Die Industrie- und Handelskammern Cottbus und Dresden nehmen anlässlich des Treffens der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung („Kohlekommission“) und der Lausitzrunde Stellung. Schwerpunkte für eine erfolgreiche Bewältigung des Kohleausstiegs mit all seinen Folgen sehen die Kammern vor allem in der Kompensation sinkender bzw. wegfallender Wertschöpfung durch die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer, hochwertiger und zukunftssicherer Industriearbeitsplätze, im Ausbau der Digital- und Verkehrsinfrastuktur, einer intensiven und professionellen Investorenwerbung, in der koordinierten länderübergreifenden Steuerung der Maßnahmen sowie deren bedarfsgerechter Finanzierung.
„In der aktuellen Debatte wird außer Acht gelassen, dass wir sowohl in der Lausitz bestehende industrielle Kerne und Wertschöpfungsketten erhalten müssen, als auch neue Unternehmensansiedlungen benötigen. Wir müssen die Region attraktiver für Investoren machen. Dabei ist der Ausbau der Infrastrukturen und eine schnelle, professionell aufgestellte Investorenwerbung für den Erfolg maßgebend“, so Marcus Tolle, Hauptgeschäftsführer der IHK Cottbus. „Bereits jetzt sollten die Zulieferbetriebe der Energiebranche gestärkt werden, um einem Wegfall von Arbeitsplätzen durch schrittweisen Abbau der Kapazitäten in der Energieproduktion zuvor zu kommen.“
„Der Zwischenbericht zeigt, dass der Strukturwandel in seiner ganzen Tragweite unzählige Maßnahmen im sächsischen und brandeburgischen Teil der Lausitz erfordert. Deshalb sehen wir es als unablässig an, dass es eine länderübergreifende Dachorganisation unter Beteiligung des Bundes geben muss, die die zu erwartende Unterstützung fair, schnell und unbürokratisch steuert. Als Vertreter der Lausitzer Wirtschaft sehen wir unsere Stärken besonders auf der operativen Ebene, also im sogenannten Tagesgeschäft. Wir bauen nicht erst seit gestern Unternehmensnetzwerke, unterstützen Unternehmen im Gründungsprozess, arbeiten daran, Fachkräfte in die Region zu ziehen und vieles mehr. Im Sinne der Lausitzer Wirtschaft bieten wir uns als starker Partner an“, fügt Dr. Detlef Hamann, Hauptgeschäftsführer der IHK Dresden hinzu.
Mit Blick auf Städte wie Manchester, Malmö oder Bilbao zeigt sich, wie solche Herausforderungen andererorts gelöst wurden. Dort haben sich Wachstumsbranchen neben großen Forschungsinstituten und bereits existierenden industriellen Kernen angesiedelt. Investitionen in die Infrastruktur und in kulturelle Einrichtungen steigerten maßgeblich die Entwicklung der Lebensqualität an diesen Orten. Wenn diese Faktoren mit professionellen Strukturen hinterlegt werden, ist ein gelingender Strukturwandel möglich.
Ein erfolgreicher Strukturentwicklungsprozess wird weit über das Datum eines Ausstiegs aus der Kohleförderung und -verstromung andauern. Die Unternehmen und die Menschen in der Lausitz erwarten jedoch schnell Signale, dass ihre Region eine Zukunft haben wird und sie auf dem Weg dorthin unterstützt werden. Hierfür sollte der Bund kurzfristig ein ausreichendes Budget zur Verfügung stellen, aus dem die Bundesländer Brandenburg und Sachsen in Abstimmung mit den regionalen Akteuren eigene Projekte zeitnah umsetzen können.
Forderungen der Lausitzer Wirtschaft zusammengefasst:
· Industriestandort Lausitz sichern:
Bestehende Arbeitsplätze müssen gesichert werden und neue, hochwertige, und zukunftssichere Arbeitsplätze müssen entstehen, um die sinkende bzw. wegfallende Wertschöpfung aus der Kohle- und Energiewirtschaft zu kompensieren. Dieser Richtschnur müssen alle Maßnahmen folgen, von der Weiterentwicklung bestehender Industriekerne, über den Aufbau einer modernen Forschungslandschaft und die Anpassung von Rechtsgrundlagen für Investitionen, bis hin zu einer bedarfsgerechten Finanzierung.
· Ausbau der Verkehrsinfrastruktur:
Eine gute Anbindung an europäische und internationale Märkte sind ein grundlegender Standortfaktor für Investitionsentscheidungen. Es gilt besonders die Verbindungen in die Metropolräume Berlin, Dresden, Leipzig und ins polnische Breslau schnell auszubauen. Auch kombinierte Verkehrsprojekte müssen geplant und priorisiert werden. Entscheidungen wie die Nichtberücksichtigung der Lausitzer Schienenverkehrsprojekte im Bundesverkehrswegeplan müssen überprüft werden.
· Ausbau der digitalen Infrastruktur:
Wirtschaftliche Potenziale können im Zeitalter der Digitalisierung nur mit dem flächendeckenden Ausbau von Breitbandnetz erschlossen werden. Die Kammern fordern eine flächendeckende gigabitfähige Infrastruktur bis zum Ende des Jahres 2025. Auch der Vorstoß zu einer 5G-Modellregion der Lausitz wird unterstützt.
· Länderübergreifende Steuerungsstruktur:
Es wird eine länderübergreifende Organisation mit Beteiligung des Bundes und Unterstützung der Bundesländer Brandenburg und Sachsen sowie der regionalen Entscheidungsträger benötigt, die zügig arbeits- und steuerungsfähig ist. Sie muss die Lausitz als einen länderübergreifenden Wirtschaftsraum begreifen, die Schwerpunkte setzen, für klare Verantwortlichkeiten sorgen, eine Kontrollinstanz darstellen und Aufgaben an regionale Institutionen übertragen.
· intensive, professionelle Investorenwerbung
· Ansiedlung von Begleitforschung- und Wissenschaft
· Lernen aus anderen Regionen, die ähnliche Strukturwandelprozesse bewältigt haben.
· Stärkung und Ausbau von Clustern, z. B. Energie in Cottbus und Spremberg, Logistik und Chemie in Schwarzheide, Maschinenbau in Görlitz.
pm/red