In den sozialen Medien mit Cottbusbezug ist in den letzten Tagen eine teils wilde Diskussion entbrannt. Auslöser war ein Leserbrief der im “Märkischen Boten” in der aktuellen Ausgabe abgedruckt war. Inhalt ist es der Erlebnisbericht eines Fahrgasts, von der Fahrt in einem Bus von Cottbusverkehr nach Burg (Spreewald) und dem aggressiven Verhalten von Ausländern mit der Bedrohung von Fahrgästen. Die Aufruhr im Netz war teilweise sehr groß, mit entsprechenden Äußerungen. Doch was ist dran? Vom märkischen Boten war in der Ausgabe nichts dazu zu lesen. Eine Nachfrage von Niederlausitz aktuell bei Cottbusverkehr erbrachte, dass es bisher keinerlei Meldungen von Busfahrern zu solchen Vorfällen gab.
Warum dies nicht vom Märkischen Boten nach Einreichung des Leserbriefs durch “Ralf Noack” geschah? Diese Frage stellte sich auch Cottbusverkehr-Pressesprecher Robert Fischer. “Wenn es Meldungen und Berichte über Cottbusverkehr gibt, dann fragen die Medien bei uns nach. So können wir erstens zeitnah unsere Fahrer nochmal fragen und zweitens Fakten benennen.” Zu den Fakten gehört, dass es keinerlei Meldung vom Fahrer der am 14.12.2018 diese Linie fuhr, gab.
Von Cottbusverkehr heißt es konkret: “Cottbusverkehr kann den genannten Vorfall so nicht bestätigen, da seitens des Fahrpersonals keine entsprechende Meldung an die Leitstelle erfolgt ist. Grundsätzlich melden die Fahrerinnen und Fahrer jede Form von Störungen, Bedrohungen und/oder Gewalttaten – also alles was als mögliche Straftat relevant sein könnte direkt an die Leitstelle, die dann gegebenenfalls auch unmittelbar polizeiliche Unterstützung anfordert. Im genannten Fall ist dies nicht passiert. Ob im Nachgang Anzeige bei der Polizei erstattet wurde, wissen wir nicht. Wir werden den Sachverhalt natürlich nach den Feiertagen mit dem Fahrer des Busses besprechen. Cottbusverkehr appelliert an alle Fahrgäste sich bei möglichen Straftaten und Bedrohungen sofort an das Fahrpersonal zu wenden, um schnell die nötigen Maßnahmen einzuleiten.”
Im Leserbrief steht, dass es keine körperliche Gewalt gab, aber einem Mann hinterhergespuckt wurde, der darum gebeten hatte, dass laute Musik ausgeschalten wird und einem Pärchen “Schwuchtel” und “Schlampe” hinterhergerufen wurde. Weiterhin steht wörtlich im Leserbrief, dass die drohenden Fahrgäste “dem Augenschein nach, “Schutzsuchende” seien” (Anm. der Redaktion: Im Leserbrief steht “Suchtzsuchende”, wir vermuten hier einen Abtippfehler) und sie ihre Halsketten um die Hände gelegt hätten, um den mahnenden “Einheimischen” nach seiner Bitte wegen der Musik zu umringen. Er selbst beschreibt sich als Familienvater, der nun verängstigt ist. Belege für den Vorfall bis auf den ungeprüften Leserbrief? Gibt es bisher keine. Wie oft in solchen Fällen, meldet sich niemand bei der Polizei, selbst Cottbusverkehr hat durch den Fahrer keine Meldung in die Leitstelle bekommen.
Bisher steht also eine Behauptung im Raum, die bei Menschen die Migranten und Flüchtlingen skeptisch gegenüber stehen, für helle Aufregung sorgt und bei anderen Bürgern ein latentes Unsicherheitsgefühl zurück lässt, mit der Frage “Kann ich noch mit Cottbusverkehr fahren?” Bei Facebook kommen weitere Dinge hinzu, ein User schreibt: “Das schlimme ist betroffen sind meist Menschen die auf Bus und Bahn angewiesen sind. Offiziell wird ja nichtmehr über die Zustände berichtet, aber einen kleinen Teil bekommen wir auch noch mit.” oder “Cottbus Verkehr oder wer auch immer für die Strecke verantwortlich ist würde in keinstem Fall sowas zugeben. Der Fahrer würde sich ja selbst belasten. Der hat das gemacht was 90% der Cottbuser im Umgang mit “Schützlingen” machen. Auf den Boden schauen, Augen zu und durch. Nur nicht Reagieren sonst ist man selbst dran. Irgendwo auch leider verständlich da sich der Fahrer ja auch in einer Gefahrensituation befand.” Hier werden weitere Behauptungen mit eingefügt, mit dem Ziel, Unsicherheit zu hinterlassen. Im Leserbrief sind ebenfalls weitere Vorurteile und Stereotypen zu lesen.
Wäre der Fall, wenn er denn passiert ist, von dem Leserbriefschreiber, oder einer der vermeintlich bedrohten Fahrgäste gemeldet worden oder hätte der Busfahrer selbst im Nachhinein der Leitstelle Bescheid gesagt, weil er sich während der Fahrt nicht in Gefahr bringen wollte, hätten die Videoaufnahmen im Bus gesichtet und gesichert werden können. Nun sind sie bereits überschrieben und im Kopf der Leser bleibt die Behauptung stehen: “Ausländer bedrohen Einheimische im ÖPNV und keiner tut was”. Dazu kommt die journalistische Sorgfaltspflicht des Märkischen Boten, vermeintliche Geschehnisse und Informationen zu prüfen, was hier nicht geschehen ist. Ein Anruf bei Cottbusverkehr oder/und der Polizei hätte gereicht, um den Fall zeitnah zu bestätigen, Ermittlungen einzuleiten oder als erfunden abzutun. Einfach ungeprüft einen Leserbrief zu veröffentlichen, gehört nicht dazu. Er hinterlässt mehr Fragen als vermeintliche Antworten: Die Herkunft der Bedroher ist nicht klar, der “Augenschein” kann täuschen oder vorurteilsbehaftet sein. Warum hat der Schreiber einen Leserbrief verfasst, anstatt sich an den Busfahrer oder später an die Polizei zu wenden? Es ist hinlänglich bekannt und sichtbar gekennzeichnet, dass die Linien videoüberwacht werden. Es hätte Material gesichert werden und die Polizei hätte der Sache nachgehen können. Warum wurde der Schreiber eigentlich selbst nicht bedroht? Das Pärchen hat laut Schreiber den Bedrohern auch nichts getan und wurde dennoch beschimpft. Warum hat der Märkische Bote nicht bei Cottbusverkehr oder den Sicherheitsbehörden nachgefragt?
Wir bleiben an der Geschichte dran und fragen bei Cottbusverkehr nach den Feiertagen erneut nach.