Die Menschen werden immer älter. Mit dieser positiven Entwicklung geht ein erhöhter Pflegeaufwand einher. Schwinden allmählich die Kräfte, die Verschleißerscheinungen nehmen zu und die Krankheiten werden schlimmer, fürchten viele Betroffene den Gang ins Alters- oder Pflegeheim. Die vermeintliche Anonymität dieser Einrichtung, der Kontrollverlust des Lebens und der Verzicht auf liebgewonnene Freiheiten beschweren ihr Herz und machen ihnen Angst. Die 24-Stunden-Pflege ist eine Alternative dazu, die es pflegebedürftigen Personen erlaubt, im vertrauten Umfeld leben zu bleiben.
Was ist eine 24-Stunden-Pflege?
Die 24-Stunden-Pflege ist ein anerkanntes Pflegemodell, das im Fall des Eisernen Vorhangs seine Wurzeln hat. Als sich die Grenzen öffneten, kamen viele osteuropäische Pflegekräfte nach Deutschland und verdienten sich ihren Unterhalt damit, dass sie in deutsche Haushalte einzogen und sich der Betreuung pflegebedürftiger Personen widmeten. Viele von ihnen kamen aus Polen, weshalb inoffiziell auch von der „polnischen Pflege“ gesprochen wird.
Für das Verständnis ist weiterhin wichtig, dass „24-Stunden-Pflege“ nicht bedeutet, dass die Pflegekraft für 24 Stunden am Tag im Einsatz sein muss. Eine solche Rundum-Betreuung wäre nicht mit dem deutschen und europäischen Arbeitsrecht vereinbar. Dennoch müssen die Pflegekräfte zumindest 24 Stunden auf Abruf bereitstehen, um in Notfällen Erste Hilfe zu leisten.
Ablauf der 24-Stunden-Pflege
Bei der 24-Stunden-Pflege wohnen die Pflegekräfte zusammen mit der pflegebedürftigen Person im selben Haushalt. Dort kümmern sie sich um hauswirtschaftliche Tätigkeiten, begleiten sie bei Arztbesuchen, Behördengängen und Friseurterminen, erfüllen soziale Bedürfnisse und bemühen sich darum, dass die ihnen anvertraute Person weiterhin am sozialen Leben teilnehmen kann. Bei einem hohen Grad an Pflegebedürftigkeit gehört die Grundpflege der betreuten Person zu den Arbeitsabläufen.
Da die Pflegepersonen keine Ärzte sind, leisten sie lediglich pflegerische, aber keine ärztliche Unterstützung. So können sie zwar bei der Einhaltung von Ernährungsplänen, der Körperpflege und der Fortbewegung helfen, aber keine ärztlichen Aufgaben wie die Wundversorgung, Injektionen und Messungen von Körpertemperatur und Blutdruck durchführen. Üblich ist deshalb, dass zusätzlich zur Pflegekraft ein Arzt regelmäßig vorbeischaut, um diese Notwendigkeiten zu übernehmen.
Wichtige Voraussetzungen für die 24-Stunden-Pflege
Entscheidet sich die Familie für das Pflegemodell, so muss sie der Pflegekraft ein eigenes Zimmer mit Telefon- und Internetzugang sowie grundlegenden Einrichtungsgegenständen wie Bett, Tisch, Stuhl und Schrank bereitstellen. Der Zugang zur Küche und zum Bad müssen stets gewährleistet sein und das Recht auf Privatsphäre ist zu respektieren. So ist es wichtig, dass die Pflegekraft ihr Zimmer abschließen kann und während der vereinbarten Ruhe- und Pausenzeiten nur im Notfall gestört wird. Für dieses Grundrecht ist die pflegebedürftige Person zu sensibilisieren.
Um einer pflegebedürftigen Person mit hohem Pflegebedarf trotz des deutschen und europäischen Arbeitsrechts im eigenen Haus eine angemessene Pflege zukommen zu lassen, teilen sich zuweilen zwei Pflegekräfte die Stelle, indem sie im Wechsel in das Haus der pflegebedürftigen Person einziehen. Die Akquirierung der Pflegekraft kann über eine Vermittlungsagentur (Entsendemodell), als Auftraggeber oder als Arbeitgeber erfolgen. Die Wahl der Organisation hat Einfluss auf den organisatorischen Aufwand, die rechtlichen Verpflichtungen und die Einflussnahme auf die Pflegekraft. Zu den Dokumenten, welche die Pflegekraft vorweisen sollte, gehören:
- ärztliches Attest
- polizeiliches Führungszeugnis
- Personalausweis oder Reisepass mit Meldebescheinigung
- Sozialversicherungsnachweis
- Europäische Krankenversicherungskarte (EKVK)
- Qualifikationsnachweise
Vor- und Nachteile des Pflegemodells
Mit einer 24-Stunden-Pflegekraft kann der für alle Beteiligten schmerzhafte Gang ins Alters- und Pflegeheim um einige Jahre aufgeschoben oder ganz vermieden werden. Für die Lebensqualität der pflegebedürftigen Person ist dieser weitestmögliche Erhalt der Selbstständigkeit eine wichtige Voraussetzung. Durch den engen Kontakt mit der Pflegekraft lassen sich zugleich soziale Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person stillen, was Gefühlen der Einsamkeit vorbeugt. Angehörige werden enorm entlastet, die zugleich Sicherheit darüber haben, dass (fast) immer jemand im Haus ist, dem sie vertrauen.
Der Wert einer 24-Stunden-Pflege ist allerdings stark von der Persönlichkeit der Pflegekraft abhängig. Auch muss die Chemie zwischen dem Pfleger und der pflegebedürftigen Person stimmen. Deshalb ist bei der Auswahl der Pflegekraft Umsicht geboten, wie überhaupt der bürokratische Aufwand für die Angehörigen enorm sein kann, zumal die deutschen Arbeitsschutzbestimmungen auf das Detail genau eingehalten werden müssen.
Weiterhin müssen die baulichen Gegebenheiten stimmen bzw. herbeigeführt werden. Dies kann die ohnehin schon beträchtlichen Kosten für das Pflegemodell (2.400 – 4.500 Euro pro Monat) weiter erhöhen. Hat sich eine gute Beziehung zwischen dem Pfleger und der pflegebedürftigen Person ergeben, kann ein Abschied nach einem Wechsel der Pflegekraft schmerzhaft sein.