Die Berliner Trinkwasserversorgung ist derzeit noch nicht akut bedroht durch die Sulfatbelastung der Spree. Die Berliner Wasserbetriebe können einen Wert von max.150 mg/l gewährleisten, erklärte Elke Wittstock Leiterin des Schwerpunktwasserwerks Friedrichshagen am Freitagabend bei einer Fachdiskussion im Köpenicker Ruderclub Ägir. Im Landkreis Oder-Spree sieht die Lage indes dramatischer aus. Dort wird in großem Umfang Uferfiltrat der Spree für die Trinkwassergewinnung genutzt, was zu höherer Sulfatbelastung führt. Zu der Veranstaltung hatten Bündnis 90/ Die Grünen eingeladen, um über die Verunreinigung des Trinkwassers als Folge des Braunkohlebergbaus zu diskutieren. Berliner und Brandenburger Bündnisgrüne fordern ein verstärktes Engagement von Senat und Landesregierung sowie die Absage an neue Braunkohletagebaue.
Durch den jahrelangen Abbau der Braunkohle und den Wiederanstieg des Grundwassers in der Lausitz und Ostbrandenburg gibt es derzeit insbesondere im Südraum des Spreewaldes erhebliche Probleme mit der Verockerung weiter Teile der Spreezuflüsse. Durch Ausspülen von Eisenhydroxid verwandelt sich das Flusswasser in der Lausitz in eine rot-braune Schlammbrühe. Die braune Färbung werde nicht bis Berlin kommen, sagte Wittstock, wohl aber die gleichzeitig mit dem Eisenhydroxid ausgespülten Sulfate. Die Berliner Wasserbetriebe beobachten daher auch permanent die Sulfatwerte. Für Sulfat im Trinkwasser gilt ein Grenzwert von 250 mg/l. Zu hohe Sulftwerte sorgen für „Betonfrass“ an Brücken und befördern das Algenwachstum.
Im Gegensatz zu Eisen könne man Sulfate nicht einfach herausfiltern, erklärte Wittstock den knapp 30 Teilnehmern am Freitagabend. Die Wasserbetriebe bemerken seit Jahren einen schleichenden Anstieg des Sulfatwertes in der Berliner Spree. So werden im Mittel 200 mg/l gemessen, aber auch Werte von 230 mg/l wurden bereits registriert. Die Berliner Wasserbetriebe können die in Zukunft weiter ansteigende Sulfatwerte können durch Mischung von Wasserquellen und Umleitungen begegnen und auch weiterhin eine gute Wasserqualität garantieren, so Wittstock.
Doch Entwarnung kann es nicht geben. In dem südöstlich von Berlin gelegenen Landkreis Oder-Spree sieht die Lage bereits dramatischer aus, berichtet der Frankfurter Stadtverordnete Jörg Gleisenstein. An der Entnahmestelle am Wasserwerk Briesen, dass über 65.000 Einwohner in Frankfurt (Oder) und im Landkreis Oder-Spree mit Trinkwasser versorgt, haben die Werte in der Spree bereits die Grenze von 250 mg/l überschritten. Trinkwasser könne nur noch durch Beimischung von Grundwasser zum Rohwasser aus dem Uferfiltrat für die Bevölkerung und die Wirtschaft bereitgestellt werden. Die Möglichkeit zur Beimischung von Grundwasser ist aber begrenzt. Technische Möglichkeiten zum Herausfiltern der Sulfate gibt es zwar, aber diese sind sehr teuer. So würde beispielsweise ein solches aufwändiges technisches Verfahren den Wasserpreis pro Kubikmeter stark ansteigen lassen, berichtet Gleisenstein. Auf diesen Kosten darf der Frankfurter Wasserversorger nicht sitzen gelassen werden. Hier muss das Verursacherprinzip gelten, fordert der Frankfurter Stadtverordnete. Eine soche großtechnische Maßnahme zur Sulfatentfernung komme für Berlin nicht in Betracht. Aufgrund des viel größeren Versorgungsgebiets der Berliner Wasserversorgung, gebe es derzeit keine Möglichkeit der Reinigung, sagte die Leiterin des Wasserwerkes Friedrichshagen.
„Die geplanten neuen Tagebaue in der Lausitz würden das Problem der Sulfatbelastung weiter verschärfen und widersprechen dadurch dem in der Wasserrahmenrichtlinie der EU festgelegten Verschlechterungsverbot sowie der Verantwortung gegenüber den Trinkwasserkunden in Berlin und Brandenburg“, sagt Daniela Setton, Umwelt- und Energieexpertin des BUND. „Grundsätzlich muss endlich auch geklärt werden, dass die Kosten für die Einhaltung der Sulfatwerte nicht allein den Wasserkunden aufgebürdet werden. Es kann nicht sein, dass sich der Bergbaukonzern Vattenfall als Verursacher hier schadlos hält und Profite aus der Braunkohleverstromung nach Schweden transferiert“, fordert die Brandenburger Landtagsabgeordnete Sabine Niels aus Fürstenwalde.
„Es ist eine Illusion, dass wir nicht durch den Abbau der Braunkohle in der Lausitz betroffen sind. Berlin liegt am Ende der Kette“, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Berliner Abgeordnetenhaus Silke Gebel: „Der Berliner Senat darf sich nicht länger rausreden und sich aus seiner Mitverantwortung stehlen“. Über die gemeinsame Landesplanung mit Brandenburg kann das Land Berlin Einfluss nehmen und neue Tagebau verhindern. Ein entsprechender Antrag liegt dem Abgeordnetenhaus vor und wird wohl nach der Sommerpause in den zuständigen Ausschüssen diskutiert. Gebel will dazu eine Anhörung im Abgeordnetenhaus zu beantragen, um das Wissen über die Sulfatbelastung weiter zu vertiefen. „Ich gehe davon aus, dass die Fraktionen von CDU und SPD dem Vorschlag zustimmen werden. Die Erhaltung der guten Qualität des Berliner Trinkwassers ist für alle Parteien von hoher Relevanz. Und gegen einen Wissenszuwachs hat wohl auch keiner etwa einzuwenden“, so die umweltpolitische Sprecherin.