CBD galt noch vor wenigen Jahren als Hoffnungsträger der Naturheilkunde und Lifestyle-Branche zugleich. Kaum ein Wirkstoff wurde so schnell salonfähig wie das nicht-psychoaktive Cannabidiol aus der Hanfpflanze. Von Ölen über Kaugummis bis zu Badezusätzen: Der Markt für CBD-Produkte explodierte – doch wer heute mit einem gezielten Griff zum CBD-Öl in eine deutsche Drogerie geht, wird oft enttäuscht. Die Auswahl ist klein, die Präsentation zurückhaltend, teilweise sogar versteckt. Und das, obwohl der Hype längst beim Verbraucher angekommen ist. Was steckt hinter dieser offensichtlichen Zurückhaltung großer Drogerieketten wie dm oder Rossmann? Wie ist der aktuelle rechtliche Status von CBD in Deutschland zu bewerten? Und welche Interessen könnten tatsächlich hinter dem gebremsten Fortschritt stehen?
Zwischen Legalität und Unsicherheit: Das rechtliche Dilemma
CBD ist in Deutschland weder eindeutig verboten noch vollständig reguliert – und genau das macht die Situation für Händler komplex.
Was ist erlaubt?
- CBD-Produkte ohne THC-Gehalt über 0,2 % dürfen verkauft werden, sofern sie nicht als Lebensmittel zugelassen sind.
- Produkte, die als Nahrungsergänzung oder Kosmetik vertrieben werden, unterliegen dem europäischen Novel-Food-Katalog.
- Die Zulassung als Arzneimittel ist nur bei bestimmten Darreichungsformen und Nachweisen möglich.
Das bedeutet: Eine Drogeriekette, die CBD-haltige Öle oder Kapseln verkauft, begibt sich in ein rechtliches Spannungsfeld. Die Behörden können jederzeit Maßnahmen ergreifen, wenn der Verdacht besteht, dass ein Produkt nicht den geltenden Standards entspricht.
Ein Bericht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) weist ausdrücklich darauf hin, dass CBD-haltige Lebensmittel „nicht verkehrsfähig“ seien, solange keine Zulassung im Rahmen des Novel-Food-Verfahrens vorliegt. Trotz hoher Nachfrage sind viele Händler deshalb vorsichtig – oder ziehen sich aus dem Segment zurück.
Die Strategie der Drogerieketten: Sichtbarkeit auf Sparflamme
Wer aktuell eine Drogeriefiliale betritt, sucht CBD-Produkte meist vergeblich im bekannten Wellness-Sortiment. Oft stehen sie im Apothekenregal, manchmal im Bio-Regal – oder werden nur online angeboten.
Beobachtbare Taktiken:
- Minimale Präsenz im Regal: Statt Markenvielfalt herrscht selektive Auswahl. Meist sind es Hausmarken oder Partnerprodukte mit strengen Auflagen.
- Verzicht auf Werbung: Keine Schaufensterplakate, keine Beilagen, kaum digitale Banner. CBD ist da, aber man kommuniziert es nicht.
- Online-only-Angebote: Einige Drogerien führen CBD-Produkte ausschließlich im Webshop, was nicht nur die Sichtbarkeit senkt, sondern auch spontane Käufe verhindert.
Ein Sprecher einer großen Kette kommentierte auf Nachfrage zurückhaltend: „Wir beobachten die regulatorischen Entwicklungen sehr genau und passen unser Sortiment entsprechend an.“ Eine Formulierung, die eher auf juristische Vorsicht als auf unternehmerische Innovation schließen lässt.
Verbraucherschutz oder Unternehmenspolitik?
Die Zurückhaltung wird gerne mit Verbraucherschutz begründet – etwa durch fehlende Langzeitstudien oder die Unsicherheit über Wechselwirkungen mit Medikamenten. Doch viele Experten halten das für vorgeschoben.
Kritische Stimmen:
- Der Verkauf von CBD ist in vielen europäischen Nachbarländern weitaus offener geregelt – ohne erkennbare gesundheitliche Krisen.
- Studien wie jene der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2017 bestätigen: „CBD ist gut verträglich und weist kein Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotenzial auf.“
- In Apotheken oder spezialisierten Onlineshops wie CBD-Öl ist der Zugang problemlos möglich – allerdings mit höheren Preisen und teilweise weniger Aufklärung.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Zurückhaltung großer Handelsketten nicht primär dem Schutz des Verbrauchers dient, sondern einer Risikominimierung im eigenen Konzerninteresse. Der Imagefaktor spielt eine Rolle – schließlich möchte man nicht in Verbindung mit einem „Hanfwirkstoff“ stehen, der trotz Legalität noch immer stigmatisiert ist.
Marktpotenzial bleibt auf der Strecke
Während sich Drogerien in Zurückhaltung üben, entstehen rund um CBD längst eigenständige Markenwelten mit starkem Wachstum. Start-ups, spezialisierte Shops und medizinisch fokussierte Anbieter haben die Marktlücke erkannt und professionalisiert.
Marktforschungszahlen belegen:
- Laut einer Erhebung von Statista lag der Umsatz mit CBD-Produkten in Deutschland 2023 bei über 100 Mio. Euro – Tendenz steigend.
- Die Altersgruppe der 30–50-Jährigen zeigt ein besonders hohes Interesse, insbesondere bei Themen wie Schlaf, Stressbewältigung und Schmerzlinderung.
- Das Vertrauen in Naturwirkstoffe wächst – gleichzeitig sinkt die Toleranz für intransparente Händlerstrategien.
Verbraucher informieren sich selbst, vergleichen online, und verlassen sich immer seltener auf die Expertise im Einzelhandel. Der Vertrauensvorsprung der Drogerieketten schwindet – gerade in einem sensiblen Segment wie CBD.
Regulierter Aufbruch oder verpasste Chance?
Die Frage ist nicht mehr, ob CBD sich langfristig im Alltag etablieren wird, sondern wie und durch wen. Sollte die EU in den kommenden Jahren klare Richtlinien zur Zulassung und Kennzeichnung von CBD-Produkten schaffen, könnten Drogerieketten gezwungen sein, schnell nachzuziehen – oder den Anschluss endgültig zu verlieren.
Mögliche Entwicklungen:
- Einführung eines europaweiten Zertifizierungssiegels für CBD-Produkte.
- Stärkere Trennung zwischen kosmetischer und medizinischer Verwendung.
- Integration von Fachberatung in Drogerien durch externe Partner.
Doch auch ohne regulatorischen Druck könnten Verbraucher die Richtung vorgeben: Mit Kaufentscheidungen, die bewusst Anbieter wählen, die Transparenz, Qualität und Sichtbarkeit ernst nehmen.
Was, wenn CBD nicht länger Kompromiss braucht?
Man stelle sich vor, CBD-Produkte würden nicht mehr zwischen Haarmasken und Nahrungsergänzungsmitteln versteckt – sondern wären integraler Bestandteil eines modernen Gesundheitsverständnisses. Offen, zertifiziert, vertrauenswürdig. Genau hier liegt das Potenzial, das viele große Ketten bislang verschenken.
Die Zukunft entscheidet sich nicht nur in Brüssel oder bei der nächsten Novelle des Lebensmittelrechts. Sie entscheidet sich im Regal. Oder eben genau dort, wo heute noch keins steht.