Der 23. Cottbuser Bücherfrühling prägte wieder einmal das Besondere für begeisterte Lesefreunde. Nach dem Motto: ,,In der Ruhe liegt die Kraft‘‘ sprach die Nobelpreisträgerin Herta Müller am sonnigen Sonntagnachmittag, den 26. April 2015 über die breiten Flügel der Literatur und ihr Leben in der strengen Diktatur im gemütlichen Saal des Cottbuser Stadthauses. Zahlreiche Besucher eilten neugierig durch die Gänge. Das Interesse war beeindruckend groß.
Wenige Minuten später begannen die bekannte Autorin Herta Müller gemeinsam mit Ernest Wichner, Schriftsteller und Leiter des Literaturhauses aus Berlin. In einem ruhig besonnenen Dialog öffnete sich das traurige Tor ihrer rumänischen Vergangenheit. Kompromisslos und uneinsichtig drehte sich das Rad der Repressionen, der druckvollen Verhöre, der gnadenlosen Verhaftungen und der alltäglichen Gewaltbereitschaft. Selbst der Beruf als Lehrerin wurde ihr strikt untersagt, weil sie an ihrem Individualismus festhielt und der gleichmacherischen Diktatur missbilligend den Rücken kehrte. Langjährige Diskriminierungen, Schikanen und erstickende Verachtung füllte das Volumen.
Ein Entkommen war undenkbar – bis ihr die Idee des Schreibens in den Sinn kam und ihr eine kleine Befreiung ermöglichte. Sie lass und erzählte passagenweise aus verschiedenen Romanen, die sie einst geschrieben hatte. Zum einen ließ Herta Müller das gedankliche Zeitfenster Revue passieren, wo sie als einfache Angestellte in einer Fabrik tätig war und stets das menschliche Leiden mit ansehen musste. Eiskalter Schauer saß ihr lauthals im Nacken, der Alltagstrott blieb farblos, der Schatten des Elends wich von den Arbeitern nicht fern und die politischen Ereignisse ließen die Menschheit wie Ruinen zerfallen. All das und vieles mehr widerte sie damals an, was auch in der heutigen Zeit nachzuvollziehen ist. Des Weiteren beschrieb sie in ihrem aktuellen Roman ,,Mein Vaterland war ein Apfelkern‘‘ das schwindelige Gefühl des Fremdseins und der Trauer sowie die kühle Einsamkeit der Kindertage – eine erdrückende Last, die das Dorfleben zu tragen hatte. Der Bann im Publikum brach als Herta Müller einen Textausschnitt aus ihrem Roman ,,Atemschaukel‘‘ mit gefühlvoller Stimme wiedergab. Darin schilderte sie den Aufenthalt ihres Freundes Oskar Pastior in einem sowjetischen Arbeitslager. Bevor sich der Abend dem Ende zu neigte, präsentierte sie noch einige ihrer angefertigten Collagen und Gedichte, die sie aus Wortschnipseln zusammensetzte. Es war für sie unglaublich spannend, welchen Reflex die Wörter bei zufälligem Aufeinandertreffen in ihr und uns bewirken. Den Zuschauern gefielen ihre künstlerischen Arbeiten sehr und so manchen konnte man die inspirierende Verzauberung in den Augen abzulesen. Dieser Moment erfüllte sie mit Freude. Langanhaltend und gefühlsbetont schenkte ihr das Cottbuser Publikum kräftigen Applaus und verabschiedete sich mit klangvoller Euphorie.