Energie Cottbus kommt einfach nicht zur Ruhe. Während Trainer Jörg Böhme in der nachmittäglichen Pressekonferenz noch versuchte, die Minimalchance hochzuhalten und über die intakte Mannschaftsmoral sprach, dabei betonte sein Team wolle von der ersten bis zur neunzigsten Minute gegen St.Pauli angehen, kündigte nur wenige Stunden später Präsident Ulrich Lepsch seinen Rücktritt zu Ende Mai 2014 an. Warum die Erklärung nicht bis nach dem Spiel gegen St. Pauli Zeit gehabt hätte, bleibt unklar. So wird der Eindruck vermittelt, das sinkende Schiff schon vor dem (zu erwartenden) Schiffbruch zu verlassen, der Glaube scheint weg. Auch wenn vielen Fans nach dem letzten Spiel gegen Bochum und dem Montagssieg Dynamo Dresdens gegen 1860 München (4:2) schon klar ist, dass der Gang in die dritte Liga kaum noch abzuwenden sei, versuchte gerade der Verein immer wieder, den Glauben daran hochzuhalten. Mit der heutigen Erklärung des Vereinskapitäns ein eindeutiges Signal.
„Nach fast zehn Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit zunächst im Verwaltungsrat und anschließend im Präsidium ziehe ich die Konsequenzen aus der sportlichen Entwicklung in dieser Saison. Für mich war die Arbeit in den Gremien des FC Energie Cottbus immer eine reizvolle und spannende Aufgabe. Der Verein ist für mich nicht nur eine Herzensangelegenheit, sondern war seit Amtsantritt 2005 aufgrund der sportlichen Situation und der damaligen finanziellen Schieflage eine Herausforderung“, so Ulrich Lepsch: „Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Mitstreitern, denen es um die Sache ging und die mich in den vergangen Jahren so großartig unterstützt und begleitet haben.“
„Wir haben viele aufregende Spiele in der 1. und 2. Bundesliga erlebt. Die Stimmung im Stadion und der Rückhalt der Fans und das Vertrauen der Vereinsmitglieder und Sponsoren haben mir immer viel Kraft für die Arbeit gegeben, ganz besonders auch in schwierigen Momenten. Ich kann die große Enttäuschung der Fans über die aktuelle sportliche Situation gut verstehen, weil ich genauso enttäuscht bin. Nicht alle unsere Entscheidungen haben den erhofften Erfolg gebracht. Es sind aber am Ende auch nicht die Gremien, die auf dem Platz stehen, es sind Mannschaft und Trainerstab. Unsere Aufgabe ist es, den Rahmen dafür zu schaffen und den sportlich Verantwortlichen den Rücken frei zu halten. Genau das haben wir getan, nach bestem Wissen und Gewissen“, resümiert Ulrich Lepsch.
Gerade in dem Punkt gab es viel Unruhe, nicht nur in dieser Saison. Mehrere Sportdirektoren und Trainer gaben sich die Klinken in die Hand, jeder mit einer anderen Art, Stil und Philosophie. Am Ende mussten Schmidt und Böhme ganz ohne Sportdirektor auskommen, auch im Nachwuchsbereich gab es stetige Strategieänderungen. Die Konsequenz daraus war bereits der Abstieg der U23 und der A-Junioren in den vergangenen Spielzeiten. Die Gehaltsverpflichtungen und Abfindungen aus den Wechseln muss der Verein teils heute noch tragen.
Besonders beliebt war der Präsident bei den Fans nur selten, die Anschuldigungen hatten mit der sportlichen Talfahrt seit Sommer letzten Jahres aber weiter zugenommen. Insbesondere die Verpflichtung von Stephan Schmidt als Cheftrainer sitzt noch immer tief, er holte einen Punkt aus neun Spielen, Lepsch verteidigte die Personalie anfänglich persönlich. “Die Art und Weise der kritischen Auseinandersetzung mit der sportlichen Situation sei in den zurückliegenden Wochen sehr unsachlich geführt worden, im persönlichen Umgang im Stadion und außerhalb gingen Fairness und Respekt zunehmend verloren.” Ulrich Lepsch führt fort: „Ich habe mich im Verein gern engagiert und wollte ihn stets voranbringen, statt ihm im Weg zu stehen. In jüngster Vergangenheit konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies in Abrede gestellt wird. Das ist keine geeignete Basis, um diese anspruchsvolle und zeitaufwändige Aufgabe ehrenamtlich mit ganzer Kraft und Begeisterung auszuführen und den FC Energie durch die bevorstehenden Klippen zu manövrieren.“
Ab Juni soll der bisherige Vizepräsident, Leiter der Sportschule Cottbus und Präsident des Brandenburger Sportverbandes, Wolfgang Neubert das Präsidentenamt übernehmen. Ob damit der benötigte Neuanfang in der dritten Liga geschafft werden kann, bleibt abzuwarten.
Der FC Energie Cottbus tritt um 18:30 Uhr gegen den FC St. Pauli an, 1.500 Hamburger Fans sind angekündigt.