Der Brauch des Osterwasserholens, wie er in der gesamten sorbischen Lausitz gepflegt wurde und wie er noch vor einigen Jahrzehnten auch in einigen Spreewalddörfern durchaus noch üblich war, zeigt bei genauerer Betrachtung doch einige Unterschiede: Hier waren es die unverheirateten Mädchen, da auch schon mal die Mütter, die das Wasser holten. In dem einem Dorf wurde die schönste Tracht, die dem würdevollem Anlass entsprach, angezogen, in dem anderen lediglich die bessere Arbeitstracht. Wie jede Tradition unterliegt auch ein solcher Brauch, der Jahrtausende alt ist, den Wandlungen der Zeit.
Die Leiperin Anna Jedro erinnert sich: „Unsere Mutter zog die bessere Tracht an und fuhr genau um Mitternacht mit dem Kahn in den Leiper Graben und holte mit einem emaillierten Eimer Wasser mitten aus der Strömung, an der tiefsten Stelle. Damit wuschen wir Kinder uns am Ostersonntagmorgen.“ Auch im Nachbardorf Lehde fuhr man um Mitternacht mit dem Kahn, schöpfte aber das Wasser aus Fließkreuzungen, „denn nur dort hatte es die nachgesagte heilende Wirkung“, erinnert sich Erich Schier. In Raddusch achtete man darauf, dass das Wasser in Richtung Osten floss, der aufgehenden Sonne entgegen und möglichst aus einer Quelle stammte, von der es am Schwarzen Berg einige gab. Manfred Kliche erinnert sich, dass seine Schwester Irene Bajohr noch bis in die fünfziger Jahre Wasser dort holte. Um nicht von den Radduscher Jungen überrascht zu werden, die an den Quellen lauerten, wurde manchmal kurzfristig der Entnahmeort geändert. In der Nähe des Boblitzer Badesees, in der Knorrauer, sprudelte ebenfalls eine Quelle. Der Weg war zwar weiter, aber „sicherer“. Schließlich musste alles unternommen werden, um nicht „Plapperwasser“ nach Hause zu bringen, denn das Wasser musste schweigend geschöpft und auch schweigend nach Hause getragen werden. Allerdings legte die männliche Jugend alles darauf an, die Mädchen dabei zu überraschen und zu erschrecken. Es gehört sicher nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, wie deren Auftritt im mitternächtlichen Spreewald auf die Frauen wirkte. Das Gejohle und Geschreie dürfte die nachgesagte Heil- und Zauberwirkung des Wassers restlos zerstört haben. Der Sinn des Erschreckens scheint sich letztlich nicht zu erschließen, denn wohl jeder hätte doch eigentlich gern eine schöne gesunde Frau gehabt. Er reiht sich wohl in die anderen Streiche zur Osterzeit ein, wie Haustür oder Hoftor aushängen.
Die einhundert jährige Henriette Lukas aus Burg bestätigt ebenfalls den Brauch des Osterwasserholens: „In der Nacht zum Ostersonntag holte die Mutter aus dem Erlkönigfließ Wasser, welches das ganze Jahr in einem Krug im Keller aufbewahrt wurde. Wenn sich jemand verletzt hatte, wurde die Wunde damit gewaschen.“
Der in diesem Jahr verstorbene ehemalige Burger Günter Gollasch weiß noch, dass seine vier Schwestern sich ebenfalls nachts zum Osterwasserholen in die Nähe der Burger Mühle aufmachten und wie er sie gern mit den anderen Jungens dabei stören wollte: „Wir jungen Leute haben so jedes Jahr einen mörderischen Spaß gehabt.“
Die jetzige Lübbenerin und damalige Straupitzerin Marga Morgenstern hat diesen ‚Spaß’ am eignen Leibe erfahren: „Hätt’ ich das Wasser damals unversehrt nach Hause bringen können, so hätte es mir ewige Jugend und Schönheit gebracht, so aber musste ich doch alt werden“, blickt sie etwas milde lächelnd auf diese Zeit zurück. Mit dem Wasser wurden mancherorts auch das Vieh und die jungen Pflanzensetzlinge bespritzt, manchmal sogar mit kleinen Holunderspritzen heimlich auch andere Menschen, denen man wohl gesonnen war und alles Gute wünschte.
„Allgemein schreibt man dem um Mitternacht unter Schweigen geschöpften Osterwasser, os. jutrowna woda, ns. jatšowna woda, besondere Kraft zu: Es ist heilkräftig, besonders bei Augenleiden, fördert Gesundheit, Schönheit und Fruchtbarkeit und verdirbt nicht. Deshalb schüttet man sich gegenseitig damit an, wäscht sich damit, setzt davon dem ersten Badewasser der Kinder zu, besprengt damit die Krautsetzlinge, tränkt damit die Haustiere, reitet die Pferde in die Schwemme, u.ä. Der Glaube an die Heilkraft der Osterwassers ist nicht auf die Sorben beschränkt, sondern ist bei Deutschen, Tschechen, Polen, Ungarn zu finden.“
Aus: Edmund Schneeweis „Feste und Volksbräuche der Sorben“ (1953)