Viele Leute packten wohl am Morgen des zurückliegenden Sonntags die Badesachen ein, um irgendwo in ihrer Umgebung an einen See zu fahren und den Tag im oder am kühlen Nass zu verbringen. Knapp 50 (genau waren es 48) Wanderlustige hatten trotz vorher gesagter 32 ° C im Schatten Anderes vor. Sie packten sich etwas Essen und vor allem kühle Getränke in den Rucksack, um gemeinsam mit uns, den Niederlausitzer Wandergurken, in Guben und Gubin die Doppelstadt zwischen Volkspark am Plastinarium und Bäros-Höhe per pedes zu erkunden. Vornehmlich aus Guben aber auch aus dem Raum Eisenhüttenstadt, Cottbus und dem Spreewald kamen unsere Begleiter. Auch ein Ehepaar aus Dresden war mit dabei. Im Mittelpunkt der Tour stand, zu erfahren, wie das Leben vor und nach 1945 in der Stadt beiderseits der Neiße war, wie viel Leid Hochwasser und der verheerende Krieg für die Menschen brachte. Einige Gubener waren so von der Sache begeistert, dass sie alte Stadtpläne, Ansichtskarten, Zeitungen und Fotos von früher mit zu der Wanderung brachten, die gleich zu Beginn die Runde machten. Herr Andreas Peter nutzte als Heimatforscher und Unternehmer die Gelegenheit, um an einem kleinen aufgestellten Tischchen Literatur über Guben und Umgebung aus dem eigenen Verlag zum Kauf anzubieten – frei nach dem Motto: Selbständig heißt selbst und ständig. Er und vor allem Herr Werner Fröhlich als Gubener Stadtführer waren dann auch das „Salz in der Suppe“, denn so viel Einzelheiten wie die beiden dann in die erlebnisreiche Vorstellung der Doppelstadt aus eigenem Erleben und Recherchen einbringen konnten, hatten wir dann doch nicht „auf der Pfanne“. Natürlich spielten in dem Erfahrungsaustausch auch solche Dinge eine Rolle, die schon heute aber noch stärker zukünftig den Tourismus der Neißestadt tangieren werden wie die „Illegalität“ der neuen Fußgängerbrücke zur Neißeinsel, das Für und Wider der 1. Europäischen Gartenkulturregion und das IBA-Projekt Stadt- und Hauptkirche mit dem Blick auf das unterschiedliche Entwicklungsniveau, die unterschiedliche Art und Weise des Lebens sowie der Mentalität der Menschen und den daraus resultierenden Möglichkeiten der Stadtentwicklung auf deutscher und polnischer Seite eine Rolle. Einig war man sich eigentlich darüber, dass es für das zukünftig Einigende, Freundschaftliche und Verbindende nicht gut ist, wenn man auf unserer Seite der doch noch bestehenden Grenze alles zu stark nur durch die „deutsche Brille“ sieht (sprich: Vorgehens- und Herangehensweise), damit wieder den Bogen schlagend, was wir mit den Worten Theodor Fontanes von 1864 vor Beginn unserer Hitzetour voran stellten:
„Wer in der Mark reisen will, der muss zunächst Liebe zu „Land und Leuten“ mitbringen, mindestens keine Voreingenommenheit. Er muss den guten Willen haben, das Gute gut zu finden, anstatt es durch krittliche Vergleiche tot zu machen.
Der Reisende in der Mark muss sich ferner mit einer feineren Art von Natur- und Landschaftssinn ausgerüstet fühlen. Es gibt gröbliche Augen, die gleich einen Gletscher oder Meeressturm verlangen, um befriedigt zu sein. Diese mögen zu Hause bleiben. Es ist mit der märkischen Natur wie mit manchen Frauen. „Auch die hässlichste – sagt das Sprichwort – hat immer noch sieben Schönheiten.“ Ganz so ist es mit dem „Lande zwischen Oder und Elbe“; wenige Punkte sind so arm, dass sie nicht auch ihre sieben Schönheiten hätten. Man muss sie nur zu finden verstehen. Wer das Auge dafür hat, der wag’ es und reise.
Drittens. Wenn du reisen willst, musst du die Geschichte dieses Landes kennen und lieben. Dies ist ganz unerlässlich.“
Nach der Wanderung haben nicht nur wir uns erneut darin bestätigt gefunden, dass die Worte Th. Fontanes nicht nur für das Reisen in der Mark, sondern auch für das Wandern in der Niederlausitz zutreffen und auch heute noch sehr aktuell sind. Ein solches Herangehen ließ auch den Wunsch aus der Menge laut werden, so etwas öfter zu machen und auch mit anderer Streckenführung und zu anderen Jahreszeiten. Wir konnten darauf nur erwidern, dass wir den Wunsch im Auge behalten werden, aber dass das nicht nur von uns abhängt, sondern vor allem auch davon, welchen Stellenwert das Wandern beiderseits der Grenze als probates Mittel freundschaftlicher Verständigung in den touristischen Vorhaben der Stadt Guben zukünftig spielen wird. Für diese Wanderung war jedenfalls kein Platz im Veranstaltungsplan des MuT e.V. der Neißestadt und das trotz mehrfacher Information und persönlicher Vorstellung und mit dem bewusst gewählten Termin zeitnah 111 Jahre nach dem verheerenden Hochwasser der Neiße, wenn es auch am vergangenen Sonntag besonders heiß war auf der Bäros-Höhe…
Zum Foto unter der Überschrift:
Verschiedenheit der Interessen auf der Neißeinsel unter den Wanderfreunden. Während ein Teil von ihnen ein schattiges Plätzchen unter den Bäumen suchte, erfreute sich der andere Teil an der schönen Aussicht von der Theatertreppe auf die Neiße mit Stadtbrücke, früheres Cafe Schöneberger, Klosterkirche und Amtsgericht.
Gerd Laeser
Gästeführer Niederlausitz
Lübbenau/Spreewald
Fotos © E Roblick-Laeser
Gemeinsam ist es nicht so schwer. Aufstieg bei über 30° C im Schatten auf die Bäros-Höhe. Auch eine lauwarme Brise brachte keine Abkühlung…
Zu Beginn ging’s entlang der Egelneiße, die früher Eichelneiße hieß, weil sie durch einen Eichenwald führte und die Eicheln immer in diesen Umfluter fielen, um mit dem Wasser fort geschwemmt zu werden.
Nach dem Gottesdienst blieb die Klosterkirche offen, so dass ein Blick in ihr Inneres möglich war.