„Wie wollen wir in der Lausitz leben?“ war eine der zentralen Fragen der sorbischen Konferenz zum Strukturwandel am 13. und 14. September in Senftenberg. Mit hochkarätigen Gästen setzte die Tagung ein deutliches Zeichen für den anstehenden Strukturwandel in der zweisprachigen Lausitz.
„Wie wollen wir in der Lausitz leben?“ war eine der zentralen Fragen der sorbischen Konferenz zum Strukturwandel am 13. und 14. September in Senftenberg. Mit hochkarätigen Gästen setzte die Tagung ein deutliches Zeichen für den anstehenden Strukturwandel in der zweisprachigen Lausitz.
In der sogenannten Kohlekommission werden auf Bundesebene gerade die Rahmenbedingungen für einen Kohleausstieg und den anstehenden Strukturwandel debattiert. Die Konferenz, die durch die Domowina organisiert und durch die Zukunftswerkstatt Lausitz mitfinanziert wurde, befasste sich deshalb zentral mit den Fragen des anstehenden Strukturwandels und den Chancen, die sich dadurch für die Region ergeben. Um den Strukturwandel erfolgreich zu bewältigen, werden einige Milliarden Euro in die Region fließen – diese müssen aber auch an den richtigen Stellen eingesetzt werden.
Diskutiert wurden deshalb zum einen die Rahmenbedingungen, die für einen solchen Prozess notwendig wären, zum anderen aber auch konkrete Ansatzpunkte, um die Lausitz weiter zukunftsfähig und lebenswert zu gestalten. Dabei standen selbstverständlich Themen wie regionale Kultur und Identität der Lausitz sowie Zweisprachigkeit auf der sorbischen Agenda, diskutiert wurden aber auch ökonomische Chancen bspw. der Kooperation mit den östlichen Nachbarländern, die Rolle von Rückkehrern in die Region oder die Attraktivität von Angeboten an Jugendlichen, die in der Lausitz bleiben sollen. Aber auch aktuelle wirtschaftliche Themen wurden diskutiert wie der Mangel an tausenden Fachkräften und die Unternehmensnachfolge in den nächsten Jahren in bis zu 7.500 überwiegend kleinen Unternehmen wie Handwerksbetrieben mit bis zu 10 Angestellten.
Als wichtig erachtet wurde von vielen Teilnehmenden zunächst, dass sich der Prozess des Strukturwandels nicht ausschließlich eng auf wirtschaftliche Themen fokussieren dürfe. Der Ausbau des schnellen Internets in der Region und verschiedene Infrastrukturprojekte wie im Straßen- und besonders auch im Schienenverkehr sind bedeutend. Darüber hinaus sind aber auch die sogenannten „Weichen Standortfaktoren“ ausschlaggebend für die Ansiedlung von Start-Ups, von Kreativen und Internetdienstleistern, die dem „Molloch“ der Ballungszentren und Metropolen entkommen wollten. Viele Dienstleistungen, bspw. im Internet, können mittlerweile beinahe überall erbracht werden. Für eine lebenswerte Region, in der die Kinder in Ruhe aufwachsen können, sind Unternehmen auch bereit, in die Lausitz zu ziehen, bspw. aus Berlin oder Dresden. Deshalb müssten kulturelle Ansätze im Rahmen des Strukturwandels auch gefördert werden, zu denen bspw. auch freie Schulformate und Ausbildungsmöglichkeiten zählen könnten.
Darüber hinaus wurde festgestellt, dass eine wirkliche Marke der Region „Lausitz“ erst entwickelt werden muss, die überregional und weltweit ausstrahlen könnte. Für eine solche regionale Marke und auch regionale Identität stellen die sorbische Sprache und Kultur ein Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Point) dar, bspw. auch den anderen geförderten Kohlerevieren gegenüber. Dieser Kern regionaler Identität würde sich aber nicht nur auf einen kulturellen Bereich, den Kulturtourismus oder die Kreativwirtschaft beziehen, sondern auch die wirtschaftliche Kooperation mit den östlichen Nachbarländern fördern.
In den unterschiedlichen Workshops bspw. zur Kreativwirtschaft oder der Sorbischen Sprache wurde auch darauf verwiesen, dass eine spezifische Kleinteiligkeit in den Prozessen und Angeboten notwendig sei. Insofern sollten neben den Versuchen großer Industrieansiedlungen verschiedene Strukturmaßnahmen gerade im ländlichen Raum auch sehr kleinteilig umsetzbar sein. Dabei geht es zum Beispiel um kleine und mittelständische Unternehmen aber auch um die Verbesserung der Lebenssituation im ländlichen Raum.
Von der IHK Sachsen gab es aber auch kritische Anmerkungen, dass der Ersatz von rund 1.000 gut bezahlten Arbeitsplätzen in der Braunkohle in ihrem Bundesland trotz der Milliardensummen in den nächsten 11 Jahren nicht zu leisten sei. Einer der Referenten verwies aber auch darauf, dass beispielsweise die IHK Cottbus mit der Agentur „Innovationsregion Lausitz“ schon seit Jahren daran arbeite, Firmen zu unterstützen, ihre Dienstleistungen und Produkte nicht nur auf die Braunkohle auszurichten, sondern auch neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Die Konferenz fand insgesamt in einer positiven und der Zukunft zugewandten Atmosphäre statt und kann auch insofern als ein positiver Impuls für den anstehenden Strukturwandel gewertet werden. Die diskutierten Ideen sollen in folgenden Workshops weiterentwickelt werden, praktische Ansätze konkret verfolgt und verschiedene Ideen auch durch die Gäste weitergetragen werden. So war neben der Ministerin Martina Münch bspw. auch Stanislav Tillich anwesend, der derzeit einer der Vorsitzenden der Kohlekommission ist. Insgesamt waren mehr als hundert Gäste anwesend, darunter überwiegend VertreterInnen von Behörden, Planungsgemeinschaften und sorbischen Institutionen aber auch privat Interessierte.
Ein Impuls für eine sorbische Perspektive auf den Strukturwandel wurde durch die Konferenz erfolgreich gesetzt – und das ist vielleicht die wichtigste Botschaft einer solchen Tagung: Es gibt Menschen und Institutionen, die sich (weiter) positiv in die Gestaltung der Zukunft der Region einbringen wollen.