Die Entscheidung zur Stadthalle erhitzt die Gemüter in Finsterwalde- da lohnt sich der distanzierte Blick aus der Ferne! Als Student lebe ich derzeit weit entfernt von meiner Heimatstadt und registriere die Diskussion trotzdem mit großem Interesse.
Dabei stehet für mich weniger die Diskussion um die Stadthalle im Mittelpunkt als die Frage nach meinen persönlichen Zukunftsplänen.
Für mich heisst es in absehbarer Zeit wo sehe ich eine Perspektive für meinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt?
Möchte ich in einer Stadt leben in der augenscheinlich die Eitelkeiten einzelner Personen eine Perspektive für eine ganze Stadt in Frage stellen?
In einer Sängerstadt die aus Angst vor der Zukunft im Stillstand verharrt? Jede Entscheidung trägt ein Risiko in sich! Andererseits auch die einmalige Chance eine lebenswerte Zukunft zu gestalten – denn die Kosten für eine Stadt im Stillstand ohne Perspektive sind wesentlich höher und erst recht unkalkulierbar!
Julian Winter, 06.01.15 Stralsund
Meldung des OV der FDP, die nicht mehr im Stadtparlament vertreten ist:
Bürgerbegehren „Stadthalle“
Die Mitglieder des FDP-Ortsverbandes Finsterwalde haben sich in ihrer Versammlung am 24.11.2014 dazu bekannt, das Bürgerbegehren der SPD Finsterwalde zu unterstützen, mit dem die Verwirklichung des Stadtverordnetenbeschlusses vom 22.10.2014 zum Umbau der ruinösen Schäfer´schen Tuchfabrik in der Leipziger Straße zu einer Veranstaltungshalle nach dem „überarbeiteten und fortentwickelten Entwurf des Büros Jürgen Habermann“ verhindert werden soll.
Ich trage diese Entscheidung uneingeschränkt mit.
Dabei bin ich nicht grundsätzlich gegen eine realistisch bemessene, bedarfsgerechte Veranstaltungshalle für unsere Stadt. Immerhin habe ich in meiner Amtszeit als Finsterwalder Bürgermeister selbst versucht, das Projekt einer Kombination von Veranstaltungshalle mit einem 80-Betten-Hotel in einem Qualitätsstandard, den man den Gästen unserer Stadt auch ohne Gewissensbisse zumuten könnte, auf den Weg zu bringen. Das Ganze, nur zur Erinnerung, mit einer originären „Hundertwasser-Architektur“, deren weltweite Werbewirksamkeit wohl nur Ignoranten oder missgünstige Konkurrenten bestreiten können.
Für die Betreibung der Anlage am Standort Brandenburger Straße/Finspanggatan sollte ein privater Geschäftspartner gewonnen werden, beide Objekte hätten unabhängig voneinander errichtet werden können.
Die damalige Kostenschätzung ging von einem Investitionsaufwand insgesamt 15 Mio €, darunter 5 Mio € für das Teilobjekt Veranstaltungshalle.
Dieses Projekt ist seinerzeit durch den Widerstand der stabilen Abstimmungsgemeinschaft aus Linken und CDU mit dem Hinweis auf nicht zu verantwortende Folgekosten abgelehnt worden; aus demokratischer Sicht nicht zu beanstanden.
Das ist übrigens die gleiche Abstimmungsgemeinschaft, die nunmehr den o.g, Beschluss zu verantworten hat.
Selbstverständlich gibt es erhebliche Unterschiede zu dem einstigen Hundertwasser-Projekt:
Es soll “nur“ noch um eine Veranstaltungshalle gehen, die soll allerdings mindestens 10.7 Mio € kosten, wobei der Mehrheitsbeschluss, der an Unbestimmtheit kaum zu übertreffen ist, weitere Kostenerhöhungen erwarten lässt, weil er bereits die „automatische Integration“ (was immer das heißen mag) verschiedener „Optionsbausteine“ einschließt.
Irgendeine Begründung für dieses Vorhaben enthält der Beschluss vom 22.10.2014 nicht.
Auf gerade mal 5 ½ Zeilen wird ein völlig nichtssagender „Sachverhalt“ geschildert, der absolut ungeeignet ist, die unabweisbare Notwendigkeit und die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Investition nachvollziehbar zu machen.
Für einen Beschlussvorgang mit dieser Tragweite kann man dieses Vorgehen eigentlich nur als unverschämte Unterschlagung von Informationen bezeichnen.
Beschämend, dass unter diesen Voraussetzungen sogar Stadtverordnete, die sich öffentlich mit guten Argumenten gegen dieses Prestigevorhaben ausgesprochen hatten, offenbar gegen ihre eigenen Überzeugungen abgestimmt haben.
Den Architektenbewerb zum Umbau der ruinösen ehemaligen Tuchfabrik hatte seinerzeit ein Dresdener Büro gewonnen. Im Nachhinein forderte man dann die beteiligten Büros zu Kostenverhandlungen auf. Als Kostenlimit hatte der Bürgermeister 4,4 Mio € verkündet..
Ein reichlich dubioses Verfahren.
Das Sieger-Büro zog sich daraufhin verständlicherweise aus diesem zweifelhaften Verfahren zurück, so dass das Büro Habermann –außerhalb eines öffentlichen Wettbewerbs- zu Zuge kommen konnte. Immerhin sprang so schon mal ein Planungsauftrag von 83.600 € zur Überarbeitung und Fortentwicklung seines ursprünglichen Wettbewerbsbeitrages heraus.
Das Ergebnis:
Der Beschluss vom 22.10.2014 nennt als Gesamtkosten eine Summe von ca. 10,7 Mio €(!), nach oben hin offen.
Dafür enthält er auch keinerlei Hinweise auf ein wie auch immer geartetes Betreiberkonzept.
Hätte man nicht unter diesen Umständen, nämlich der außerordentlich großzügigen Ausweitung der Kostengrenze den Wettbewerb neu ausschreiben müssen? Wer weiß, was der Wettbewerbssieger, das Dresdener Büro, zu Stande gebracht hätte, wenn ihm ein Kostenvolumen von fast 11 Mio € in Aussicht gestellt worden wäre?
Aufgeschreckt durch die Ankündigung eines Bürgerbegehrens versuchen nun die Verfechter des beschlossenen Entwurfs in wortreichen Verlautbarungen den Eindruck zu erwecken, als stünde eine überwältigende Mehrheit der Finsterwalder Bürger hinter der Verwirklichung der Habermann´schen Vorstellungen.
Dabei scheut man nicht vor verfälschenden Vergleichen mit dem „Hundertwasser-Projekt“ zurück.
So unterschlägt der Bürgermeister in seinem Rechtfertigungsartikel vom 26.11.2014 auf der Homepage der Stadt Finsterwalde, dass die Kostenschätzung für das Teilobjekt „Hundertwasser-Stadthalle“, einschließlich Innenausstattung, Außenanlagen und öffentlicher Erschließung nur bei 5,0 Mio € lag.
Dieser nachgeschobene Rechtfertigungsartikel enthält eine Flut von Informationen, die nichts mit der Entscheidungsfindung zu tun haben und wohl am ehesten als gezielte Desinformation anzusprechen sind.
Den Quantensprung bei der öffentlichen Darstellung der Kosten von 4,4 Mio € auf gigantische 10,7 Mio € versucht er mit dem Hinweis zu erklären, dass wegen der Vergleichbarkeit der Wettbewerbsbeiträge nur die Aufwendungen in den Kostengruppen 200-400, also nur für den reinen Baukörper ohne Innenausbau, Technikausstattung und Möblierung, Erschließung usw.Gegenstand der Wettbewerbsausschreibung gewesen seien. Damit drängt sich der Eindruck auf, dass der sogenannte Architektenwettbewerb von vornherein lediglich dazu dienen sollte, eine objektive Planungsvergabe vorzutäuschen und die Stadtverordneten und die Öffentlichkeit möglichst lange über die tatsächlich zu erwartenden Kosten im Unklaren zu lassen.
Ein Trick, den man bekanntermaßen schon einmal, nämlich bei dem noch immer nicht abgeschlossenen Umbau der sogenannten „Krause-Villa“ zur neuen Stadtbibliothek, angewandt hatte.
Offensichtlich soll mit alldem suggeriert werden, dass der Habermannsche Entwurf eigentlich ein Schnäppchen ist.
In die gleiche Kerbe schlägt erwartungsgemäß der begünstigte Architekt, der um eine lukrativen und risikolosen Auftrag fürchtet, in dem er gar behauptet, die „Hundertwasser-Stadthalle“ hätte gar das Dreifache gekostet, als die Halle nach seinen Planungen. Belege für diese Behauptung hat er natürlich keine, dafür maßt er sich Belehrungen in Sachen Demokratieverständnis gegenüber Stadtverordneten an, die nicht blindlings seinen Ausführungen, die wohl kaum frei von massiven Eigeninteressen sein dürften, zu folgen bereit sind.
Für ein derart komplexes Vorhaben von 10,7 und mehr Millionen sollte man sich grundsätzlich nicht allein auf die Aussagen der Beteiligten und möglicherweise Begünstigten verlassen.
Für das „Hundertwasser-Projekt“ hatte ich seinerzeit ein Gutachten einer unabhängigen Wirtschaftsberatungsfirma eingeholt, das letztlich auch entscheidend zur Meinungsbildung der Stadtverordneten beigetragen hat.
Warum ist im aktuellen Fall, eine Stadthalle an einem städtebaulich ungeeigneten Standort, mit einer extrem hohen Investitionssumme, ohne prüfbares Betreiberkonzept, ohne detaillierte betriebswirtschaftliche Betrachtung den Stadtverordneten keine vergleichbare Entscheidungshilfe in Form eines unabhängigen Gutachtens angeboten worden?
Die viel beschworenen “Workshops“, die den Bürgern keine Grundlage geboten haben, sich über die nun präsentierten Kosten zu äußern, kann man ja wohl nicht ernsthaft als Bürgerbeteiligung verkaufen.
Kann man da einigen Stadtverordneten, denen diese dürftige Beschlussvorlage einfach zu unausgegoren erscheint, verübeln, wenn sie ihr nicht zustimmen konnten?
Das von der SPD eingeleitete Bürgerbegehren und auch ein eventuell folgender Bürgerentscheid sind nicht nur legitime sondern in diesem Fall auch dringend gebotene Wege, den Bürgern eine aktive Beteiligung zu ermöglichen und die tatsächliche Legitimation dieses Beschlussvorgangs zu überprüfen.
Johannes Wohmann (05.12.2014)