Der Welttheatertag am Donnerstag, 27. März 2014 wird weltweit wieder mit Theateraufführungen, Preisverleihungen und Galaveranstaltungen begangen. In diesem Jahr verfasst Brett Bailey die Botschaft für diesen Tag, die weltweit verlesen und über die Medien in allen Sprachen verbreitet wird.
1961 wurde vom finnischen Zentrum des Internationalen Theaterinstituts, unterstützt von den anderen skandinavischen Zentren, die Proklamation eines “Welttheater-Tages” vorgeschlagen. Der IX. ITI-Kongress in Wien 1961 nahm den Vorschlag einstimmig an und erklärte den alljährlichen Eröffnungstag des Festivals “Theater der Nationen” in Paris, den 27. März, zum Welttheatertag. Der Initiative war ein großer, weiterwirkender Erfolg beschieden.
International renommierte Theaterleute wurden seit 1961 um “Botschaften” gebeten, in denen sie sich mit Bedeutung und Wirkung der Bühnenkunst im gesellschaftlichen Kontext auseinandersetzen. Zu den Botschaftern gehörten bisher u.a. Arthur Miller, Helene Weigel, Dmitrij Schostakowitsch, Pablo Neruda und Vaclav Havel.
Der Botschafter dieses Jahres, Brett Bailey, kommt aus Südafrika. Bailey ist Dramatiker, Bühnenbildner, Regisseur, Installationskünstler und der Künstlerische Leiter von THIRD WORLD BUNFIGHT. Seine hochgelobten, bilderstürmerischen Stücke stellen die Dynamik der postkolonialen Welt in Frage und werden vielerorts in Europa, Australien und Afrika aufgeführt.
Alle Sparten des Staatstheaters Cottbus zeigen am Welttheatertag ihre Produktionen:
Musiker des Philharmonischen Orchesters laden vormittags, um 9.30 Uhr, in den Kammermusiksaal im Probenzentrum zum “Konzert für Minis” ein. Das moderierte Konzert wendet sich an werdende Eltern und Familien mit Kindern bis 2 Jahre. Neben Kinderliedern sind dieses Mal Werke des genialen Geigers Pablo de Sarasate, von Joseph Bodin de Boismortier, Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven und Joseph Haydn zu erleben. Es spielen Yi Ping Tsai (Fagott), Rebecca Wulf (Violine) und Elena Iskraut (Violoncello). Stefanie Platzer moderiert.
Ausverkauft ist die – nach nunmehr 37 erfolgreichen Aufführungen – letzte Vorstellung des Kult-Schauspiels von Colin Higgins “Harold und Maude” um 19.30 Uhr in der Kammerbühne. Ebenfalls vor ausverkauftem Saal wird um 19.30 Uhr in der Theaterscheune die brandneue Operetteninszenierung “Wie einst im Mai” von Willi Kollo und Walter Lieck gezeigt, eine komödiantische und temporeiche Jahrhundertzeitreise mit zahlreichen Ohrwürmern und einer nicht standesgemäßen Liebesgeschichte zwischen einem Schlosserlehrling und einer Adligen.
Botschaft zum Welttheatertag 2014
von Brett Bailey, Dramatiker, Bühnenbildner, Regisseur und künstlerischer Leiter von „Third World Bunfight“ in der Republik Südafrika
Überall, wo es menschliche Gesellschaften gibt, äußert sich der ununterdrückbare Geist der Darbietung.
Unter Bäumen in kleinen Dörfern und auf Hightech-Bühnen in der globalen Metropolis; in Schulaulen, auf Feldern und in Tempeln; in Slums, urbanen Einkaufszentren und innerstädtischen Kellerräumen begegnen sich die Menschen in den flüchtigen Theaterwelten, die wir erschaffen, um unsere menschliche Komplexität, unsere Verschiedenheit, unsere Verletzlichkeit in Fleisch und Blut und Atem und Stimme auszudrücken.
Wir kommen zusammen, um zu weinen und zu gedenken; zu lachen und zu betrachten; etwas zu lernen und zu behaupten und uns auszudenken. Um über unsere Geschicklichkeit zu erstaunen und Gott zu inkarnieren. Um angesichts unserer Fähigkeit zu Schönheit, Mitgefühl und Ungeheuerlichkeit kollektiv den Atem anzuhalten. Wir kommen, um Energie aufzutanken und uns zu stärken. Um den Reichtum unserer vielfältigen Kulturen zu feiern und die Grenzen zwischen uns aufzulösen.
Überall, wo es menschliche Gesellschaften gibt, äußert sich der ununterdrückbare Geist der Darbietung. Aus der Gemeinschaft geboren, trägt er die Masken und Kostüme unserer unterschiedlichen Traditionen. Er nutzt unsere Sprachen und Rhythmen und Gesten und eröffnet einen Freiraum mitten unter uns.
Und wir, die Künstler, die mit diesem uralten Geist arbeiten, empfinden den Drang, ihn durch unsere Herzen, Gedanken und Körper fließen zu lassen und so unsere individuelle Wirklichkeit in ihrer Alltäglichkeit und ihrem glitzernden Geheimnis zu offenbaren.
Doch worauf richtet sich dieser Drang in unserer Zeit, in der so viele Millionen um ihr Überleben kämpfen, unter Unterdrückerregimes und Raubvogelkapitalismus leiden und vor Konflikten und Elend auf der Flucht sind; in der Geheimdienste unsere Privatsphäre verletzen und zudringliche Regierungen unsere Worte zensieren; in der Wälder vernichtet, Spezies ausgelöscht und Meere vergiftet werden; was wollen wir wirklich unbedingt offenbaren?
Lässt sich in dieser Welt der ungleich verteilten Macht, wo verschiedene Hegemonialsysteme uns davon überzeugen wollen, dass eine Nation, eine Rasse, ein Geschlecht, eine sexuelle Orientierung, eine Religion, eine Ideologie, ein kultureller Rahmen allen anderen überlegen sei, tatsächlich die Auffassung vertreten, dass die Künste von sozialen und politischen Themen befreit werden sollten?
Passen wir, die Künstler in der Arena und auf der Bühne, uns den keimfreien Marktanforderungen an oder ergreifen wir die Macht, die wir haben: um Freiräume in Herz und Geist der Gesellschaft zu eröffnen, um Menschen um uns zu versammeln, um zu inspirieren, zu verzaubern und zu informieren und eine Welt voller Hoffnung und offenherziger Zusammenarbeit zu erschaffen?