosten gerecht zu werden.
Ein weiteres Problem ist die Bürokratie. Die Beantragung von BAföG ist zeitaufwendig und komplex, was viele Studierende abschreckt. Laut einer Analyse von meinBafög.de kann die Online-Beantragung zwar Zeit sparen, doch die Nachweispflichten, etwa für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, bleiben eine Hürde.
Die Rolle der Familie: ein zweischneidiges Schwert
Für Studierende, deren Eltern nicht finanziell unterstützen können, ist BAföG oft die einzige Chance auf ein Studium. Doch selbst hier gibt es Ungleichheiten. Elternunabhängiges BAföG, das unabhängig vom Einkommen der Eltern gewährt wird, steht nur unter strengen Voraussetzungen zur Verfügung, etwa nach mehrjähriger Berufstätigkeit. Dies schließt viele junge Studierende aus, die direkt nach dem Abitur studieren möchten.
In diesem Zusammenhang spielt auch die Unterstützung für pflegende Angehörige eine Rolle. Studierende, die neben dem Studium pflegebedürftige Familienmitglieder betreuen, stehen vor zusätzlichen finanziellen und zeitlichen Belastungen. Gezielte Förderprogramme könnten hier Abhilfe schaffen, doch sie sind oft schwer zugänglich.
Wege aus der Lücke
Die BAföG-Lücke ist mehr als ein finanzielles Problem – sie ist ein Symptom für tiefgreifende strukturelle Ungleichheiten im deutschen Bildungssystem. Doch es gibt Ansätze, die Hoffnung machen:
- Regionale Staffelung der Wohnpauschale: Eine Anpassung der BAföG-Sätze an regionale Mietpreise könnte die finanzielle Belastung in teuren Städten lindern. Ein solches Modell würde Studierenden ermöglichen, ihre Studienortwahl freier zu treffen, ohne von hohen Mieten abgeschreckt zu werden.
- Vereinfachung der Antragsprozesse: Eine weitere Digitalisierung und Vereinfachung der BAföG-Beantragung könnte mehr Studierende dazu ermutigen, die Förderung in Anspruch zu nehmen. Weniger Bürokratie würde zudem Zeit und Ressourcen sparen.
- Erweiterung des elternunabhängigen BAföG: Eine Lockerung der Voraussetzungen für elternunabhängiges BAföG könnte mehr Studierenden aus einkommensschwachen Familien den Zugang zu Bildung erleichtern.
- Kombination mit anderen Sozialleistungen: Eine stärkere Verknüpfung von BAföG mit anderen Sozialleistungen, wie etwa Wohngeld, könnte die finanzielle Belastung durch hohe Mieten abfedern. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert eine umfassende Reform der sozialen Absicherungssysteme, um Wohnarmut zu bekämpfen.
Langfristig muss das BAföG-System grundlegend überarbeitet werden, um den Realitäten des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden. Bildung darf nicht zum Luxusgut werden, das nur jenen vorbehalten ist, die es sich leisten können. Stattdessen sollte das BAföG als Investition in die Zukunft verstanden werden – eine Investition, die nicht nur den Studierenden, sondern der gesamten Gesellschaft zugutekommt.
Die steigenden Mietpreise und die unzureichende Anpassung der BAföG-Sätze zeigen, dass es höchste Zeit für mutige politische Entscheidungen ist. Nur durch eine Kombination aus finanziellen, administrativen und gesellschaftlichen Maßnahmen kann die BAföG-Lücke geschlossen und echte Chancengleichheit geschaffen werden.