Oberzentren werden durch Reform gestärkt
Mittenwalde. Die SPD-Faktion im Landtag Brandenburg hat auf ihrer Klausurtagung am 17. und 18. September weitere Beschlüsse zur geplanten Verwaltungsstrukturreform gefasst. Die bisherige Diskussion über den Leitbild-Entwurf der Landesregierung hat gezeigt, dass es neben manchen Bedenken auch große Unterstützung im Land für das Reformvorhaben gibt. Die SPD-Fraktion begrüßt, dass bei den Bürgerdialogen in allen Regionen die Brandenburgerinnen und Brandenburger die Möglichkeit haben, sich mit den Plänen auseinanderzusetzen und ihre Vorstellungen einzubringen. In der weiteren Debatte geht es aus Sicht der SPD-Abgeordneten auch darum, die bislang kreisfreien Städte als Oberzentren für ihre Regionen zu stärken.
Dazu schlägt die SPD-Fraktion geeignete konkrete Maßnahmen vor:
- die Entlastung der Städte von Kreisaufgaben und damit verbundenen Kosten durch ihre Eingliederung in größere Landkreise und eine solidarische Teilung der Soziallasten;
- die finanzielle Unterstützung des Landes bei der Umstellung der Verwaltung;
- eine Teilentschuldung in Höhe von 50 Prozent der Kassenkredite mit einem Gesamtumfang von etwa 400 Millionen Euro für alle betroffenen Kommunen, je zur Hälfte aus Landesmitteln und Mitteln des Finanzausgleichsgesetzes;
- die Absicherung landesweit bedeutsamer Kultureinrichtungen durch eine breitere Finanzierungsbasis unter hälftiger Beteiligung des Landes und gleichzeitiger Entlastung der Kommunen.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Ness erklärt dazu:
„Die Reform der Verwaltungsstrukturen ist richtig und notwendig, um unser Land angesichts des demografischen Wandels zukunftssicher zu machen. Es gilt, den Menschen in allen Teilen Brandenburgs gleichwertige, attraktive Lebensverhältnisse zu erhalten. Die SPD-Fraktion ist sich einig über dieses Ziel und das weitere Vorgehen, um es zu erreichen. Die Städte sollen auch nach ihrer Eingliederung in größere Landkreise wichtige Funktionen für ihre Regionen wahrnehmen können. Das gilt für Wirtschaft und Verkehr ebenso wie für das Kulturleben. Deshalb wird das Land die Oberzentren nachhaltig unterstützen und unter anderem helfen, Kultureinrichtungen auch und gerade im berlinfernen Raum dauerhaft abzusichern. Das liegt im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, denn regionale Identität und Zusammenhalt sind eine wesentliche Grundlage für ein starkes und selbstbewusstes Brandenburg.“
Beschluss der SPD-Fraktion
Oberzentren stärken
Brandenburg an der Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder) zu Hauptstädten ihrer Regionen weiterentwickeln
Die Städte Brandenburg a. d. H., Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam sind wichtige Anker im Land Brandenburg. Sie erfüllen zahlreiche Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge für ihre Einwohner. Darüber hinaus sind sie als Oberzentren auch wirtschaftliche und kulturelle Leuchttürme in ihren Regionen. Dazu zählen Angebote im Bereich der Wirtschaft, des Einzelhandels, der Kultur und Freizeit, der Verwaltung, der Bildung, Wissenschaft, Gesundheitsversorgung sowie des Verkehrs.
In den Städten Brandenburg a. d. H., Cottbus und Frankfurt (Oder) herrscht eine Sondersituation. Bedingt durch einen tiefgreifenden wirtschaftlichen Strukturwandel und eine nachhaltend ungünstige demografische Entwicklung befinden sich diese Städte schon seit Jahren in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Trotz intensiver Begleitung ihrer Haushaltswirtschaft durch das Land und finanzieller Nothilfen aus dem kommunalen Ausgleichsfonds weisen die drei Städte zusammen einen Schuldenstand an Kassenkrediten von 526 Mio. Euro auf und haben somit 67,6 Prozent aller kommunalen Schulden in Brandenburg. Diese Entwicklung ist maßgeblich auch darauf zurückzuführen, dass diese Städte neben ihren originären gemeindlichen Aufgaben und für ihr Umland bedeutsame Aufgaben als Oberzentren eben auch sämtliche pflichtigen Kreisaufgaben erfüllen müssen. Nicht zuletzt die hohen Soziallasten haben zu einer Überforderung Ihrer Haushalte geführt. Unter diesen Umständen ist auch eine Übertragung von weiteren Aufgaben der Landesverwaltung im Rahmen der Funktionalreform auf diese Städte nicht realistisch.
Da diese kreisfreien Städte bis zum Jahr 2030 Einwohner und damit auch Einnahmen verlieren werden, können sie in Zukunft auch ihre heutigen Aufgaben nicht mehr wirtschaftlich erbringen. Im gleichen Zeitraum rechnet auch das Land Brandenburg mit Bevölkerungs- und deutlichen Einnahmeverlusten. Sollte das Land Brandenburg dennoch versuchen, diese Defizite in den drei Städten auszugleichen, blieben weniger Mittel für Schulen, Kitas sowie für Polizei und Justiz im gesamten Land. Auch eine weitere Umschichtung der kommunalen Finanzmasse zu Lasten des kreisangehörigen Bereichs und der Flächenlandkreise ist nur noch begrenzt denkbar.
In der Konsequenz heißt das: Brandenburg a. d. H., Cottbus und Frankfurt (Oder) werden entweder Umfang und Qualität ihrer Leistungen für ihre Bürgerschaft spürbar reduzieren oder sich noch weiter verschulden müssen. In jedem Fall verlieren sie somit die Möglichkeit, die Lebensverhältnisse ihrer Bürgerinnen und Bürger zu verbessern und zu gestalten. Insbesondere könnten sie ihre Rolle als Oberzentren nur noch unzureichend wahrnehmen, was auch ihr Umland schwächen würde.
Um diese Entwicklung zu verhindern, müssen wir heute handeln. Deshalb wollen wir die drei Oberzentren stärken und sie zu Hauptstädten ihrer Regionen weiterentwickeln.
Dazu schlagen wir vor:
1. Die Städte Brandenburg a. d. H., Cottbus und Frankfurt (Oder) sollen von Aufgaben eines Landkreises entlastet werden. Dazu sollen sie in neue leistungsfähige Landkreise eingegliedert werden. Wie auch Erfahrungen beispielsweise aus Sachsen zeigen, reduzieren sich so dauerhaft die Ausgaben der Städte. Denn größere Landkreise haben das Potential, kosteneffizienter zu arbeiten als die kreisfreien Städte. Dadurch und durch die solidarische Verteilung der Soziallasten werden die Kosten für die neue Kreisumlage für die ehemals kreisfreien Städte unterhalb der Aufwendungen für die zuvor selbsterbrachten kreislichen Leistungen liegen.
2. Im Zuge der Verwaltungsstrukturreform entstehen auch vorübergehende Kosten. Dies betrifft u.a. Umstellungen in der Verwaltung, Übernahme von neuen Aufgaben und Personal sowie Anpassungen innerhalb der neuen Landkreise. Dafür werden wir Mittel aus dem Landeshaushalt zur Verfügung stellen.
3. Um Brandenburg a. d. H., Cottbus und Frankfurt (Oder) einen erfolgreichen Start als Hauptstädte ihrer Region zu ermöglichen, soll ein Teil ihrer Schulden solidarisch übernommen werden. Dazu wird eine Entschuldung in Höhe von 50 Prozent ihrer Kassenkredite erfolgen. Für die Teilentschuldung aller von der Reform betroffenen Kommunen sollen etwa 400 Mio. Euro zur Verfügung gestellt werden. Diese Summe setzt sich zu 50 Prozent aus Landesmitteln und zu 50 Prozent aus den Mitteln des Finanzausgleichgesetzes zusammen. Im Gegenzug verpflichten sich alle Kommunen, die von einer Teilentschuldung profitieren, eigene Bemühungen zur Konsolidierung nachzuweisen.
4. Die landesweit bedeutsamen Kultureinrichtungen der Städte Brandenburg a. d. H., Cottbus und Frankfurt (Oder) sollen strukturell und organisatorisch abgesichert werden. Dazu soll insbesondere die Finanzierung auf eine breitere Basis gestellt werden. Wir halten eine finanzielle Entlastung dieser Städte unter Einbeziehung auch der anderen regional bedeutsamen Theaterstandorte Schwedt und Senftenberg durch die Umstrukturierung der Förderung im Bereich der Theater und Orchester mit einer hälftigen Finanzierung durch das Land für zielführend.
5. Mit der durch diese Maßnahmen gesparten Kraft sollen sich Brandenburg a. d. H., Cottbus und Frankfurt (Oder) verstärkt um ihre Aufgaben als Gemeinden und vor allem als Oberzentren kümmern. Sie werden dadurch verstärkt ihre Hauptstadtfunktion im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich für ihre Region wahrnehmen. Sie bleiben die wichtigsten Wirtschafts- und Verkehrsstandorte des Landes und versorgen ihre Region mit Gütern und Dienstleistungen des höheren spezialisierten Bedarfes. Dadurch leisten sie einen entscheidenden Beitrag, um gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land zu erhalten, und strahlen in ihre Region aus.
6. Ungeachtet der Eingliederung sollen Brandenburg a. d. H., Cottbus und Frankfurt (Oder) auch in Zukunft einzelne kreisliche Aufgaben wahrnehmen, die bürgernah erbracht werden sollen und prägend für das urbane Leben sind
Quelle: SPD-Landtagsfraktion Brandenburg