Beim ersten diesjährigen Lauchhammeraner Erzählsalon des Projekts „Lausitz an einen Tisch“ vor rund einem Monat waren Alt und Jung eingeladen, ihre Geschichten zum Thema „Streiche aus meiner Kindheit“ zu erzählen. Zehn Erzählerinnen und Erzähler, geboren zwischen 1935 und 2006, saßen an der reicht gedeckten Tafel im Jugendbegegnungszentrum Arche beisammen. „Man hatte als Kind eigentlich immer ein schlechtes Gewissen“, erzählte die 80-jährige Teilnehmerin Käthe Beier. „Es gab kein Kino, kein Fernsehen, wir haben uns immer draußen bewegt. Manches kam raus, anderes nicht.“ Zur Strafe habe es oft Prügel gegeben. Viel schlimmer sei es aber gewesen, „wenn einen in der Familie alle verachteten“, sagte Beier. Denn: „Verachtung bedeutete, dass man die Aufmerksamkeit erst wiedergewinnen musste.“
Eine Auszubildende der Arche erzählte mit ihrem Streich gleich ein Stück jüngerer Lauchhammeraner Stadtgeschichte, die eine ganze Generation verbindet: Mit 30, 40 anderen Jugendlichen habe sie laue Sommerabende feiernd im Schlosspark verbracht, obwohl das Betreten der Grünanlage ab 20 Uhr verboten war. Ausgestattet mit Bier vom nahen Supermarkt und großen Musikboxen trafen sie sich vor der alten Kinobühne im Park. Die Musik kam aus den Handys, jeder konnte sein Telefon anschließen und ein Stück wählen. Es wurde getanzt und getrunken. „Diese Events sprachen sich rum in Lauchhammer“, erinnerte sie sich. „Wenn die Polizei kam, rannten wir schnell weg in den Wald.“
Auch die Jüngsten erzählten mit der Zeit immer munterer: Ein Junge berichtete davon, wie er zu Hause dem Zimmeraufräumen zu entgehen versuchte, indem er den entsprechenden Aufgabenzettel verschwinden ließ. Erfolgreich sei er dabei jedoch selten gewesen. Die jüngste Teilnehmerin, eine Zehnjährige, erzählte verschmitzt und stolz zugleich, wie sie einmal im Winter mit 14 anderen Mädchen einen Jungen aus ihrer Klasse rausgepickt hatte, um ihn nach der Schule ordentlich einzuseifen.
Bald drehten sich die Erinnerungen nicht mehr allein um Streiche, sondern um Alltag in Kindheit und Jugend allgemein. Die 80-jährige Erzählerin Käthe Beier erinnerte sich daran, wie sie als Mädchen das Klavierspiel auf einem Flügel probte, der heute noch im Mehrgenerationenhaus steht. Musik habe in ihrer Kindheit und Jugend eine große Rolle gespielt. „Nach dem Krieg hat es kein Radio gegeben“, erzählte sie. „Die Musik musste von Hand gemacht werden.“ Von ihrem Konfirmationsgeld habe sie sich ihr erstes Akkordeon geleistet. Mit Freunden gründete sie als Jugendliche eine Band für Tanzmusik. Von der Feuerwehrkappelle hatten die jungen Musiker ein Schlagzeug geschenkt bekommen. Neben diesem gab es noch ein weiteres Akkordeon, zwei Geigen und ein Klavier. „Im Haus von Fleischer Wende konnten wir beim Üben ordentlich Krawall machen“, erzählte Beier. Insgesamt übten sie 30 Titel ein. Sie boten Tanzmusik in Lauchhammer und Umgebung: in der Turnhalle, in Gasthäusern, im Kulturhaus. „Jede Woche spielten wir auf“, berichtete sie. „Nur einen Bandnamen hatten wir nicht.“
Jetzt lag Musik in der Luft des Erzählsalons in der Arche, ein Wort ergab das andere, und zwar zwischen den alten und den jungen Teilnehmern. Sprachen die Geschichten eingangs noch sehr aus dem Zeitgeist der jeweiligen Generationen, entwickelte sich nun ein einander zugewandtes Erzählen und Zuhören. Wer von den Jüngeren am Anfang noch gehemmt war, sprach plötzlich witzig und bildreich.
Musik verbindet: Aus diesem Grund lautet das Thema des nächsten Lauchhammeraner Erzählsalons „Was wir in Lauchhammer mit Musik machen“. Am Montag, den 22. Februar 2016, um 19 Uhr im Südclub, John-Schehr-Str. 2. Alle sind herzlich eingeladen, verschiedenste Musikbeispiele vorzustellen. Neben Flüchtlingen nehmen Vertreter der Band „Soundbar“ und des „Real Music Clubs“ teil. Auch Mitglieder des Traditionsvereins und des Bergmannschors werden erwartet. Der Eintritt ist wie immer frei. Anmeldungen sind erbeten unter Tel.: 035753/37021.
Weitere Informationen finden Sie auf: www.lausitz-an-einen-tisch.de
Fotos: Sebastian Bertram
Quelle: Kommunikation Rohnstock Biografien