Was für ein vergnüglicher Abend: Katja Wolffs Inszenierung von Gerd Natschinskis „Messeschlager Gisela“ am Staatstheater Cottbus gelingt das Kunststück, die musikalische Leichtigkeit des Originals mit zeitgemäßer Frische zu verbinden und das Publikum mitten ins Geschehen zu holen. Schon beim Auftakt merkt man: hier passiert etwas, das mitreißt. Der Funke springt nicht nur auf die Bühne, er springt zurück ins Parkett und auf die Ränge. Mitsingende, kommentierende Zuschauer werden Teil der Stimmung, wodurch die Aufführung an jedem Punkt lebendig und unmittelbar bleibt.
Die Regie setzt auf Tempo und Präzision; Längen gibt es keine. Die Dialoge und Szenen sitzen, das Timing der komischen Einlagen ist scharf, und die Choreografien (bewegungsreich, mit Verweisen auf die großen Fernsehshows der 60er/70er) halten das Tempo hoch. Es gibt schlichtweg keinen Hänger, nichts wird langweilig, die Spannung bleibt bis zum Schluss erhalten. Dadurch wirkt das Werk weniger als nostalgische Rückschau denn als vitales, unterhaltsames Stück über Ambition, Eifersucht und Modewirtschaft.
Bühne und Kostüme sind ein Fest fürs Auge. Cary Gaylers Raumlösung mit ihren abstrakten, stofflich wirkenden Flächen transportiert die Epoche, ohne in Kitsch zu verfallen. Die Bühne sieht „stoffig gestaltet“ aus und das passt. Die textile Welt der Mode bleibt so immer präsent. Saskia Wun¬sches Kostüme sind herausragend durchdacht und bis ins Detail liebevoll ausgestaltet; erwähnenswert ist die Sorgfalt selbst in Kleinigkeiten, von den Schnitten bis zu den Taschen der Flugbegleiterinnen. Ein kleiner Vorbehalt: das dominante Hellblau, das die Stewardessen tragen, empfand ich persönlich als unglücklich gewählt.
Musikalisch ist der Abend schlichtweg ein Triumph. Das Philharmonische Orchester unter Johannes Zurl spielt mit satter Spielfreude; Rhythmus, Jazz-Anklänge, sogar Blues werden mit Eleganz und Drive präsentiert. Für mich eine Fulminant 10 von 10. Die Arrangements sind behutsam modernisiert, ohne die Charakteristik der Schlager- und Revuewelt zu zerstören. Natschinskis Melodien erweisen sich erneut als eingängige Schlager vom Feinsten. Nummern wie das große Titellied und besonders das evergreen-würdige „Rote Rosen“ bleiben sofort haften. Chor und Ensemble (Chorleitung: Christian Möbius) zeigen große, positive Bühnenpräsenz und vokale Sicherheit. Der Chor trägt viel zur ironischen, kabarettistischen Färbung des Abends bei.
Schauspielerisch und stimmlich ist die Besetzung ein Glücksfall. Anne Martha Schuitemaker als Gisela liefert eine beeindruckende Mischung aus lyrischer Stimmführung und überraschender Bühnenpräsenz; ihre Stimme kann zart und ausgreifend, kann aber auch kraftvoll setzen. Das macht die Figur glaubhaft und sympathisch. Hardy Brachmann als Fred Funke bringt den charmant-rasanten Reporter mit der nötigen Schlitzohrigkeit und Herzenswärme; ihr Zusammenspiel hat Funkenflug. Aus dem Ensemble stechen mehrere Akteure hervor: Nils Stäfe als Heinz überzeugt mit tragfähigem Bariton, Julia Klotz gibt der Marghueritta eine karikaturhafte, aber liebenswert überdrehte Note, und die kleinen bis mittleren Rollen sind so liebevoll gezeichnet, dass sie in jedem Moment als Individuen leuchten. Einen besonderen Applaus verdient und bekommt die Figur Plinsen Paule. In ihrer sächsischen Färbung wirkt sie autentisch, komisch und warmherzig zugleich und trägt zur regionalen Würze der Aufführung bei.
Regie und Dramaturgie haben Ranischs Bearbeitung und Natschinskis Vorlage geschickt ausbalanciert: Der bissige, fast kabarettistische Ton bleibt erhalten, zugleich wird die Geschichte so erzählt, dass sie heutiges Publikum anspricht. Die politischen Spitzen der Originalzeit werden nicht versteckt, aber auch nicht nostalgisch verklärt. Wolff verzichtet auf rührselige Ostromantik und zeigt lieber Lebenswirklichkeiten und Figuren, die sich in ihrer Zeit behaupten. Die satirischen Spitzen gegen Apparate und patriarchale Strukturen sitzen. Der Text bietet freche Sätze, die heute noch beißen und den Saal zum fast kollektiven Laden bringt.
Kritisch angemerkt sei, dass die eine oder andere modernisierte Geste (manchmal ein zu expliziter Gegenwartsbezug) den Fluss leicht akzentuiert, aber das trübt das Vergnügen nur marginal. Insgesamt ist das Zusammenspiel aus Regie, Bühne, Musik und Ensemble so stimmig, dass man das Stück sowohl als Operette wie als Musical empfehlen muß!
Katja Wolff und ihr Team haben mit „Messeschlager Gisela“ in Cottbus eine spritzige, musikalisch brillante und visuell hinreißende Produktion geschaffen. Ein Abend voller Hits, großer Ensemblemomente, witziger Satire und echter Bühnenfreude. Wer sich für musikalisches Unterhaltungstheater interessiert oder einfach einen beschwingten, herzhaften Theaterabend erleben will, sollte sich diese Produktion nicht entgehen lassen. Einen richtig großen und hellen Scheinwerfer auf das Staatstheater Cottbus und diese erstklassige Produktion!
sok
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