Am 16. August erfolgte die Bewilligung des „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (CanG) im Bundeskabinett. Das aufgrund der besonderen Umstände von Corona-Krise und Russlands Krieg in der Ukraine schleppende Prozedere scheint zu seinem Ende zu kommen. Doch die Gesellschaft ist weiter gespalten. So ergab eine Umfrage von Civev im Auftrag von Spiegel, dass 45 Prozent aller Befragten gegen eine Legalisierung von Cannabis eingestellt sind, während dies bei einer Enthaltung von 15 Prozent nicht mehr als 40 Prozent begrüßten.
Kritik kommt auch von Befürwortern
Dennoch ist dieses Meinungsbild lediglich eine grobe Skizze zweier Pole. Die Realität ist komplexer, denn die Umsetzung ist an zahlreiche Auflagen gebunden, die Befürworter als einschneidend wahrnehmen könnten. Für sie ist das neue Gesetz zu halbherzig, um wirklich als Befreiungsschlag gelten zu können. Nach der Vorstellung der Reform werden wir auf diese Perspektive eingehen, die uns Dannie Hansen, CEO von NordicOil, einem der bedeutendsten Anbieter von Cannabisprodukten in Deutschland, vermitteln wird.
Dannie Hansen betont, dass NordicOil auf CBD-Produkte spezialisiert ist. CBD steht für Cannabidiol und bezieht sich damit auf das gesundheitlich potenteste Cannabinoid der Hanfpflanze, das im Gegensatz zu THC nicht psychoaktiv wirkt und deshalb schon heute legal ist.
Die wichtigsten Punkte des neuen Gesetzes
Cannabis wird von den verbotenen Substanzen des Betäubungsmittelgesetzes gestrichen. Erwachsenen dürfen in Cannabis-Clubs, die dem Gesetz nach als Anbaugesellschaften geführt werden, bis zu 50 Gramm des Rauschmittels im Monat und höchstens 25 Gramm auf einmal erwerben. Für Heranwachsende von 18 bis 21 Jahren reduziert sich die Menge auf monatlich 30 mg.
Der Besitz von 25 Gramm Cannabis wird für Volljährige generell straffrei und Jugendliche, die mit Haschisch oder Marihuana erwischt werden, müssen nur noch an Präventionsgesprächen teilnehmen. Zugelassen wird der Eigenanbau von bis zu drei Hanfpflanzen für den privaten Gebrauch, die wiederum vor dem Zugriff Dritter zu schützen sind.
Innenleben der Cannabis-Clubs
Wer denkt, die Cannabis-Clubs wären die neuen Coffee-Shops, wird schnell eines Besseren belehrt. Der nach klassischem Amtsschimmel riechende Name von Anbaugesellschaften wurde bewusst gewählt, um den Vereinigungen jedes Kolorit zu nehmen. Sie sind als reine Erwerbsstellen gedacht und beim Konsum muss eine Entfernung von mindestens 200 Metern eingehalten werden. Zugelassen sind pro Anbaugesellschaft 500 Mitglieder, die einen Präventionsbeauftragten für gesundheitliche Ausbildung stellen müssen. Die Gründung einer Anbaugesellschaft ist genehmigungspflichtig, und untersagt ist ihnen jede Werbung für ihre Tätigkeit, die genossenschaftlich und somit nicht gewerblich organisiert sein muss.
Die Kritik von Dannie Hansen
Dannie Hansen stört sich vor allem an dem engmaschigen Charakter der neuen Bestimmung. Das neue Gesetz atme nicht den Geist des Aufbruchs, sondern der Gängelung. Offenbar hätten die Verantwortlichen der Cannabis-Verordnung Angst vor der eigenen Courage gehabt, was sich nur teilweise auf den Druck der EU, die seine Mitgliedsländer zu einem repressiven Umgang mit Substanzen wie Cannabis verpflichtet, zurückführen lasse (der Dialog zwischen Deutschland und der EU ist ein laufender Prozess).
Vor allem befürchtet der Entrepreneur, dass deutsche Start-ups, die im Angesicht des neuen Umgangs mit der einst dämonisierten Droge erste Grundlagen dafür geschafft haben, sich eine Existenz aufzubauen, in ihren Bestrebungen entscheidend ausgebremst werden würden. Er schätzt, dass ein Drittel der neuen Anbieter bis zum Ende des Jahres in Liquiditätsschwierigkeiten kommen und von erfahrenen ausländischen Cannabis-Unternehmen übernommen werden könnten.
Ein optimistischer Ausblick
Der Wandel im Umgang mit der uralten Nutz- und Heilpflanze Cannabis ist gesellschaftlich in vollem Gange. Es ist ein internationaler Prozess, der Cannabis immer mehr aus der Schmuddelecke führt und zum „grünen Gold“ avancieren lässt. Tatsächlich bietet Cannabis – etwa für den Konsum, die Gesundheit, Wellness und Kosmetikprodukte – interessante Ansatzpunkte, deren Wirksamkeit zu verschiedenen Aspekten in Studien bestätigt wurde.
Experten schätzen, dass diese Unternehmen in den nächsten Jahren etwa 30.000 Arbeitsplätze schaffen und dem Fiskus zusätzliche Steuereinnahmen von rund 400 Milliarden Euro bescheren könnten. Die Zeit ist reif für den Wandel. Funktioniert die Teillegalisierung, dürfte das Heer der Kritiker tendenziell weniger werden und weitere Lockerungen sind möglich.