Je nach Thema dominieren teils rechtsextreme, menschenverachtene und hetzerische Kommentare unter Posts in den sozialen Netzwerken und erzeugen ein Gefühl der Meinungsmehrheit. Auch wir sind bei unterschiedlichen Themen auf unseren sozialen Kanälen Niederlausitz aktuell und Cottbus aktuell sowie auf unserem Youtubekanal immer wieder davon betroffen und moderieren die Kanäle. Das Institute for Strategic Dialogue (ISD) hat zusammen mit der Kampagne #ichbinhier eine Analyse erstellt, bei der Posts und Kommentare ausgewertet und auf die Urheber zurückverfolgt wurden. Die Erkenntnis: Wenige Accounts organisieren den Hass.
“Die Auswertung von 700 Posts, 16.830 Kommentaren und 1,2 Millionen Likes zeigt, dass 5.500 Accounts (5% aller bei Hateful Speech aktiven Accounts im Januar) für 50% der Likes bei Hass in den Kommentarspalten verantwortlich sind. Etwa 1% der Accounts ist für 25% der Likes verantwortlich.” Dabei nimmt der “koordinierte Hass” von wiederum koordinierten rechtsextremen Accounts zu. “Der Diskurs in vielen Kommentarspalten auf Facebook ist kein Abbild der Gesellschaft, sondern wird von Sympathisanten extremistischer und verfassungsfeindlicher Organisationen bestimmt. Es handelt sich in vielen Fällen um gezielte Versuche, Politiker, Journalisten und Aktivisten unter Druck zu setzen und einzuschüchtern.” heißt es in der Zusammenfassung der Analyse.
Weitere Schlüsselerkenntnisse:
Zunahme von koordiniertem Hass:
Die Analyse von über 1,6 Millionen rechtsextremen Posts in sozialen Medien (Twitter und öffentliche Facebook-Seiten) im Zeitraum Februar 2017 – Februar 2018 zeigt, dass explizit rassistische, antimuslimische und antisemitische Posts seit dem Inkrafttreten des NetzDG im Oktober 2017 zwar abgenommen haben, aber koordinierte rechtsextreme Online-Hasskampagnen seit Dezember im Schnitt mehr als dreimal so weit verbreitet sind (ca. 300.000 Posts / Monat) wie in den zehn vorangegangen Monaten (ca. 90.000 Posts / Monat)
Einflussreiche Kampagnen:
In den letzten Monaten identifizierten wir drei große Hasskampagnen, die von Rechtsextremen initiiert und koordiniert wurden: #Kikagate, #Kandelistueberall und #120dB. Die pro-AfD-Wahlkampagne mit den Hashtags #AfD, #TraudichDeutschland und #Merkelmussweg im August-September 2017 war die längste und einflussreichste Kampagne der rechtsextremen Troll-accounts.
Koordinierung in rechtsextremen Chats:
Diese Kampagnen werden von Reconquista Germanica und verwandten rechtsextremen Online-Netzwerken aus identitären Kreisen in den sozialen Medien zu koordinierten Uhrzeiten und Hashtags verbreitet, was dazu führt, dass sie teilweise wochenlang in den Top-Trends liegen und den Online-Diskurs bestimmen.
Mainstreaming durch Politik und Medien:
Die Hashtags werden außerdem von AfD-Accounts und von russischen Medien wie RT und Sputnik aufgegriffen und geraten so in den medialen Mainstream, der in diesem Zusammenhang mit dem Begriff der „Massenmedien“ gleichgesetzt wird. RT und Sputnik waren unter den ersten Medien, die von den Kampagnen berichteten. Auch Mainstream-Medien griffen die Themen der Identitären, aber nicht deren Kampagnen auf.
Hintergrund:
Das Institute for Strategic Dialogue (ISD) ist ein unabhängiger „Think and Do Tank“, der mit Führungspersönlichkeiten in Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammenarbeitet, um länderübergreifende Antworten auf die geostrategischen, sozialen und sicherheitsrelevanten Herausforderungen unserer Zeit zu finden. Das Ziel des ISD ist es, Extremismus weltweit zu bekämpfen und interkommunale Gräben zu überbrücken.
Die Facebook-Aktionsgruppe #ichbinhier wurde im Dezember 2016 von Hannes Ley nach dem schwedischen Vorbild #jagärhär ins Leben gerufen. Ziel der Gruppe ist es, sich gegen die in den Kommentarspalten der sozialen Medien immer mehr um sich greifende Feindseligkeit und für eine bessere Diskussionskultur einzusetzen. Dies tun die Gruppenmitglieder, indem sie sich zu gemeinsamer Counter Speech (Gegenrede) auf den Facebook-Seiten der großen deutschen Medien verabreden. Ende Juli 2017 wurde der ichbinhier e.V. gegründet, der sich neben der Unterstützung der Aktionsgruppe Bildungsprojekten und der Medienarbeit widmet.