Brandenburger Fischer haben mit Agrarminister Jörg Vogelsänger gestern eine Million Glasaale in der Havel ausgesetzt. Die Aktion ist Teil des Brandenburger Pilotprojekts zur Stabilisierung der Aalbestände in Brandenburger Gewässern. Dieser dramatische Rückgang hängt damit zusammen, dass auch nur noch ein Bruchteil der früher beobachteten Mengen junger Aale vom Golfstrom an die Küsten Europas getragen wird. Vergleichbare Einbrüche erleben der Japanische und der Amerikanische Aal.
Vogelsänger: „Wissenschaftler auf der ganzen Welt rätseln über die Ursachen. Eine schlüssige Erklärung haben sie bislang jedoch nicht. Sicher scheint nur, dass eine Vielzahl von Einzelfaktoren den Aalbeständen zusetzt. Sicher ist aber auch, dass wir jetzt handeln müssen.“
Brandenburger Berufsfischer ziehen im Jahr rund 110 Tonnen Aal (in Stückzahlen: rund 360.000 Aale) aus ihren Gewässern.
Das Aussetzen junger Aale hat in Brandenburg eine lange Tradition. Bereits vor rund 100 Jahren setzten in Fischereischutzgenossenschaften zusammengeschlossene Fischer kleine Jungaale in der Havel aus. Das war notwendig, weil damals Flüsse wie die Elbe im Zuge der Industrialisierung durch massive Einleitungen von Abwässern so stark belastet waren, dass der natürliche Aufstieg der Jungaale nur noch eingeschränkt möglich war. Heute ist die Elbe wieder so sauber, dass kleine Aale sich in ihr wohlfühlen. Dennoch finden nach Untersuchungen am Institut für Binnenfischerei in Potsdam heute jährlich nur noch zirka 1 Mio. Jungaale den natürlichen Weg in die Elbe und ihre Nebengewässer. Nach Schätzungen der Forscher müssen es in früheren Zeiten etwa 27 Mio. junge Aale gewesen sein, die Jahr für Jahr nach der langen Reise von den Laichgründen im Westatlantik in die Elbe schwammen und sich in deren Zuflüssen verteilten.
Noch lange bevor die EU-Kommission im Jahr 2007 endlich die Verordnung zum Schutz des Europäischen Aals verabschiedete, haben Brandenburger Fischer ein Projekt auf die Beine gestellt, dass in der Bundesrepublik einmalig ist. Das Pilotprojekt zur Sicherung der Aal-Laicherbestände im Elbeeinzugsgebiet koordiniert die Beschaffung und Finanzierung von Besatzmaterial für alle geeigneten Gewässer Brandenburgs, die im Einzugsgebiet der Elbe liegen und aus denen die ausgewachsenen Aale dann später in Richtung ihrer Laichgründe abwandern können. Seit 2006 wurden Jahr für Jahr 2,5 Mio. junger Aale in diese Gewässer ausgesetzt, so dass 2009 die 10 Millionen-Marke geknackt werden konnte.
Ziel dieser Besatzmaßnahmen ist es, dass dem Aal die für ihn besonders geeigneten märkischen Gewässer auch weiterhin als Lebensraum erhalten bleiben und von hier möglichst viele ausgewachsene Aale am Ende ihres Lebens die lange Reise zu den Laichgründen im Atlantik antreten können. Das reichliche Nahrungsangebot im weit verzweigten Netz von Havel, Spree und Dahme bietet den jungen Aalen alle nötigen Grundlagen. Ein weiterer Vorteil: Es gibt hier kaum Wasserkraftanlagen. Die heute noch als ökologisch vorteilhaft dargestellte Energieerzeugung in kleineren Wasserkraftanlagen hat extrem negative Auswirkungen auf die Ökologie Brandenburger Fließgewässer. Wo solche Anlagen den Flusslauf versperren, bekommt auch der Aal Probleme. Die laichreifen Aale wandern stets mit der Strömung und landen so zwangsläufig in den Schaufeln der Turbinen. Dort wird ein großer Teil der Aale getötet oder so schwer verletzt, dass er die Reise zu den Laichgebieten im Atlantik nicht übersteht.
Aal-Initiative gegründet
Weil die heimischen Gewässer einen nahezu idealen Lebensraum für den Aal darstellen, bekommen Brandenburgs Fischer nun zusätzliche Unterstützung. Einige Aalfarmer, auf die Verarbeitung von Aal spezialisierte Räuchereibetriebe und Fischhändler haben ebenfalls erkannt, dass sie ihren Beitrag leisten müssen, wenn die Nutzung der Aalbestände nachhaltig sein soll. Sie haben deshalb die „Initiative zur Förderung des Europäischen Aals“ gegründet. Deren Mitglieder haben sich zum Ziel gesetzt, dass für jeden von ihnen verkauften Aal mindestens drei Jungaale in geeignete Gewässer ausgesetzt werden. Sie stellen die dafür notwendigen Mittel bereit und organisieren mit Hilfe der Fischereibetriebe vor Ort dass Aussetzen der kleinen Aale. In diesem Jahr greifen erstmals die Bestimmungen der EU-Aal-Verordnung, nach der die Mitgliedsstaaten der EU-Kommission Aalbewirtschaftungspläne vorzulegen hatten. In diesen Plänen waren die Maßnahmen darzustellen, mit denen der Wiederaufbau der Aalbestände in Europa gesichert werden soll. Bei den wissenschaftlichen Vorarbeiten wurde deutlich, dass Besatzmaßnahmen in geeignete Gewässer die wirksamste Strategie sind. Entsprechend sieht der deutsche Aalmanagementplan solche Besatzmaßnahmen vor. Mit dem Aussetzen von Jungaalen erfüllen die Brandenburger Fischer und Angler ihre Aufgaben aus dem Aalbewirtschaftungsplan für Elbe und Oder.
Heimliches Liebesspiel südlich des Bermuda-Dreiecks
Die Laichgebiete der Europäischen Flussaale liegen im Atlantischen Ozean. Bisher hat jedoch noch kein Mensch Aale in freier Natur beim Liebesspiel beobachtet. Die kleinsten Aallarven fingen Wissenschaftler im Bereich der Sargassosee, einem Meeresgebiet gut 700 Seemeilen östlich der Bahamas, südlich der Bermuda-Dreiecks. Irgendwo in dieser Gegend des Atlantik beginnt demnach das aufregende Leben der Aale. Der Start einer neuen Generation markiert aber gleichzeitig das Ende der Elterntiere, denen die weite Wanderung bis zu den Laichgründen gelungen ist. Aale laichen nur einmal in ihrem Leben und sterben anschließend.
Mit dem „Warmwasser-Taxi“ zu Europas Küsten
Der Golfstrom, die Wärmepumpe des mitteleuropäischen Klimas, streift die Sargassosee und wird von den Babyaalen genutzt. Mit ihm driften die Kleinen im Verlauf von zwei bis drei Jahren an die Küsten des Europäischen Kontinents. Sie ähneln anfänglich in der Form eher einem kleinen, durchscheinenden Weidenblatt. Auf der langen Reise durch den Atlantik nehmen sie dann die typische Aalform an. Ihnen fehlt jedoch weitgehend die Pigmentierung, was ihnen den Namen Glasaal einbrachte. Sie sind dann 5 bis 7 Zentimeter lang und wiegen zirka 0,3 Gramm. Ein großer Teil der in den Frühjahrsmonaten an Europas Küsten ankommenden Aallarven sammelt sich in den Mündungsgebieten von Flüssen. Hier warten die Kleinen darauf, bis das Wasser des Flusses im Laufe des Frühjahrs wärmer wird. Gleichzeitig müssen sie ihren winzigen Körper auf den Betrieb im Süßwasser umstellen, bevor sie die letzte Etappe ihrer Reise in die Oberläufe der Flussgebiete antreten können. In dieser Zeit bilden die kleinen Aale erste Pigmentzellen aus, die ihnen eine farbliche Anpassung an ihre Umgebung ermöglichen. Vom Gelbgrün bis Dunkelbraun reicht die Palette, aus der sie bei Bedarf wählen können.
Vom Glas- zum Gelbaal
Mit der Ankunft in den Küstenregionen und dem Aufstieg ins Süßwasser stellen die kleinen Aale auch ihren Speisezettel um. Haben sie sich die ersten Jahre ausschließlich von ozeanischem Plankton ernährt, entdecken sie jetzt neue Vorlieben. Mückenlarven, Kleinkrebse, Schnecken, Fischlaich und Jungfische sind Bestandteil einer soliden Kost, die für zügiges Wachstum sorgen. Mit zunehmender Größe der jungen Aale vergrößert sich auch das Sortiment potenzieller Beutetiere. Die Form der Maulspitze verrät die Vorlieben beim Futter. Während Aale, die bevorzugt Fisch fressen, ein eher breites Maul haben, entwickeln Aale mit Vorliebe für Insekten eine eher spitze Kopfform.
Mit „Metallic-Effekt“ auf Brautschau in Richtung Karibik
Je nach Geschlecht werden die Aale unterschiedlich schnell geschlechtsreif. Während die männlichen Tiere bereits sechs Jahre nach der Ankunft in Europa diesen Punkt erreichen, beginnen die Aal-Damen erst nach etwa zehn Jahren, sich auf den letzten Abschnitt ihres Lebens vorzubereiten. Deutliche Anzeichen dafür sind eine bräunliche Färbung in Kombination mit einem metallischen Glanz an den Flanken der Fische. Gleichzeitig verändern sich auf die Augen der Fische. Sie werden deutlich größer – eine Anpassung an das bevorstehende Wandern im tiefen Ozean. Im Laufe ihres Lebens haben sie sich außerdem reichlich Fettreserven angefressen, die als Proviant für ihre letzte Reise dienen. Wenn die innere Uhr das Signal gibt, begeben sich die Aale auf den langen Weg zurück zu ihren Laichgebieten. Sie folgen dabei stets der Strömung und meiden das Licht. Von Brandenburg sind es rund 7000 Kilometer Schwimmstrecke bis in die Sargasso-See. Auf dem langen Weg wird nicht gefressen und die Verdauungsorgane bilden sich zurück.
Sie machen Platz für die Gonaden.
Quelle: Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft
Foto © Uwe Kils (wikipedia.org)
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