Das System des landesweiten Netzwerk Gesunde Kinder wird weiter ausgebaut, qualitativ verbessert und finanziell deutlich besser ausgestattet. Dazu hat das Bildungs- und Jugendministerium ein Konzept erarbeitet, das heute im Kabinett beraten wird. Das gab Minister Günter Baaske auf einer Pressekonferenz in Potsdam bekannt. Dabei berichtete Andrea Thiele, Koordinatorin des Netzwerks Havelland, von der praktischen Arbeit. Es ist seit 2007 aktiv. Es arbeitet in Trägerschaft des Kreises und der Havelland Kliniken.
Baaske: „Die Netzwerke haben sich sehr gut entwickelt. Sie sind ein praktisches Beispiel für den ´Vorsorgenden Sozialstaat` und ein bundesweites Vorzeigemodell. Die gesundheitliche Versorgung der Kinder ist besser als in Vergleichsgruppen. Unser vor neun Jahren gestartetes Projekt ist aber so groß geworden, dass wir die Professionalisierung ausbauen, auf eine breite Förderung des Ehrenamts, intensive Öffentlichkeitsarbeit und gefestigte Strukturen setzen“.
Die Netzwerke sind Teil des familienpolitischen Maßnahmenprogramms der Landesregierung und bieten bereits ab der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr Unterstützung an. Baaske: „Damit werden frühzeitig Weichen für eine gute Zukunft von Kind und Familie gestellt. Werdende Mütter und Väter nehmen Unterstützung an, wenn sie als Service und frei von Belehrung oder Bevormundung angeboten wird. Das leisten die Netzwerke.“
Das Netzwerk Gesunde Kinder ist in 19 regionalen Netzwerken an 38 Standorten in 13 Kreisen und drei kreisfreien Städten aktiv. In ihren Einzugsgebieten wurden seit jeweiliger Netzwerkgründung bisher insgesamt rund 10.000 Kinder begleitet.
Das 21-seitige Konzept beruht auf einem Landtagsbeschluss vom März 2015, der eine Stärkung und Verstetigung des Netzwerks mit einer angemessenen und bedarfsgerechten Personal- und Sachausstattung fordert. Zusätzlich sollen Anreizsysteme für die ehrenamtlichen Patinnen und Paten geschaffen werden.
Das Land unterstützt bisher jeden Netzwerk-Landkreis mit bis zu 60.000 Euro und die kreisfreien Städte mit je 30.000 Euro. Es finanzierte unter anderem auch eine überregionale Koordinierungsstelle, eine Datenbank, zentrale Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildungen der Koordinatorinnen. Dafür waren bis 2015 jährlich insgesamt bis zu 1,37 Mio. Euro veranschlagt. Für die kommenden Jahre sind deutliche Verbesserungen eingeplant: Für 2016 2,62 Mio. Euro und für 2017 sowie 2018 jeweils 3,12 Mio. Euro.
Vorgesehen sind insbesondere
- eine bedarfsgerechte Personal- und Sachausstattung der regionalen und überregionalen Netzwerkkoordination,
- Ausweitung der Anerkennung und Förderung des Ehrenamts,
- Ausweitung der Organisations- und Qualitätsentwicklung sowie
- Praxisunterstützung.
Baaske: „Der langfristige Erfolg hängt wesentlich von den hauptamtlichen regionalen Koordinatorinnen ab. Sie bilden den organisatorischen und fachlichen Kern jedes Netzwerks. Für das, was die Netzwerke leisten, sind sie bisher unterfinanziert. Deshalb ist eine deutliche Verstärkung der personellen Ressourcen zwingend erforderlich. Sonst ist das nicht mehr zu stemmen.“ Für jede kreisfreie Stadt soll eine, für jeden Landkreis zwei Vollzeitstellen finanziert werden.
Auch andere Kosten sollen besser finanziert werden. Dazu gehören u. a. technische Grundausstattungen, Qualifizierung der Koordinatorinnen, Aus- und Fortbildung der Patinnen und Paten sowie Öffentlichkeitsarbeit zu Ihrer Gewinnung und Erstattung von Fahrtkosten der Haupt- und Ehrenamtlichen.
Weitere Mittel werden für die Landeskoordinierungsstelle, zentrale Öffentlichkeitsarbeit und die Beschaffung von Sachmitteln zur Verfügung gestellt (z. B. Lesestart-Sets, Zahnputz-Lernsets und Elterntipps). Das Jugendministerium und die Landeskoordinierungsstelle werden mit jedem regionalen Netzwerk jährliche Zielvereinbarungen entwickeln und abschließen. Vorgesehen ist eine regelmäßige begleitende Evaluation von einem unabhängigen Dienstleister.
Baaske erwartet, „dass dadurch die Unterstützungsstruktur für Familien im Land dichter und dessen qualitative Wirkung deutlich stärker werden“. Eine neue Förderrichtlinie dafür soll Ende Januar 2016 in Kraft treten.
In den regional strukturierten Netzwerken verbinden sich Kompetenz von Fachkräften und ehrenamtliches Engagement. Das jüngste Netzwerk entstand im September 2012 in Potsdam, das erste im Juni 2006 in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Niederlausitz. Derzeit begleiten etwa 1.300 qualifizierte ehrenamtliche Patinnen und Paten rund 4.500 Familien. Den Familienpatinnen spricht Baaske „höchste Anerkennung für ein starkes Ehrenamt“ aus.
Die ehrenamtlichen Patinnen und Paten arbeiten in den Netzwerken mit örtlichen Hebammen, Frauenärzten und Kinderärzten, Schwangerenberatungsstellen, Jugend-, Sozial- und Gesundheitsämtern über verbindliche Kooperationsvereinbarungen zusammen. Diesen Kooperationspartnern spricht Baaske „großen Dank für die vertrauensvolle Zusammenarbeit “ aus.
In einzelnen Netzwerken werden bereits Flüchtlingsfamilien z. B. bei Arztbesuchen begleitet oder Patinnen besuchen Familien in den Unterkünften. Um diese Aufgaben wahrnehmen zu können, wird interkulturelle Kompetenz künftig Teil der die Aus- und Weiterbildung. Es wird auch versucht, Flüchtlinge als Patin oder Paten zu gewinnen.
Eine Untersuchung aus dem Jahr 2012 ergab, dass junge Familien mit der Unterstützung durch die Netzwerke Gesunde Kinder äußerst zufrieden sind[1]. 2013 gewannen das Netzwerk Gesunde Kinder den Springer Medizin CharityAward. Mit dem Preis wird das herausragende Engagement einer Stiftung oder Organisation ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise der Gesundheitsversorgung in Deutschland verpflichtet fühlt.
Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen 2014 wurde festgestellt, dass Netzwerkkinder Vorsorgeuntersuchungen stärker in Anspruch nehmen und einen besseren Impfstatus haben als ihre Vergleichsgruppe. Zugleich hat die Netzwerk-Gruppe einen geringeren Sprachförderbedarf nach der Einschulung, da viele von ihnen bereits in der Kita-Zeit sprachlich besonders gefördert wurden. Dabei wurde auch festgestellt, dass die Netzwerke Familien aus allen sozialen Schichten erreichen, so auch Familien in sozial schwierigen Lebenslagen.
Baaske: „Damit haben wir erreicht, dass auch Kinder aus sozial eher schwachen Strukturen einen niedrigschwelligen Zugang zu Gesundheit und Bildung erhalten. Das ist auch ein Beitrag zum sozialen Aufstieg und zur Prävention von Kinderarmut“.
Quelle: Ministerium für Bildung, Jugend und Sport
[1] 1.091 Mütter und 369 Patinnen und Paten, die zusammen 1.919 Familien betreuen, beteiligten sich an der Untersuchung. 86 Prozent der Eltern waren mit den verschiedenen Leistungen insgesamt sehr zufrieden bis zufrieden. 95 Prozent würden das Netzwerk weiter empfehlen, für die Patinnen liegt dieser Wert bei 90 Prozent.