Sie gelten als Urbild der Pfarrfamilie: Martin Luther und Katharina von Bora begründeten in Wittenberg den Prototyp des evangelischen Pfarrhauses. Das Zusammenleben und die Ordnung innerhalb der nachfolgenden Pfarrhäuser entsprachen der gesellschaftlichen Ordnung ihrer jeweiligen Zeit und sollten den Gemeindemitgliedern als Vorbild der Bildung und Lebensführung dienen. Doch das evangelische Pfarrhaus, über Jahrhunderte hinweg Identität stiftendes Zentrum des Protestantismus und kulturprägende Bildungseinrichtung, befindet sich im Umbau. Neue Arbeitsmodelle, pluralisierte Lebensformen, schrumpfende Gemeinden und veränderte Religionsausübung stellen das „Pfarrhaus“ – Beruf, Berufung und Lebensform – vor neue Herausforderungen. Landrat Christian Heinrich-Jaschinski: „Unsere neue Sonderausstellung ist wegen ihrer Größe aufgeteilt im Museum Schloss Doberlug und Museum Mühlberg 1547. Sie beleuchtet die vielen Facetten und die Bedeutung eines Pfarrhauses seit seinem Entstehen bis in die heutige Zeit“. Besser als mit einem Gottesdienst, kann man solch Ausstellung nicht eröffnen und Superintendent Christof Enders kam am 12. Juni nach Mühlberg um ihn mit der Gemeinde zu feiern. Der Tradition entsprechend Sonntagvormittag, jedoch nicht in die Kirche, sondern im Museum mit der anschließenden Ausstellungseröffnung. „500 Jahre evangelisches Pfarrhaus“, stellte Christof Enders in den Raum und fragte gleichzeitig, „Was ist an einem Pfarrhaus anders als bei einem normalen Wohnhaus? Ist die Pfarrersfamilie anders als andere Familien? Wie wachsen Kinder dort auf? Fragen, die zumindest die älteren für sich beantwortet haben – und das mit einem eindeutigen ja. Ein Pfarrhaus ist auch heute noch anders, etwas Besonderes. Es hat 24 Stunden geöffnet, ständig kommen Leute, die Pfarrersfamilie, auch ihre Kinder, leben mit und für die Gemeinde. Natürlich hat sich das Bild fast nur noch in den Städten erhalten. Pfarrhaus, Kirche, Schule, Rathaus, oft auch der Friedhof, bildeten über Jahrhunderte eine Einheit. Was sich in 500 Jahren wandelte, präsentieren nun seit 12 Juni bis 21. August die beiden Museen im Vorfeld des Reformationsjahres 2017.
Die Wanderausstellung des Deutschen Historischen Museums (Berlin) läuft unter dem Titel „Leben nach Luther – Eine Kulturgeschichte des evangelischen Pfarrhauses“ Anfänge, Entwicklung und Veränderungen bis zum heutigen Tage werden betrachtet. Dabei wird die traditionsreiche und bedeutsame Institution des Pfarrhauses in ihrer Verschränkung mit der deutschen Geschichte herausgearbeitet. Die Neuordnung des geistlichen Standes im Zuge der Reformation brachte zwei nachhaltige Veränderungen: Einführung der Studienpflicht für Geistliche und die Abschaffung des Zölibats als strategischer Teil der Legitimierung der Priesterehe. Das Pfarrhaus und das Bild nach außen wurden wichtiger. Ebenso die Rollen von Pfarrer und seiner Frau, den Kindern sowie ihren Betätigungsfeldern in der Landwirtschaft, Obstanbau über die Botanik bis zur Astronomie. Die beiden Ausstellungsorte zeigen die Schau in Kooperation und präsentieren dabei unterschiedliche Themenbereiche. Es geht um den Ursprung von Pfarrfamilie und Pfarrhaus im Zusammenhang der Reformation, um Amtstrachten und Amtspflichten, um Statusfragen der Pfarrfamilie im gesellschaftlichen Gefüge, um die geistige und ökonomische Ausstattung des Pfarrhauses, Leistungen in Geistes- und Naturwissenschaften, die es hervorbrachte. Schließlich beleuchtet die Ausstellung das Verhältnis des Pfarrhauses zur Politik im 20. Jahrhundert.
Foto: Während der Ausstellungseröffnung am 12. Juni im Museum Mühlberg
pm