Bisher galt im Land Brandenburg als ausgemachte Sache, dass im Lande keine Theologinnen und Theologen, ganz gleich welcher Religion, an staatlichen Universitäten ausgebildet werden. Mit dieser Entscheidung lag Brandenburg im europäischen Trend, der in aller Abstraktheit als zeitgemäß gelten kann. Sie wissen, es gibt Länder, in denen die Trennung von Staat und Kirche so konsequent durchgesetzt wird, dass es gar nicht möglich wäre, eine bekenntnisorientierte Theologie inmitten einer der Freiheit von Lehre und Forschung verpflichteten staatlichen Universität zu unterstützen. Die Entwicklungen in Nordeuropa sind zurzeit besonders interessant. Dort geht man davon aus, dass ein Bekenntnis zu einem bestimmten Glauben weder für Studierende noch für Lehrende als Kriterium gilt, ob man eine akademische Ausbildung oder eine Lehrtätigkeit anfangen darf oder nicht. Die Befürchtung ist auch, dass die Wissenschaftlichkeit der Universität insgesamt gefährdet sein könnte, dass die Freiheit von Lehre und Forschung Schaden nehmen könnte, wenn andere starke Institutionen – wie es Kirchen in der Regel sind – maßgeblich mitbestimmen können.
Wenn wir uns hier und jetzt darüber streiten, wie es am besten gelingen kann, jüdische Theologie an der Universität Potsdam zu etablieren, dann muss allerdings der konkrete Kontext beachtet werden. Das heißt nun aber nicht, dass damit allein oder vor allem rein rechtliche Fragen gemeint sind, um das Vorhaben juristisch „wasserdicht“ hinzubekommen.
Nein, neben all den verwaltungstechnischen, finanziellen und verfassungsrechtlichen Fragen und einigen Pseudofragen geht es doch hoffentlich vor allem um die politische Zielstellung, um die fachliche, theologische und historische Dimension dieser Aufgabenstellung. Es geht um den konkreten Kontext, der auch eine spezielle Geschichte mit einschließt. Es geht zum Beispiel um seit Mitte des 19. Jahrhunderts formulierte Aufgaben, die jetzt die Chance erhalten als Arbeit angenommen zu werden.
Es geht um das Vermächtnis von Abraham Geiger (1810 – 1874). Ihm ging es darum, beim preußischen Emanzipationsedikt von 1812 nicht stehen zu bleiben. Die Vollendung der Emanzipation könne nur gelingen, wenn die akademische Ausbildung der jüdischen Geistlichen denen der christlichen Theologen gleichgestellt wird. Geiger bezieht sich dabei auf Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768 – 1834) und seinen Kanon protestantischtheologischer Ausbildung. Auf den ersten Blick passen nun Schleiermacher und Geiger so gar nicht zueinander, schließlich war der Protestant Schleiermacher der Meinung, dass „das lebendige Christentum in seinem Fortgange gar keines Stützpunktes aus dem Judentum bedürfe.“ Beim näheren Hinsehen stellt sich aber heraus, dass Geiger wie Schleiermacher davon überzeugt waren, dass die Religionen auch theologisch auf die zunehmende Vielfalt religiöser Richtungen reagieren müssten. Und so war es wohl durchaus auch im Sinne Schleiermachers, eine jüdische Theologie unabhängig und neben den christlichen Theologien anzuerkennen. Und für Geiger war es möglich, grundlegende Auffassungen Schleiermachers für sein Konzept einer akademischen Rabbinerausbildung mehr oder weniger zu übernehmen.
Wenn wir in Deutschland über Theologie allgemein und speziell über jüdische Theologie reden, gehört auch zum Kontext, dass sich bekenntnisorientierte theologische Fakultäten, trotz der berechtigten Bedenken, immer wieder als Einrichtungen erwiesen haben, die Wissenschaft und kritisches Denken befördern. Ich erinnere mich noch recht gut, welche Debatten es unter uns Philosophen, Afrikawissenschaftler, Arabisten und Semitisten auslöste, als 1983 der Leipziger Theologe Kurt Nowak einen klug zusammengestellten Band mit Schriften Schleiermachers herausbrachte und entsprechend kommentierte.
Was für andere Theologieausbildungen in Deutschland mit Bezug auf Wissenschaftlichkeit gilt, dürfte erst recht für jüdische Theologie gelten. Zu erwarten ist eine Bereicherung angrenzender Wissenschaften. Das mag auch damit zu tun haben, dass Vernunft und Glauben, Freiheit des Wortes und Lust an Disputation einen festen Platz in unterschiedlichen Strömungen des Judentums haben.
Wissenschaftsinterne Gründe, historische Verpflichtung, eine interessante politische Aufgabe und nicht zuletzt Neugierde auf bisher Unbekanntes sprechen dafür, der Empfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur zu folgen und zuzustimmen.
Jüdische Theologie wird ein Sonderweg bleiben. Die Schwierigkeiten, die es dabei zweifellos geben wird, sprechen nicht dagegen, sondern eher für diesen „Sonderweg“, für dieses Neuland. Wir beginnen damit einen Prozess, der in der jüdischen wissenschaftlichen Tradition von Disputation, Austausch von Argumenten und Öffnung gegenüber Veränderungen steht.
Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann (MdL)
Foto: Wikipedia, CC-Lizenz
Bisher galt im Land Brandenburg als ausgemachte Sache, dass im Lande keine Theologinnen und Theologen, ganz gleich welcher Religion, an staatlichen Universitäten ausgebildet werden. Mit dieser Entscheidung lag Brandenburg im europäischen Trend, der in aller Abstraktheit als zeitgemäß gelten kann. Sie wissen, es gibt Länder, in denen die Trennung von Staat und Kirche so konsequent durchgesetzt wird, dass es gar nicht möglich wäre, eine bekenntnisorientierte Theologie inmitten einer der Freiheit von Lehre und Forschung verpflichteten staatlichen Universität zu unterstützen. Die Entwicklungen in Nordeuropa sind zurzeit besonders interessant. Dort geht man davon aus, dass ein Bekenntnis zu einem bestimmten Glauben weder für Studierende noch für Lehrende als Kriterium gilt, ob man eine akademische Ausbildung oder eine Lehrtätigkeit anfangen darf oder nicht. Die Befürchtung ist auch, dass die Wissenschaftlichkeit der Universität insgesamt gefährdet sein könnte, dass die Freiheit von Lehre und Forschung Schaden nehmen könnte, wenn andere starke Institutionen – wie es Kirchen in der Regel sind – maßgeblich mitbestimmen können.
Wenn wir uns hier und jetzt darüber streiten, wie es am besten gelingen kann, jüdische Theologie an der Universität Potsdam zu etablieren, dann muss allerdings der konkrete Kontext beachtet werden. Das heißt nun aber nicht, dass damit allein oder vor allem rein rechtliche Fragen gemeint sind, um das Vorhaben juristisch „wasserdicht“ hinzubekommen.
Nein, neben all den verwaltungstechnischen, finanziellen und verfassungsrechtlichen Fragen und einigen Pseudofragen geht es doch hoffentlich vor allem um die politische Zielstellung, um die fachliche, theologische und historische Dimension dieser Aufgabenstellung. Es geht um den konkreten Kontext, der auch eine spezielle Geschichte mit einschließt. Es geht zum Beispiel um seit Mitte des 19. Jahrhunderts formulierte Aufgaben, die jetzt die Chance erhalten als Arbeit angenommen zu werden.
Es geht um das Vermächtnis von Abraham Geiger (1810 – 1874). Ihm ging es darum, beim preußischen Emanzipationsedikt von 1812 nicht stehen zu bleiben. Die Vollendung der Emanzipation könne nur gelingen, wenn die akademische Ausbildung der jüdischen Geistlichen denen der christlichen Theologen gleichgestellt wird. Geiger bezieht sich dabei auf Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768 – 1834) und seinen Kanon protestantischtheologischer Ausbildung. Auf den ersten Blick passen nun Schleiermacher und Geiger so gar nicht zueinander, schließlich war der Protestant Schleiermacher der Meinung, dass „das lebendige Christentum in seinem Fortgange gar keines Stützpunktes aus dem Judentum bedürfe.“ Beim näheren Hinsehen stellt sich aber heraus, dass Geiger wie Schleiermacher davon überzeugt waren, dass die Religionen auch theologisch auf die zunehmende Vielfalt religiöser Richtungen reagieren müssten. Und so war es wohl durchaus auch im Sinne Schleiermachers, eine jüdische Theologie unabhängig und neben den christlichen Theologien anzuerkennen. Und für Geiger war es möglich, grundlegende Auffassungen Schleiermachers für sein Konzept einer akademischen Rabbinerausbildung mehr oder weniger zu übernehmen.
Wenn wir in Deutschland über Theologie allgemein und speziell über jüdische Theologie reden, gehört auch zum Kontext, dass sich bekenntnisorientierte theologische Fakultäten, trotz der berechtigten Bedenken, immer wieder als Einrichtungen erwiesen haben, die Wissenschaft und kritisches Denken befördern. Ich erinnere mich noch recht gut, welche Debatten es unter uns Philosophen, Afrikawissenschaftler, Arabisten und Semitisten auslöste, als 1983 der Leipziger Theologe Kurt Nowak einen klug zusammengestellten Band mit Schriften Schleiermachers herausbrachte und entsprechend kommentierte.
Was für andere Theologieausbildungen in Deutschland mit Bezug auf Wissenschaftlichkeit gilt, dürfte erst recht für jüdische Theologie gelten. Zu erwarten ist eine Bereicherung angrenzender Wissenschaften. Das mag auch damit zu tun haben, dass Vernunft und Glauben, Freiheit des Wortes und Lust an Disputation einen festen Platz in unterschiedlichen Strömungen des Judentums haben.
Wissenschaftsinterne Gründe, historische Verpflichtung, eine interessante politische Aufgabe und nicht zuletzt Neugierde auf bisher Unbekanntes sprechen dafür, der Empfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur zu folgen und zuzustimmen.
Jüdische Theologie wird ein Sonderweg bleiben. Die Schwierigkeiten, die es dabei zweifellos geben wird, sprechen nicht dagegen, sondern eher für diesen „Sonderweg“, für dieses Neuland. Wir beginnen damit einen Prozess, der in der jüdischen wissenschaftlichen Tradition von Disputation, Austausch von Argumenten und Öffnung gegenüber Veränderungen steht.
Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann (MdL)
Foto: Wikipedia, CC-Lizenz
Bisher galt im Land Brandenburg als ausgemachte Sache, dass im Lande keine Theologinnen und Theologen, ganz gleich welcher Religion, an staatlichen Universitäten ausgebildet werden. Mit dieser Entscheidung lag Brandenburg im europäischen Trend, der in aller Abstraktheit als zeitgemäß gelten kann. Sie wissen, es gibt Länder, in denen die Trennung von Staat und Kirche so konsequent durchgesetzt wird, dass es gar nicht möglich wäre, eine bekenntnisorientierte Theologie inmitten einer der Freiheit von Lehre und Forschung verpflichteten staatlichen Universität zu unterstützen. Die Entwicklungen in Nordeuropa sind zurzeit besonders interessant. Dort geht man davon aus, dass ein Bekenntnis zu einem bestimmten Glauben weder für Studierende noch für Lehrende als Kriterium gilt, ob man eine akademische Ausbildung oder eine Lehrtätigkeit anfangen darf oder nicht. Die Befürchtung ist auch, dass die Wissenschaftlichkeit der Universität insgesamt gefährdet sein könnte, dass die Freiheit von Lehre und Forschung Schaden nehmen könnte, wenn andere starke Institutionen – wie es Kirchen in der Regel sind – maßgeblich mitbestimmen können.
Wenn wir uns hier und jetzt darüber streiten, wie es am besten gelingen kann, jüdische Theologie an der Universität Potsdam zu etablieren, dann muss allerdings der konkrete Kontext beachtet werden. Das heißt nun aber nicht, dass damit allein oder vor allem rein rechtliche Fragen gemeint sind, um das Vorhaben juristisch „wasserdicht“ hinzubekommen.
Nein, neben all den verwaltungstechnischen, finanziellen und verfassungsrechtlichen Fragen und einigen Pseudofragen geht es doch hoffentlich vor allem um die politische Zielstellung, um die fachliche, theologische und historische Dimension dieser Aufgabenstellung. Es geht um den konkreten Kontext, der auch eine spezielle Geschichte mit einschließt. Es geht zum Beispiel um seit Mitte des 19. Jahrhunderts formulierte Aufgaben, die jetzt die Chance erhalten als Arbeit angenommen zu werden.
Es geht um das Vermächtnis von Abraham Geiger (1810 – 1874). Ihm ging es darum, beim preußischen Emanzipationsedikt von 1812 nicht stehen zu bleiben. Die Vollendung der Emanzipation könne nur gelingen, wenn die akademische Ausbildung der jüdischen Geistlichen denen der christlichen Theologen gleichgestellt wird. Geiger bezieht sich dabei auf Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768 – 1834) und seinen Kanon protestantischtheologischer Ausbildung. Auf den ersten Blick passen nun Schleiermacher und Geiger so gar nicht zueinander, schließlich war der Protestant Schleiermacher der Meinung, dass „das lebendige Christentum in seinem Fortgange gar keines Stützpunktes aus dem Judentum bedürfe.“ Beim näheren Hinsehen stellt sich aber heraus, dass Geiger wie Schleiermacher davon überzeugt waren, dass die Religionen auch theologisch auf die zunehmende Vielfalt religiöser Richtungen reagieren müssten. Und so war es wohl durchaus auch im Sinne Schleiermachers, eine jüdische Theologie unabhängig und neben den christlichen Theologien anzuerkennen. Und für Geiger war es möglich, grundlegende Auffassungen Schleiermachers für sein Konzept einer akademischen Rabbinerausbildung mehr oder weniger zu übernehmen.
Wenn wir in Deutschland über Theologie allgemein und speziell über jüdische Theologie reden, gehört auch zum Kontext, dass sich bekenntnisorientierte theologische Fakultäten, trotz der berechtigten Bedenken, immer wieder als Einrichtungen erwiesen haben, die Wissenschaft und kritisches Denken befördern. Ich erinnere mich noch recht gut, welche Debatten es unter uns Philosophen, Afrikawissenschaftler, Arabisten und Semitisten auslöste, als 1983 der Leipziger Theologe Kurt Nowak einen klug zusammengestellten Band mit Schriften Schleiermachers herausbrachte und entsprechend kommentierte.
Was für andere Theologieausbildungen in Deutschland mit Bezug auf Wissenschaftlichkeit gilt, dürfte erst recht für jüdische Theologie gelten. Zu erwarten ist eine Bereicherung angrenzender Wissenschaften. Das mag auch damit zu tun haben, dass Vernunft und Glauben, Freiheit des Wortes und Lust an Disputation einen festen Platz in unterschiedlichen Strömungen des Judentums haben.
Wissenschaftsinterne Gründe, historische Verpflichtung, eine interessante politische Aufgabe und nicht zuletzt Neugierde auf bisher Unbekanntes sprechen dafür, der Empfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur zu folgen und zuzustimmen.
Jüdische Theologie wird ein Sonderweg bleiben. Die Schwierigkeiten, die es dabei zweifellos geben wird, sprechen nicht dagegen, sondern eher für diesen „Sonderweg“, für dieses Neuland. Wir beginnen damit einen Prozess, der in der jüdischen wissenschaftlichen Tradition von Disputation, Austausch von Argumenten und Öffnung gegenüber Veränderungen steht.
Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann (MdL)
Foto: Wikipedia, CC-Lizenz
Bisher galt im Land Brandenburg als ausgemachte Sache, dass im Lande keine Theologinnen und Theologen, ganz gleich welcher Religion, an staatlichen Universitäten ausgebildet werden. Mit dieser Entscheidung lag Brandenburg im europäischen Trend, der in aller Abstraktheit als zeitgemäß gelten kann. Sie wissen, es gibt Länder, in denen die Trennung von Staat und Kirche so konsequent durchgesetzt wird, dass es gar nicht möglich wäre, eine bekenntnisorientierte Theologie inmitten einer der Freiheit von Lehre und Forschung verpflichteten staatlichen Universität zu unterstützen. Die Entwicklungen in Nordeuropa sind zurzeit besonders interessant. Dort geht man davon aus, dass ein Bekenntnis zu einem bestimmten Glauben weder für Studierende noch für Lehrende als Kriterium gilt, ob man eine akademische Ausbildung oder eine Lehrtätigkeit anfangen darf oder nicht. Die Befürchtung ist auch, dass die Wissenschaftlichkeit der Universität insgesamt gefährdet sein könnte, dass die Freiheit von Lehre und Forschung Schaden nehmen könnte, wenn andere starke Institutionen – wie es Kirchen in der Regel sind – maßgeblich mitbestimmen können.
Wenn wir uns hier und jetzt darüber streiten, wie es am besten gelingen kann, jüdische Theologie an der Universität Potsdam zu etablieren, dann muss allerdings der konkrete Kontext beachtet werden. Das heißt nun aber nicht, dass damit allein oder vor allem rein rechtliche Fragen gemeint sind, um das Vorhaben juristisch „wasserdicht“ hinzubekommen.
Nein, neben all den verwaltungstechnischen, finanziellen und verfassungsrechtlichen Fragen und einigen Pseudofragen geht es doch hoffentlich vor allem um die politische Zielstellung, um die fachliche, theologische und historische Dimension dieser Aufgabenstellung. Es geht um den konkreten Kontext, der auch eine spezielle Geschichte mit einschließt. Es geht zum Beispiel um seit Mitte des 19. Jahrhunderts formulierte Aufgaben, die jetzt die Chance erhalten als Arbeit angenommen zu werden.
Es geht um das Vermächtnis von Abraham Geiger (1810 – 1874). Ihm ging es darum, beim preußischen Emanzipationsedikt von 1812 nicht stehen zu bleiben. Die Vollendung der Emanzipation könne nur gelingen, wenn die akademische Ausbildung der jüdischen Geistlichen denen der christlichen Theologen gleichgestellt wird. Geiger bezieht sich dabei auf Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768 – 1834) und seinen Kanon protestantischtheologischer Ausbildung. Auf den ersten Blick passen nun Schleiermacher und Geiger so gar nicht zueinander, schließlich war der Protestant Schleiermacher der Meinung, dass „das lebendige Christentum in seinem Fortgange gar keines Stützpunktes aus dem Judentum bedürfe.“ Beim näheren Hinsehen stellt sich aber heraus, dass Geiger wie Schleiermacher davon überzeugt waren, dass die Religionen auch theologisch auf die zunehmende Vielfalt religiöser Richtungen reagieren müssten. Und so war es wohl durchaus auch im Sinne Schleiermachers, eine jüdische Theologie unabhängig und neben den christlichen Theologien anzuerkennen. Und für Geiger war es möglich, grundlegende Auffassungen Schleiermachers für sein Konzept einer akademischen Rabbinerausbildung mehr oder weniger zu übernehmen.
Wenn wir in Deutschland über Theologie allgemein und speziell über jüdische Theologie reden, gehört auch zum Kontext, dass sich bekenntnisorientierte theologische Fakultäten, trotz der berechtigten Bedenken, immer wieder als Einrichtungen erwiesen haben, die Wissenschaft und kritisches Denken befördern. Ich erinnere mich noch recht gut, welche Debatten es unter uns Philosophen, Afrikawissenschaftler, Arabisten und Semitisten auslöste, als 1983 der Leipziger Theologe Kurt Nowak einen klug zusammengestellten Band mit Schriften Schleiermachers herausbrachte und entsprechend kommentierte.
Was für andere Theologieausbildungen in Deutschland mit Bezug auf Wissenschaftlichkeit gilt, dürfte erst recht für jüdische Theologie gelten. Zu erwarten ist eine Bereicherung angrenzender Wissenschaften. Das mag auch damit zu tun haben, dass Vernunft und Glauben, Freiheit des Wortes und Lust an Disputation einen festen Platz in unterschiedlichen Strömungen des Judentums haben.
Wissenschaftsinterne Gründe, historische Verpflichtung, eine interessante politische Aufgabe und nicht zuletzt Neugierde auf bisher Unbekanntes sprechen dafür, der Empfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur zu folgen und zuzustimmen.
Jüdische Theologie wird ein Sonderweg bleiben. Die Schwierigkeiten, die es dabei zweifellos geben wird, sprechen nicht dagegen, sondern eher für diesen „Sonderweg“, für dieses Neuland. Wir beginnen damit einen Prozess, der in der jüdischen wissenschaftlichen Tradition von Disputation, Austausch von Argumenten und Öffnung gegenüber Veränderungen steht.
Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann (MdL)
Foto: Wikipedia, CC-Lizenz