Wer in Deutschland kennt die Niederlausitz? Eine Region irgendwo ganz im Osten der Republik. Eine Region, die im Wetterbericht vorkommt und oft verdeckt der Sprecher oder die Sprecherin die Niederlausitz. Ja, und dann gibt es noch Berichte über die Bundesliga; FC Energie Cottbus heißt der Verein da ganz im Osten.
Cottbus, ein passendes Stichwort. Cottbus ist eine Stadt reich an Kultur. Eine heimliche Kulturhauptstadt im Osten der Bundesrepublik. Allein am morgigen Dienstag lädt der Veranstaltungskalender der Stadt Cottbus neunundfünfzig Mal ein. Von „Cosi fan tutte“ im Staatstheater über „Holger, Hanne und der ganze kranke Rest“ im Piccolo Theater bis zu Lesungen, Ausstellungen, Vorträgen, Märkten und Filmen in den Kinos. Nächste Woche startet das 21. FilmFestival. Eine Woche lang Filme der Region und der osteuropäischen Nachbarn. Nicht nur in Cannes oder Berlin gibt es erfolgreiche Filmfestivals.
Jeden Tag gibt es etwas zu erleben. Besucher wundern sich vielleicht über die zweisprachigen Straßenschilder und Wegweiser zu den Nachbarstädten. Die sorbischen/wendischen Wurzeln der Region sind deutlich sichtbar.
Doch nicht nur in Cottbus hat Kultur einen hohen Stellenwert. Fahren wir nach Süden und besuchen wir Senftenberg. Am 21.Oktober feierte die „Neue Bühne Senftenberg“ ihr 65-jähriges Jubiläum. Zuerst war es das „Stadttheater Senftenberg“ und dann bis 1990 das „Theater der Bergarbeiter“. Am Theater Senftenberg haben viele national und zum Teil international renommierte Schauspieler und Regisseure ihr Handwerk gelernt. Unter ihnen so große Namen wie Armin Mueller-Stahl, Annekathrin Bürger, Ulrich Thein und Frank Castorf. 2005 wurde die Neue Bühne Senftenberg von der Zeitschrift „Theater heute“ zum „Theater des Jahres“ gewählt.
Allein über kulturelle Veranstaltungen ließe sich seitenlang schreiben. Aber der Titel heißt ja „Kontraste“. Folgen Sie mir, verehrte Leserin, verehrter Leser nach Osten an die polnische Grenze nach Forst (Lausitz). Eine kleine Kreisstadt mit etwa 21.000 Einwohnern. Aber Forst hat so manche Überraschung zu bieten. Der „Ostdeutsche Rosengarten“, der in zwei Jahren sein hundertjähriges Jubiläum feiert, ist Rosenliebhabern weit über die Region hinaus bekannt. Tausende Rosenstöcke erfreuen die Besucher in der Saison. Die Herrin des Gartens ist die Forster Rosenkönigin.
Auch im Sport hat Forst (Lausitz) einen Namen. Forst ist eine Hochburg des Stehersports. Oft verfolgen weit über 4.000 Besucher die Rennen im Rad- und Reitstadion mit Begeisterung. Also ist wohl mehr als jeder fünfte Forster ein Anhänger dieses Sportes.
Verlassen wir Forst und erkunden ein wenig die Natur. Teiche, früher oder heute noch zur Karpfenzucht genutzt, zeigen sich als ganz viele blaue Flecken auf der Landkarte. Nicht wenige davon sind als Landschafts- oder Naturschutzgebiete ausgewiesen. Ein Paradies für Wanderer und Beobachter der Natur. Gleichzeitig sind diese Flächen und Teiche Refugien für viele bedrohte Arten. Libellen, Reiher, Seeadler, Wildgänse, Kormorane, Eisvögel und noch viele andere Tiere gibt es hier zu beobachten. Haben Sie schon einmal erlebt wenn 50 Schwäne gleichzeitig starten?
Wessen Sinn mehr nach Wald steht, kann stundenlange Wanderungen durch märkischen Kiefernwald unternehmen oder die gleiche Strecke auf dem Rücken eines Pferdes zurücklegen. Reiterhöfe gibt es in vielen Städten und Dörfern der Niederlausitz.
Folgen Sie mir nun in Richtung Norden. Nach dem flachen Süden der Niederlausitz wird es jetzt hügelig. Zuvor noch ein Stopp in Guben/Gubin, der Doppelstadt an der Lausitzer Neiße. Es lohnt sich, einen Rundgang über die Brücke zur Theaterinsel, durch Gubin und zurück nach Guben zu machen. Das der Rundgang durch Polen und Deutschland führt, ist seit Wegfall der Grenzkontrollen einfach ganz normal.
Von hier aus können sich Wassersportler ein Paddel- oder Schlauchboot mieten und den Weg zur Mündung in die Oder auf der Lausitzer Neiße zurücklegen. Die Boote und die Insassen werden vom Rückholdienst des Verleihers wieder nach Guben gebracht. Radelnde Besucher nehmen den Radweg entlang der Neiße. Vielleicht sind sie ja schon von Tschechien aus den Oder-Neiße Radweg bis nach Guben geradelt und haben die Ostsee als Ziel.
Nun geht es in den Westen der Niederlausitz, in den Spreewald. Ein Wort, das in ganz Deutschland bekannt ist. Fließe, historische Dörfer, sorbisch/wendische Geschichte überall. Und bekannte kulinarische Spezialitäten. Gurken, Rettich, Senf.
Auch hier sollten Sie Zeit mitbringen. Zeit für eine gemächliche Fahrt mit dem Boot auf den Fließen, Zeit für einen Besuch der Slawenburg in Raddusch und etwas Niederlausitzer Geschichte erleben, Zeit für Besuche der vielen Schlösser und Museen
Natürlich habe ich nun ganz viele sehenswerte Orte in der Niederlausitz nicht erwähnt. Viele sehenswerte Orte in den Landkreisen Elbe-Elster, Dahme-Spreewald, Oder-Spree, Spree-Neiße und Oberspreewald-Lausitz. Man möge mir verzeihen, es würde den Rahmen eines Kommentars sprengen.
Nicht vergessen möchte ich aber das Unheil zu erwähnen, dass wir, angeblich die Krönung der Schöpfung, der Natur angetan haben und noch immer tun. Überall in der Niederlausitz ist das sichtbar. Ein Blick auf die Landkarte genügt. Da sind dann riesige helle Flecken und es steht dort z.B. „ehem. Wolkenberg, Weißagk, Straußdorf, Tranitz, Horno ….“. Spuren der Gier nach dem braunen Gold der Lausitz, der Braunkohle. Die riesigen Maschinen haben sich hier durch die Landschaft gefressen und Ödnis hinterlassen. Die Menschen in den Dörfern mußten gehen, ihre Heimat verlassen. Vertriebene. Platz machen für die Gier nach Energie und Profit. Über 100 Dörfer mußten weichen und weitere 1.500 Bewohner aus vier Dörfern leben derzeit in der Niederlausitz in der Ungewissheit um die Existenz ihrer Heimat.
Ganz besonders waren Dörfer mit sorbischer Bevölkerung betroffen. Die Sorben/Wenden gehören zur Lausitz und sind ein wichtiger Teil der Identität der Region.
Renaturierung heißt das Zauberwort, das die umgekrempelte und ausgeräumte Natur wieder herrichten soll. Aber wir Menschen haben doch nicht alles so perfekt im Griff. Die Natur ist geduldig und rächt sich irgendwann. Nach Jahrzehnten mit einer Absackung auf so sicher gedachtem Gelände, einem Erdrutsch, der die neu erbauten Häuser gleich mit in den neuen See nimmt. Risse in den Häusern, wenn das für den Tagebau abgesenkte Grundwasser wieder steigt. Neue Seen und Teiche, die einen ph-Wert von Essig haben.
Wie lange dauert es bis die Natur die Gier der Menschen verzeiht? 40 Jahre oder 50 Jahre oder noch länger? Verzeiht die Natur jemals?
Ein Gedicht über die Gefühle der Menschen, die weichen mussten und in Zukunft weichen sollen
Heimat …..
Eines Tages steht etwas in der Zeitung
Hoffen, Kämpfen, Bangen, Warten
Viele Jahre
Ohnmächtige Jahre
Für tausend oder mehr Menschen
Die riesigen Maschinen fressen, verdauen und scheiden aus
Ödes Land
Es gibt sie nicht mehr
Die Heimat für tausend oder mehr Menschen
Verfasser: unbekannt
„Kontraste“ habe ich meinen Kommentar genannt. Ja, die Niederlausitz ist voller Kontraste. Städte, Kultur, Geschichte, Sport, Erleben, Natur … und die Überheblichkeit des Menschen gegenüber der Natur.
Besuchen Sie doch einfach einmal die Niederlausitz. Bringen Sie aber bitte Zeit mit. Die Niederlausitz in 7 Tagen … das reicht nicht um all die Kontraste zu sehen und zu erleben.
Und wenn Sie wieder nach Hause fahren, nehmen Sie vielleicht neben wunderbaren Eindrücken auch ein paar nachdenklich machende Gedanken mit.
Foto 1: Festung und Schloß Senftenberg – Der Eingang
Foto 2: Romy I. – Die 23. Rosenkönigin der Stadt Forst (Lausitz), Herrin des Rosengartens
Foto 3: Impression des Tagebaus Jänschwalde
Aktuelle Sturmwarnung für Südbrandenburg. Bis 100 km/h möglich
Nach Sonntag mit hochsommerlichen Temperaturen und örtlichen Unwettern mit Gewittern, dominieren nun deutliche Abkühlung und Sturmwarnungen. Für heute (23. Juni, 17–21 Uhr)...