Nachdem am 27.03.2019 ein straffällig gewordener Syrer aus dem Landkreis Oberspreewald-Lausitz in seine Heimat abgeschoben wurde, hat sich eine Debatte um den Vorgang enwickelt. Ivana Domazet vom Brandenburger Flüchtlingsrat kritisierte den Vorgang und fordert eine umgehende öffentliche Klarstellung der Landesregierung, dass es derzeit im Fall von Syrien keine Ausweisungen und Abschiebungen und kein Drängen oder „Motivieren“ zur Ausreise geben kann. Die Landesregierung sprach von einer “freiwilligen geförderten Rückführung”. Sie gab zugleich an, der Mann sei dazu “motiviert worden, freiwillig auszureisen”.
OSL-Landrat Siegurd Heinze bezieht in der Debatte nun Stellung:
„Selbstverständlich hat der Schutz des Lebens oberste Priorität, daher gilt natürlich auch im Landkreis Oberspreewald-Lausitz der Abschiebestopp nach Syrien nach wie vor. Kein Flüchtling wird hier in ein Bürgerkriegsland abgeschoben. Jedoch haben alle Menschen, die hier leben, ein Recht auf ein Leben in Sicherheit. Es ist unsere Aufgabe, ihren Schutz zu gewährleisten. Insbesondere vor kriminellen Straftätern, welcher Nationalität auch immer. Diese schaden der Gesellschaft und den tatsächlich Schutzbedürftigen, die in unser Land kommen.
An dieser Stelle sollte aber auch stets die Perspektive der Geflüchteten und Asylbewerber nicht außer Acht gelassen werden. Ihren Willen haben wir zu respektieren, so wie auch den Wunsch, zu ihrer Familie oder in die Heimat zurückzukehren. Eine sogenannte ‚Diskursverschiebung nach rechts‘ wird nur durch Äußerungen wie diese von Ivana Domazet selbst vorangetrieben. Solche Äußerungen zeugen von mangelnder Kenntnis der Sachlage und schaden jeglichen Integrationsbemühungen. Aus der Ferne Moral zu predigen, löst die Probleme der Menschen vor Ort in Lübbenau oder Senftenberg nicht. Jedem, der sich in die Gesellschaft integrieren möchte, dem stehen in unserem Landkreis vielfältige Möglichkeiten und jegliche Form der Unterstützung offen.“
Landrat Siegurd Heinze steht weiterhin zu seinen Forderungen an die Landesregierung und den Bund, die gesetzlichen Rahmenbedingungen im Umgang mit Mehrfachstraftätern unter den Asylbewerbern konsequenter zu gestalten und umzusetzen.
Vom Brandenburger Flüchtlingsrat hieß es am 2.4.2019:
Äußerungen des Landkreises Oberspreewald-Lausitz und des Innenministeriums der vergangenen Woche erwecken den Anschein, Menschen könnten nach Syrien abgeschoben werden. Landkreis und Innenministerium müssen die Umstände der Rückkehr eines Syrers nach Damaskus umgehend aufklären. Der Fall hatte über die Grenzen Brandenburgs hinaus für Empörung und Verunsicherung gesorgt. Die zuständigen Behörden müssen klarstellen, dass es unter keinen Umständen Abschiebungen oder ein Drängen zur Ausreise nach Syrien geben kann.
Der Fall eines Syrers, der vergangenen Mittwoch nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie aus dem Landkreis Oberspreewald-Lausitz nach Syrien ausgereist ist, wirft Fragen über die Umstände seiner Ausreise auf. Der Landrat brüstete sich mit der “erfolgreichen” Ausreise des offensichtlich psychisch belasteten Mannes, der mehrmalige Psychiatrieaufenthalte hinter sich hatte. Seine öffentlichen Äußerungen erweckten – offensichtlich gewollt – den Anschein, dass es sich um eine Abschiebung gehandelt habe. Diese werden von der Bundesregierung jedoch nach wie vor kategorisch ausgeschlossen. Die Landesregierung sprach in der Presse von einer “freiwilligen geförderten Rückführung”. Sie gab zugleich an, der Mann sei dazu “motiviert worden, freiwillig auszureisen”. Die gewählten Formulierungen sollen offensichtlich irreführen. Eine “freiwillige” Ausreise ist keine Rückführung, denn die findet unter Anwendung von Zwang statt. Die vom Ministerium gewählte Zusammensetzung der Begriffe kommt im Ausländerrecht so nicht vor. Es liegt in der Verantwortung des Innenministeriums, deutlich zu machen, dass es nach wie vor einen Abschiebestopp nach Syrien ohne Ausnahmen gibt. Diese Pflicht zur Klarstellung hätte unmittelbar nach den ersten Äußerungen des Landrats bestanden.
Mit dieser Desinformationspolitik des Landes und des Landkreises soll offensichtlich ein Diskurs vorangetrieben werden, der zukünftig Ausweisungen von Syrer_innen und Abschiebungen in das Bürgerkriegsland rechtfertigen soll. Erklärtes Ziel des Landrates ist es außerdem, die Bundesregierung zu einer Änderung der Abschiebungspraxis nach Syrien zu drängen.
Es gibt jedoch aus guten Gründen keine Ausnahmen vom Abschiebestopp nach Syrien, wie das Bundesinnenministerium Ende 2018 klar gestellt hat. Eine Rückkehr – ob freiwillig oder unfreiwillig – ist eine Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen. Ein Bericht des Auswärtigen Amtes zeigt, dass Rückkehrern die Gefahr droht, ins Militär eingezogen und zuvor als Deserteure inhaftiert zu werden.
Ob der Betroffene über diese möglichen Folgen aufgeklärt wurde, bleibt unklar. Die Freiwilligkeit seiner Entscheidung wirft auch in anderer Hinsicht Fragen auf. Es handelt sich offenbar um eine Person mit psychischen Erkrankungen, die allem Anschein nach bereits während des Psychiatrieaufenthaltes „motiviert“ wurde, freiwillig auszureisen und dort oder kurz nach der Entlassung eine Freiwilligkeitserklärung unterschrieben hat. Alles deutet darauf hin, dass hier gezielt darauf hingewirkt wurde, sich eines unliebsamen Menschens zu entledigen. Was wurde vom Landkreis konkret unternommen, um den Mann zu unterstützen und ihm zu helfen? Scheinbar wog das Interesse des Landkreises schwerer, ein öffentlichkeitswirksames Exempel zu statuieren, als einen kranken Menschen zu schützen.
“Wir sind schockiert von dieser abermaligen Diskursverschiebung nach rechts, in der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit als störende Hürden beim “Loswerden” eines als “Problem-Syrer”3 bezeichneten Menschen erscheinen. Es kann keine Abschiebungen in Kriegsgebiete geben. Das ist in einem Rechtsstaat kein Gnadenrecht, das bei Missfallen einfach verwehrt werden kann, sondern Ausdruck der Achtung der Menschenrechte und des Grundgesetzes”, sagt Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg. Der Flüchtlingsrat fordert eine umgehende öffentliche Klarstellung der Landesregierung, dass es derzeit im Fall von Syrien keine Ausweisungen und Abschiebungen und kein Drängen oder „Motivieren“ zur Ausreise geben kann. Diese ist dringend erforderlich, da die unklaren Formulierungen des Innenministeriums und des Landkreises bei Betroffenen zu großer Unsicherheit führen können und der Fall bereits bundesweite Ausstrahlung erlangt hat.