Der ostbrandenburgische Arbeitsmarkt ist drei Jahre nach Inkrafttreten der völligen Arbeitnehmerfreizügigkeit am 1. Mai 2011 spürbar europäischer geworden.
Von rund 1.000 (Datenstand: Juni 2010) wuchs die Zahl polnischer sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigter auf aktuell 2.800 in Frankfurt (Oder), Märkisch-Oderland, dem Landkreis Oder-Spree, dem Barnim und der Uckermark (Datenstand: Juni 2013).
Von allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Region stellen sie aber immer noch deutlich weniger als zwei Prozent. Die Zahl geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse („Minijobs“) hat in diesem Zeitraum kaum zugenommen. Etwa 1.500 der in der Region sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit polnischer Staatsangehörigkeit pendeln jeden Tag von ihrem Wohnort auf der polnischen Seite in die deutsche Nachbarregion.
Anlässlich der bevorstehenden Europa-Wahl erneuern die Ostbrandenburger Arbeitsmarktpartner ihr Bekenntnis zu einer noch besseren Vernetzung der Arbeitsmärkte mit dem Nachbar Polen. Für die Zukunft erhoffen sich die Unterzeichner der Frankfurter Erklärung aus dem Mai 2011 insbesondere noch mehr polnische Bewerber für freie Lehrstellen.
Gegenwärtig absolvieren 41 junge Polen eine Ausbildung in Ostbrandenburg. Für den Ausbildungsbeginn 2014 sind bei Arbeitsagenturen und Kammern derzeit noch gut 2.000 freie Lehrstellen registriert. Eine nennenswerte Konkurrenz für deutsche Arbeitskräfte stellen Kammern und Arbeitsagenturen auch nach drei Jahren völliger Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht fest. Vielmehr verweisen sie darauf, dass die Belegschaften in ostbrandenburgischen Betrieben im Durchschnitt älter seien als im übrigen Deutschland. Damit sicherten ausländische Fachkräfte die Zukunft der hiesigen Unternehmen und damit auch Arbeitsplätze deutscher Arbeitnehmer.
Jochem Freyer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Frankfurt (Oder): „Die Arbeitslosigkeit war in den letzten Jahren nie so niedrig wie jetzt. Und auf dem Arbeitsmarkt ist ‚Europa‘ schon längst keine Zukunftsmusik mehr. Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Menschen unsere Grenzlage, unsere Rolle als ‚Brandenburger Tor nach Osteuropa‘ als Chance begreifen. Natürlich stehen wir erst am Anfang, aber die ersten Zeichen machen Mut. Und vor allem empfehle ich, die Zukunft Europas aktiv mitzugestalten. Ein erster Schritt am Sonntag: Wählen gehen!“
Gundolf Schülke, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg: „In den vergangenen zehn Jahren wurde deutlich, dass die Verflechtung der Grenzregion ein tiefgehender Prozess ist. Eine gelebte Willkommenskultur und das Abbauen der Sprachhürden bleiben langfristige Ziele. Die Grenzregion braucht eine besondere Beachtung. Dafür müssen Entscheider auf Landes-, Bundes und Europa-Ebene gemeinsam strategisch handeln. Die IHK wird ihren Beitrag leisten.“
Uwe Hoppe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Frankfurt (Oder) – Region Ostbrandenburg: „Wir pflegen eine freundschaftliche Kooperation und einen intensiven Austausch mit unseren polnischen Partnerkammern in Gorzów, Poznań und Szczecin. Dadurch haben wir nicht nur alle denkbaren Befürchtungen zerschlagen können, sondern konnten Ängste abbauen. Wir sehen es künftig als unsere gemeinsame Pflicht an, gerade die Ausbildung und Weiterbildung grenzüberschreitend fortzuführen.“
Dr. Martin Wilke, Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt (Oder): „Die Zusammenarbeit der Städte Frankfurt und Slubice hat seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union und die Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit 2011 deutlich an Intensität gewonnen. Diese Freizügigkeit hat grenzüberschreitende Projekte wie die gemeinsame Buslinie, die deutschpolnische KITA und gemeinsame Infrastrukturprojekte beflügelt. Unternehmen schätzen die Möglichkeiten, beide Arbeitsmärkte für ihre
grenzüberschreitenden Aktivitäten nutzen zu können.“
Frank Techen, Regionsgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Region Ostbrandenburg: „Das Recht, sich in einem anderen Land niederzulassen und eine Beschäftigung aufzunehmen, gehört zu den Grundwerten der Europäischen Union. Es leistet einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung,
zur Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in Deutschland und Europa und zur kulturellen Vielfalt. Dazu haben sich die Gewerkschaften und Arbeitgeber bekannt. Das ist gut und richtig so. Diesen eingeschlagenen Weg werden wir gemeinsam weiter gehen!“