Während die große Schwester – das Filmfestival Cottbus – dieses Jahr ihren 30. Geburtstag feiert, fand die Lausitzer Filmschau zum 18. Mal statt und entfloh damit endgültig den „Kinderschuhen“. Oder nicht?
Alles ist anders, vieles bleibt gleich
Vieles ist aufgrund der diesjährigen Ereignisse auf jeden Fall anders, ganz wie bei jedem 18. Geburtstag. Während wir Menschen allerdings unseren Einstieg in das Erwachsenleben oft mit unseren Freunden eng gedrängt zusammen feiern, müssen die Veranstalter und Teilnehmer der diesjährigen Filmschau unter dem „Hashtag Digital“, wie Moderatorin Helena Klamt mehrfach betont, die Filme allein oder im Kreise der Familie am heimischen Rechner ansehen anstatt im wunderschönen Kino Weltspiegel, wo sonst die Filmschau stattfand. Kein großes Kino, keine Leinwand, keine direkten Zuschauerreaktionen, alles ist anders, aber dennoch bleibt vieles gleich wie in den vergangenen Jahren. So gibt es unter allen Teilnehmern drei Preise zu vergeben – den Publikumspreis (nach der Filmpräsentation hatten alle Zuschauer etwa 10 Minuten Zeit für die Online-Abstimmung), den Jury Sonderpreis für das sorbische Volk und den Jury Hauptpreis. Auch die Jury selbst bestand wie gehabt aus drei Personen: Der Schauspielerin Laura Maria Hänsel, der Filmemacherin Joséphine Heidel (die in den letzten Jahren selbst mit mehreren Filmprojekten an den Filmschauen teilgenommen hat) und dem Sprachmittler Měto Kjarcmaŕ.
Insgesamt gab es 12 Wettbewerbsbeiträge in diesem Jahr, hierbei zeigte sich im Vergleich zu vergangenen Jahren aber doch ein kleiner Unterschied – die Hälfte der gezeigten Filme hatten einen sorbischen Bezug. Dies unterstreicht natürlich noch einmal mehr, wie sehr dieses kulturelle Erbe in der Lausitz verwurzelt ist.
Hälfte der Beiträge mit sorbischen Bezug
Dennoch waren alle Filme so unterschiedlich, dass man sie kaum miteinander vergleichen konnte. Wir sahen Musikvideos, Dokumentarfilme, szenische Kurzfilme und Kunstfilme. Dennoch muss hier auch Kritik an den Filmemachern, geübt werden. Da beispielsweise nicht davon auszugehen ist, dass nicht jeder Zuschauer sorbisch spricht, sollten rein sorbische Produktionen deutsche Untertitel haben – eine Praxis, die auch bei großen Festivals in deutscher oder englischer Sprache üblich ist. Aus diesem Grund war es schade, dass gleich der erste Festivalbeitrag, das sorbische Liebeslied „Dwaj Hrodaj“ des Musikprojekts Skupina Astronawt (von Regisseur Matej Dźisławk) sich nicht allen Zuschauer sprachlich erschließt. Die selbe Problematik wiederholt sich beim zweiten sorbischen Musikvideo des Abends „Straight Outta Łužica“ von Lil Handrij und FloJ. Der Zugang zu den restlichen sorbischen Themenfilmen war hingegen leichter für den Zuschauer. Marielena Bönewitz zeigt uns bei „Na Wustajencu Hic – Ankleiden einer sorbischen Ausgangstracht“ in gemächlicher Ruhe, wie aufwendig es ist, eine sorbische Tracht anzuziehen, selbst wenn man nur auf den dorfeigenen Ostereiermarkt gehen möchte. Und auch wenn ich persönlich kein großer Fan von Kunstfilmen bin, so hat mich an dem Abend doch am meisten der Film „Letargija Niksow a Nyska“ von Hella Stoletzki beeindruckt. Tolle künstlerische Bilder aus der sorbischen Sagenwelt zeichnen eine Welt der Lethargie an der Grenze zwischen Wasseroberfläche und der Unterwasserwelten.
Zwei weitere Filme mit sorbischer Thematik wurden als Gewinner ausgezeichnet. So gewann Jacob Urbanski mit seinem Kurzfilm „Sorbische Quarantäne“ den Publikumspreis mit 475 der insgesamt 1478 abgegebenen Stimmen beim Online-Voting und damit den mit 250 EUR dotierten Einkaufsgutschein des Blechen-Carré. Dass sich dabei die sorbische Quarantäne eines Schülers nicht wirklich von einer nicht-sorbischen unterschied, spielte nicht wirklich eine Rolle, außer vielleicht, dass der Protagonist sogar mit einem Mund-Nasen-Schutz im Bett schlief. Zähneputzen, Hausaufgaben machen, Sport treiben und der Mutter beim Abendbrot helfen, verbunden mit der nicht zu vermeidenden Langeweile, sind zumindest kein Teil eines Tagesablaufes, die nicht auch eine nichtsorbische Quarantäne eines Teenagers beinhalten würde.
Der Film „Sprachlos – Sorben im Nationalsozialismus“ des Spurensuche-Schülerteams der Kulturfabrik Hoyerswerda war sicherlich der emotionalste Film des ganzen Abends und konnte dann auch zurecht den Sonderpreis der Stiftung für das sorbische Volk entgegennehmen. Mit guten filmischen Archivbildern, guten Interviewpartnern und Zitaten und Gedichten aus überlieferten Büchern gelang eine beeindruckende Dokumentation über einen geschichtlichen Aspekt, den so bisher wohl kaum jemand kannte.
Ein weiterer Film des Abends war die Begleitung eines Kunstprojektes, bei der man eher dachte, dass das Video das Kunstprojekt sei, da mit vielen Farbeffekten gespielt wurde. Dabei ging es um die Graffiti-Gestaltung einer Trennwand zur Brachfläche des zweiten Teils des Cottbuser Blechen-Carrés. Leider erfuhr der Zuschauer nicht wirklich, worum es in dem Graffiti ging, ein Sprecher hätte hier sicherlich Abhilfe schaffen können.
Beim Musikvideo „Cottbus // Hassliebe“ von Vincent Grundke rappen zwei Männer (Ein dagebliebener Cottbuser und ein fortgezogener) über ihr Cottbus. Technisch und visuell stark, das Video ist in weiten Teilen im modernen orange & teal stil gehalten.
Im Kurzfilm „Kopf und Bauch“ von Martin Radtke führt ein junger Mann ein Selbstgespräch mit sich selbst. Ohne Splitscreen und doch fast die ganze Zeit doppelt im Bild zu sehen spielt Darsteller Lawrence Petzer sich selbst an die Wand. Einzig bei Umarmung seiner selbst fällt der Größenunterschied zu seinem Leinwanddouble auf.
Der letzte Film des Abends war ein Werk der Projektgruppe des Menschenrechtszentrums unter der Leitung von Erik Schisko, ebenfalls einer der langjährigsten Begleiter (und Teilnehmer) der Filmschau. In diesem Film beschäftigen sich die sieben Teilnehmer der Projektgruppe mit dem Thema „Grenzen“ – Grenzen im Kopf, Grenzen an den Landesgrenzen, Grenzen zwischen den Menschen.
Natürlich durfte aber auch der obligatorische Auftritt von Ralf Schuster bei der achtzehnten Ausgabe der Filmschau nicht fehlen. Mit seinem Musikprojekt ZMOT (Zero Moment of Truth) wurden den Zuschauern „Ökologisches Liedgut für junge Aktivisten“ nähergebracht, so zumindest das neue Album des Projekts. Dazu werden Bilder aus einem Gartenkonzert gezeigt und mit Bildern aus der Kohle- und Windkraftregion Lausitz unterschnitten. Aber Schusters Akkordeon Klänge gehören irgendwie doch zum jährlichen Filmschauabend – ohne würde dem Zuschauer doch was fehlen.
Hauptpreis für weitere Kreativität und orginelle Projekte
Fehlen darf an diesem Abend aber auch die Vergabe des Hauptpreises nicht. Dieser mit 1.500 EUR gesponserte Preis der Firma Apex ging an Anton Fischer. Dieser unternahm in dem Kurzfilm „IT – Ein fremder Freund“ eine abenteuerliche Reise mit einem Roboter, der aus der Zukunft geschickt wurde, wo hochentwickelte Roboter auf dem Mars leben, da die Erde zerstört wurde. Somit ging der Gewinnerfilm tatsächlich an ein sehr erwachsenes Thema, das (wie in den vergangen 2 Jahren so oft) von einem Kind/Jugendlichen vorgetragen wurde.
Laura Maria Hänsel aus der Jury bestätigt: „Wir haben es uns nicht leicht gemacht, aber doch einstimmig für den Hauptpreis entschieden, vor allem vor dem Hintergrund das der erst 12jährige Anton sämtliche Aspekte dieses Films selbst umgesetzt hat – von der skurrilen Idee über das Drehbuch, die fantasievolle Ausstattung, Regie, Hauptrolle, Schnitt und Spezialeffekte.“ Das Preisgeld soll ihm nun die Chance geben, seiner Kreativität weiter nachzugehen und in neue originelle Projekte zu investieren.
Hoffen wir darauf, dass unsere Welt noch nicht so bald untergehen wird und wir noch viele weitere Jahre kreative Kurzfilme von Lausitzer Filmemachern im Rahmen des Filmfestivals Cottbus sehen dürfen. Schließlich will Filmfestivalgeschäftsführer Andreas Stein auch noch das 50jährige Jubiläum gemeinsam mit Programmdirektor Bernd Buder feiern, und somit wollen wir mindestens auch den 38. Geburtstag der Filmschau noch zusammen erleben. Hoffentlich bald auch wieder persönlich, aber das Festival-Team hat gezeigt, dass auch während der Coronakrise gute digitale Lösungen möglich waren, die den Filmemachern und dem interessierten Publikum allen organisatorischen Hürden zum Trotz ein schönes Festival ermöglicht haben.