Am Dienstag traf ich mich mit Ingo Paeschke, einem der drei Kandidaten um das Bürgermeisteramt der Stadt Forst (Lausitz), zu einem Gespräch. Wie in meinem bereits geführten Gespräch mit einem seiner Mitbewerber wollte ich nicht das Wahlprogramm, das jede Bürgerin und jeder Bürger nachlesen kann abarbeiten sondern ganz konkrete und verständliche Beispiele und deren Umsetzung in Erfahrung bringen.
Helmut P. Fleischhauer: Eine Frage vorab … Sie stammen aus Forst?
Ingo Paeschke: Ja, ich bin hier geboren, habe hier mein Abitur gemacht und lebe hier. Forst ist meine Heimat und hier fühle ich mich wohl.
hpf: Sie sind ja Berufssoldat; wurden Sie in Ihrer Dienstzeit nicht oft versetzt und mussten in anderen Orten leben?
Ingo Paeschke: Als Radaringenieur war ich in der Nähe des Flugplatzes Drewitz auf dem Taubendorfer Berg stationiert. Hier habe ich bis zum Ende der DDR als Offizier der NVA gedient. Nach Übernahme in die Bundeswehr erfolgte dann die Versetzung nach Döbern und seit 1995 bin ich in Schönewalde am südwestlichen Rand des Landes Brandenburg tätig. In den neunziger Jahren habe ich durch die Bundeswehr viele Ausbildungsstandorte in den westlichen Bundesländern kennen gelernt und dort insgesamt fast zwei Jahre verbracht.
hpf: Zu Ihrer Vorstellung der Amtsführung, Sie sagen ja „die den Bürgern regelmäßig Rechenschaft ablegt“ .. Was ist damit genau gemeint.
Ingo Paeschke: Ich denke, ein Bürgermeister muss Wert auf einen regen Austausch zwischen seinem Amt, der Stadtverordentenversammlung und der Verwaltung sorgen. Und es geht um die verbreitete Einstellung der Bürgerinnen und Bürger, die ich mit dem Satz „Die da oben machen ja doch was sie wollen“ zusammenfassen möchte.
Viele Entscheidungen der Stadtverwaltung, der Stadtverordnetenversammlung und des Bürgermeisters sind nicht immer sofort verständlich. Es gibt Gesetze und Verordnungen, die bei Entscheidungen berücksichtigt werden müssen. Das muss den Forstern vermittelt werden, damit sie auch die Entscheidungen verstehen und mittragen können. Außerdem soll die Meinung der Bürger auch in die Entscheidungen einfließen.
hpf: Eine kurze Zwischenfrage … damit sind wir ja gleich bei einem Thema, das für heftige Diskussionen der Forster geführt hat .. die Innenstadt um den Marktplatz.
Ingo Paeschke: Das ist tatsächlich ein heißes Thema. DIE LINKE war schon immer gegen das derzeit ausgeführte Konzept und ich möchte nicht, dass der Weg von der Stadtmitte zum nun neu hergerichteten Kegeldamm durch einen ‘Wald’ führt. Das wäre ein Bruch im innerstädtischen Bereich, eine Trennung von Innenstadt und dem östlichen Stadtrand an der Neiße.
hpf: Nun sind bereits viele Häuser abgerissen und weitere werden folgen, da noch immer viele Wohnungen leer stehen … wie wäre es mit einer Bebauung mit kleineren Wohneinheiten mit historischen Fassaden? Geschäfte im Erdgeschoss machten keinen Sinn, dann würde die Berliner Straße veröden ….
Ingo Paeschke: Das ist ein Problem. Bei den in Forst erzielbaren Mieten rechnet es sich für Investoren nur, neue Wohnungen zu bauen wenn sie mit Fördermitteln unterstützt werden. Nur dann sind auch für Forster Verhältnisse bezahlbare Mieten zu gewährleisten. Durch den Abriss sind jedoch die zur Verfügung stehenden Fördermittel verbraucht und es wird sehr schwierig eine neue Förderung zu erhalten. Geschäfte sollten dort nicht entstehen. Wie Sie schon sagen, es würde nur zu einer Verlagerung von der Berliner Straße führen. Das möchte ich auf keinen Fall erreichen. Ich denke da auch an andere Alternativen … Es gibt ja Neubauten von Einfamilienhäusern in Forst. Wenn Bauwillige ein Grundstück preiswert auf diesen Flächen erwerben können, kann ich mir gut vorstellen, dass es Interessenten gibt, die ein Haus nahe des Zentrums bauen möchten.
ZurBerliner Straße bzw. der Cottbuser Straße … Die Räume des ehemaligen Sportgeschäftes stehen leer und die Wohnungen darüber ebenfalls. Was damit tun? Abreißen?
hpf: … dann könnte man ja die ehemalige Strecke der ‘Schwarzen Jule’ von der Leipziger Straße wieder einrichten.
Ingo Paeschke: Ja, so ist es. Es wäre eine Lücke in der Bebauung.
Ich möchte gerne ein ‘Haus der Vereine’ in Forst. Es gibt über 100 Vereine in unserer Stadt die kaum die Möglichkeit haben, sich zu präsentieren obwohl sie Hervorragendes für unsere Gesellschaft leisten. Das ehemalige Geschäft bietet sich als Ausstellungsraum an und die leerstehenden Wohnungen als Räumlichkeiten für die Vereine, für Gemeinschaftsräume und Veranstaltungen. Darüber muss intensiv diskutiert werden um mehr Leben in das Zentrum zu bringen. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit ein Haus der Vereine am Markt zu errichten.
hpf: Ein Sprung von der Innenstadtbebauung zur Energie. Sie möchten bezahlbare Energie für alle Bürger. Wie wollen Sie das erreichen? Die Stadt hat an den Stadtwerken ja nur eine Sperrminorität und damit nur einen begrenzten Einfluss.
Ingo Paeschke: Das ist richtig, die Stadt gehören nur noch 25,1% der Stadtwerke. Mir geht es da um frühzeitige Beratung und auch Vermittlung. Wenn es zu einer Stromsperre kommt, ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen und die Fronten sind verhärtet.
Wenn Menschen mit geringem Einkommen in Probleme geraten, müssen wir mit diesen Menschen ins Gespräch kommen, beraten und auch zwischen ihnen und den Stadtwerken vermitteln. Zur Beratung gehört für mich der sinnvolle Umgang mit Energie, um Kosten zu reduzieren. Bei bestehenden Problemen muss zwischen Verbrauchern und Lieferanten vermittelt werden um eine tragbare Lösung zu finden und in Ausnahmen auch ein Schuldenschnitt ausgehandelt werden. Wir dürfen diese Menschen nicht vergessen und zurück lassen und auch ihnen die Möglichkeit bieten. Das bedeutet aber auch, dass die in Not geratenen Bürgerinnen und Bürger ihren Beitrag dazu leisten und Energiesparmaßnahmen umsetzen. Bei voll aufgedrehter Heizung zu lüften und dann in Ruhe einkaufen zu gehen und dann auf einen Schuldenschnitt zu hoffen, das geht nicht.
hpf: Da wir nun bei Energie sind … Energiewende, Energiemix und Braunkohle.
Ingo Paeschke: Die Energiewende ist ein Ziel, das noch viele ungelöste Probleme hat. Dazu gehört die Speicherung von Strom. Es macht ökonomisch keinen Sinn bei Wind und Sonnenschein Strom im Überfluss zu produzieren, der dann mehr oder weniger ins Ausland verschenkt wird. Die Braunkohle ist nach wie vor ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region und viele Unternehmen sind davon abhängig. Das können wir nicht einfach zu den Akten legen.
Andererseits darf es nicht sein, dass Orte wie Briesnig, die jahrelang unter dem Tagebau gelitten haben, nun gigantische Windräder ‘vor die Tür gestellt’ bekommen sollen. Ich kann gut verstehen wenn sie sagen: „Nun haben wir für die Energieversorgung gelitten, nun sollen wir es wieder für die Energiewende. Wir möchten das nicht mehr.“
hpf: Sie unterstützen den Protest?
Ingo Paeschke: Ja, das unterstütze ich. In Bayern gibt es nun ein Gesetz, das der Abstand von Windrädern zur Wohnbebauung das zehnfache ihrer Höhe betragen muss. Solch ein Gesetz gibt es in Brandenburg nicht. Es wird höchste Zeit, auch in Brandenburg bessere Regelungen zu schaffen.
hpf: Nun sind wir in Briesnig, wechseln wir mal nach Sacro und zum Grenzübergang. Sie möchten ja keinen LKW-Grenzverkehr über den Übergang. Warum?
Ingo Paeschke: Da muss ich etwas zurückgehen und zur Ortsumfahrung kommen, die ich ebenfalls ablehne. Damals habe ich übrigens dafür gestimmt. Die Bevölkerungszahl von Forst hat sich in den über zehn Jahre seit Erstellung des Verkehrswegeplanes verändert. Der LKW-Verkehr durch Forst hält sich in Grenzen. Für diesen Verkehr nun eine Ortsumfahrung in Angriff zu nehmen und dafür einen Teil der Eulo-Jamnoer Teiche zu zerstören macht keinen Sinn. Eine Freigabe des Grenzüberganges für LKW-Verkehr und noch eine Ortsumgehung würde den Verkehr erhöhen und noch dazu die nördlichen und westlichen Ortsteile unnötig belasten. Das möchte ich nicht.
hpf: Sie haben kein Problem damit, Ihre Meinung zu ändern.
Ingo Paeschke: Nein, in diesem Punkt nicht. Die Ausgangslage hat sich geändert, natürlich muss ich dann auch meine Position überdenken. Dazu stehe ich.
hpf: Gesundheitsversorgung, ein wichtiges Thema in Forst … und viele der niedergelassenen Ärzte stehen kurz vor dem Rentenalter.
Ingo Paeschke: In den vergangenen Monaten hat sich ja bereits so manches verbessert. Im Forster Krankenhaus gibt es nun Ärzte verschiedener Fachbereiche in den angegliederten Praxen. Forst hat kaum Potential für Ärzte, die Privatpatienten wünschen, also benötigen sie eine Zulassung als Kassenarzt. Das wiederum entscheidet die Ärztekammer. Da müssen wir im ständigen Gespräch bleiben.
hpf: Was halten Sie von Stipendien für Studenten, die sich verpflichten, nach dem Studium hier zu praktizieren oder eine Praxis z übernehmen?
Ingo Paeschke: Im Einzelfall sehe ich das positiv, halte es aber nicht für eine zukunftsträchtige Lösung. Wenn ein Interessent kommt und sagt: „Ich würde gerne aber mir fehlen die Mittel, würde ich das sofort befürworten.
hpf: Eine Frage zum Abschluss … Ihre oberste Priorität als Bürgermeister in ein, zwei Sätzen?
Ingo Paeschke: Als kommunikativer Mensch möchte ich eine Verbindung zwischen Verwaltung, Stadtverordnetenversammlung – über Parteigrenzen hinweg – und Bürgerinnen und Bürgern schaffen, damit alles für alle transparent ist. Es nutzt nichts, große Ideen umsetzen zu wollen die keiner versteht und deshalb die Bürgerinnen und Bürger nicht mittragen.
hpf: Ich danke Ihnen für das Gespräch und Ihre Offenheit
Überblick über die Forster Bürgermeisterwahlen:
Das Gespräch mit Philipp Wesemann, dem jüngsten der drei Bürgermeisterakandidaten