Bereits im Februar hatten wir Bernd Hahn, von der IHK Cottbus interviewt und er wies darauf hin, das etwa 7.700 Unternehmen in Südbrandenburg in den nächsten fünf Jahren einen Nachfolger bräuchten. Bis dahin ist es ein schwieriger Weg und wir haben uns den Prozess in der Praxis bei EMIS Electrics, einem Mittelständler aus Lübbenau mit fast 500 Mitarbeitern und mehreren Standorten in Deutschland angeschaut. Christopher Perschk (30) ist seit 2015 Geschäftsführer und hat die Geschäfte von seinem Vater Eberhard Perschk, der das Unternehmen 1991 als Ausgründung aus dem Kraftwerk Lübbenau aufgebaut hat, übernommen.
Seit wann tragen Sie sich mit dem Gedanken der Nachfolge ihres Vaters?
„Bis zum Abitur wusste ich noch nicht genau, welchen beruflichen Werdegang ich danach einschlagen werde. Es gab damals zum einen schon die Überlegung in das Unternehmen von meinem Vater mit einzusteigen und die Firma in Familienhand weiterzuführen, zum anderen aber auch völlig andere Ideen. Da ich naturverbunden bin hätte es auch in diese Richtung oder gar etwas bei der Bundeswehr sein können. Ich habe mich dann für EMIS entschieden und bin an die FH Lausitz nach Senftenberg gegangen, um Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren. Während der Zeit war ich noch ein Jahr in Spanien bei BASF gewesen. So war es mir möglich, Erfahrungen in einem großen Konzern zu sammeln. 2009 hatte ich das Studium als Diplomwirtschaftsingenieur erfolgreich abgeschlossen und der ursprüngliche Plan war, vor dem Einstieg bei EMIS in einer anderen Firma weitere Erfahrungen zu machen. Im letzten Moment habe ich mich allerdings dagegen entschieden und bin direkt eingestiegen. Hier habe ich verschiedene Positionen durchschritten und konnte so in alle Bereiche und Prozesse hineinschauen. Das war ein super Start und aus jetziger Sicht, war dies genau der richtige Schritt gewesen. Irgendwann war ich dann auch Projektleiter für das bis dahin größte Projekt bei EMIS. Das war sehr kaltes Wasser und hat mich sehr stark geprägt. Dort war ich drei Jahre, bin dann in die Geschäftsleitung gewechselt und ab Mitte 2014 dann in voller Verantwortung.“
Wie wurde ihr Einstieg aufgenommen?
„Das letzte Jahr war durch eine Reihe von Veränderungen geprägt und wir mussten einige Umstrukturierungen vornehmen. Die Geschäftsleitung wurde durch zwei neue Kollegen ergänzt und neu aufgestellt. Beide sind Anfang 30 und zusammen versuchen wir eine andere Unternehmenskultur und –philosophie zu leben als in der Vergangenheit. Einige sprechen von den jungen Wilden. Wir sind eine neue Generation und konnten die Mitarbeiter Stück für Stück von „unserem“ Weg überzeugen. Durch eine Erkrankung meines Vaters im letzten Jahr mussten wir die Geschäfte dann Großteils allein bewältigen, was uns erfreulicher Weise recht gut gelungen ist. Wäre ich damals erst noch in einer anderen Firma beschäftig und erst kurzfristig bei EMIS eingestiegen, wäre das alles so nicht umsetzbar gewesen. Für das Unternehmen wäre es in der Phase nicht förderlich gewesen. Für die Mitarbeiter ist wichtig zu sehen, dass ich das Unternehmen im Sinne meines Vaters weiterführe. Sie haben uns aber auch einen Vertrauensvorschuss gegeben, den wir schrittweise versuchen durch unsere tägliche Arbeit zu bestätigen.“
Was gab den Ausschlag für die Entscheidung hier zu bleiben?
„Ich wollte in der Region bleiben, weil ich hier stark verwurzelt bin mit meiner Familie, meinen Freunden und meinen Hobbies. Außerdem ist nach dem Abitur die Entscheidung gereift, EMIS als Familienunternehmen weiter zu führen. Das waren 2005 die entscheidenden Impulse für meinen weiteren Werdegang. Mein Vater hat mich nie in die Richtung gedrängt. Ihm war stets bewusst, dass das Unternehmen nur erfolgreich weiter geführt werden kann, wenn auch ich das will.“
Welchen Anteil hatte das Studium für ihre jetzige Position?
„Im Studium lernt man komplexe Sachverhalte zu analysieren, Lösungen zu finden und so eine komplexe Denkstruktur aufzubauen. Das hat geholfen. Fachlich werden Grundlagen vermittelt, die aber erst durch die Praxis richtig gefestigt und weiter entwickelt werden.“
Hat Ihre Kindheit als Unternehmersohn sie schon geprägt?
„Rückblickend betrachtet haben meine Eltern in der Regel nie Themen aus der Firma mit nach Hause genommen. Bis kurz vor dem Beginn meines Studiums hat mich das Unternehmen relativ wenig interessiert, obwohl ich schon als Ferienjobber regelmäßig hier gearbeitet hatte. Geprägt hat mich natürlich die wenige Zeit, die mein Vater für das Familienleben und seine Hobbies hatte, weil er oft bis spät abends oder über Nacht weg war. Mittlerweile finde ich mich in selbst in dieser Situation wider, versuche mir aber eine möglichst ausgeglichene Balance zwischen Beruf- und Privatleben zu erhalten. Zusammen mit meinen Kollegen aus der Geschäftsleitung stimmen wir uns morgens mit meinem Vater ab. Er hält weiterhin die bestehenden Kunden- und Bankkontakte aufrecht und hat inzwischen mehr Zeit für Dinge außerhalb der Firma, was er sich in den Jahren sicherlich redlich verdient hat.“
Ist der komplette Übernahmeprozess schon abgeschlossen?
„Das ganze operative Geschäft habe ich bereits übernommen. Bestimmte Themen wie Betriebsrat, Banken oder langjährige Kunden, nimmt er weiterhin war. Aber auch für Mitarbeiter und Geschäftspartner, die seit Firmengründung dabei sind, ist er weiterhin eine wichtige Bezugsperson. Darüber hinaus ist er für uns als Geschäftsleitung mit all seinen Erfahrungen von großer Bedeutung. Mein Vater schenkt uns eine Menge Vertrauen und ist stets offen für neue Ideen. Er gibt nicht vor, wie wir bestimmte Dinge anzupacken haben. Ich denke, dass er zufrieden und glücklich ist, dass er die Übergabe des Staffelstabes so zügig und erfolgreich übergeben konnte.“
Was ist anders mit ihnen als Geschäftsführer?
„Eine ganze Menge. Wir in der Geschäftsleitung leben zum Beispiel einen anderen Führungsstil vor. Wir erwarten von den Mitarbeitern mehr Selbstverantwortung. Früher wurde auch mal mit der Faust auf den Tisch gehauen und alle haben gehorcht. Wir fordern und fördern das Mitdenken unserer Mitarbeiter. Sie sollen Entscheidungen selbstständig treffen dürfen, ohne befürchten zu müssen, dass ihnen gleich der Kopf abgerissen wird. Es ist schwer zu beantworten, was in der Vergangenheit besser war. Ich würde sagen, dass es früher einfach eine andere Generation war. Darüber hinaus haben wir einen strategischen Führungskreis mit Mitarbeiten aus unterschiedlichen Bereichen ins Leben gerufen. Zusammen mit unseren Mitarbeitern haben wir die EMIS-Unternehmensleitlinien ausgearbeitet, die als Grundlage der künftigen Unternehmenskultur für die Umsetzung der strategischen Ziele der nächsten sechs Jahre dienen. So wollen wir unter anderem die Verantwortung eines jeden einzelnen Mitarbeiters fördern. Alle Beteiligten haben sich gefreut dies aktiv mitgestalten zu können und sind zu Recht stolz auf die entstandenen Ergebnisse.“
Wo liegen die Herausforderungen der Zukunft?
Als das Thema der Energiewende vor drei, vier Jahren so richtig aufkam, war ich schon mittendrin im Unternehmen. Mein Vater hatte bereits Jahre davor angefangen, die Firma breiter aufzustellen, um nicht von einem Geschäftszweig abhängig zu sein. Er wollte auch keine Firma übergeben, die kurz vor dem Abgrund steht, sondern solide aufgestellt ist. Daher war es wichtig, neue Geschäftsfelder zu finden, was wir insbesondere im letzten Jahr stark vorangetrieben haben. So sind wir neben den Bereichen Industrie, Fördertechnik oder Automatisierung jetzt auch beim Netzausbau sowie bei der Automatisierung, Fördertechnik, im Industrie-, Bahn- und Chemiebereich. So sind wir relativ krisensicher aufgestellt und der Wechsel in der Geschäftsleitung kam vielleicht gerade zur rechten Zeit. In der Vergangenheit gab es sicherlich auch gute Ideen und Konzepte, ob die erfolgreicher gewesen wären, kann man im Nachhinein aber nicht beurteilen. Ich bin überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir haben unsere Ziele und Strategien für weitere anspruchsvolle Jahre festgelegt, das Fundament ist aufbereitet und alles Weitere wird man in fünf bis zehn Jahren sehen.“
Zum Schluss gibt Christopher Perschk per Video einen Einblick, warum es sich lohnt Verantwortung in der Lausitz zu übernehmen und was man dafür mitbringen sollte.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die IHK hat ein Unternehmernachfolgehandbuch entwickelt, um Fragen rund um die Nachfolge für Unternehmer zu beantworten. Auf der Nachfolgebörse nexxt-change können sich sowohl Übernahmeinteressierte als auch Unternehmen eintragen und sich verkuppeln lassen. Die IHK sortiert die Anfragen und setzt sich mit den jeweiligen Partnern zusammen.
Bernd Hahn, Fachbereichsleiter für Existenzgründung und Unternehmensförderung ist bei der IHK in Cottbus unter 0355 – 365 1400 oder hahn@cottbus.ihk.de erreichbar.
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