Im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe äußerte sich Innenminister Dietmar Woidke am 18. Mai 2011 in Potsdam zum Thema “Die Polizei, die Stasi und die DDR-Vergangenheit – Ein neues altes Thema?”
Den dort gehaltenen Beitrag können Sie hier nachlesen.
Die Polizei, die Stasi und die DDR-Vergangenheit
Beitrag von Innenminister Dr. Dietmar Woidke auf der gemeinsamen Veranstaltung mit der Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe “Die Polizei, die Stasi und die DDR-Vergangenheit – Ein neues altes Thema?” am 18. Mai 2011 in Potsdam.
Anrede,
Die Debatte, die wir heute hier führen, ist notwendig. Es ist auch notwendig, sie in aller Öffentlichkeit zu führen. Die Debatte liegt nicht zuletzt im Interesse der Polizei des Landes Brandenburg selbst.
Richtig ist auch, dass wir sie gemeinsam als Innenministerium mit unserer Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe durchführen. Ich sehe diese Debatte als Chance und ich meine, es gibt keinen Anlass dazu, vor ihr Angst zu haben. Wir müssen uns ihr stellen. Ich als Innenminister bin dazu bereit.
In dieser Debatte spielen verschiedene Interessen, Motive und Beweggründe eine Rolle. Deshalb möchte ich drei Punkte besonders betonen, die ich für erforderlich halte, um wirklich zu einem Fortschritt in der Sache zu kommen.
Erstens: Wir müssen diese Debatte ganz offen, streitbar, aber auch konstruktiv miteinander führen.
Zweitens: Es muss gelingen, in der Diskussion zu nachvollziehbaren und realitätstauglichen Kriterien zu kommen, an denen wir sowohl damalige, als auch heutige Verfahren und Entscheidungen zur Frage von Stasi-Belastungen in der Polizei messen können.
Und drittens: Es ist von allen Beteiligten auch zu fordern, dass sie zu dieser Debatte ohne Selbstgerechtigkeit und Geschichtsvergessenheit beitragen. Denn im Laufe von 20 Jahren waren viele, darunter alle Fraktionen des ersten Landtags Brandenburg, an Entscheidungen in dieser Frage beteiligt – und es geht nicht an, dass manche davon heute nichts mehr wissen wollen.
Eine so geführte Debatte ist nicht nur notwendig, sie kann uns auch gemeinsam nach vorne bringen. Ich sage als Innenminister ausdrücklich: Sie wird dann der Polizei des Landes und ihren Ansehen nicht nur nicht schaden, sondern ganz im Gegenteil nutzen. Davon bin ich überzeugt.
Ich weiß, dass es auch andere Stimmen gibt. Manche fragen, ob denn nicht nach 20 Jahren auch einmal Schluss sein muss mit dem Thema Stasi. Sie bezweifeln, ob es Sinn macht, diese angeblich alten Geschichten immer wieder hervorzukramen. Mehr oder weniger deutlich wird von einigen ein Schlussstrich gefordert. Ich sage dazu in aller Klarheit: Diese Schlussstrich-Debatte ist müßig. Und zwar schon allein deswegen, weil es in einer demokratischen und offenen Gesellschaft keine Instanz oder Autorität gibt, die einen solchen Schlussstrich verordnen könnte.
Deshalb kann es nicht darum gehen, ob wir diese Debatte auch 20 Jahre nach der Einheit noch führen wollen, sondern einzig und allein darum, wie und anhand welcher Kriterien wir dies tun.
Über die Grundsätze und Praxis der Überprüfungen in den 90er Jahren ist eben ausführlich gesprochen worden. Es gab damals einen breiten politischen Konsens im Land darüber, dass nicht jede vormalige Zugehörigkeit oder Tätigkeit für das MfS allein ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein sollte. Gewollt war vielmehr eine differenzierte Überprüfung aller Betroffenen auf der Grundlage einer Einzelfallbeurteilung. Diese Philosophie lag auch der Arbeit der so genannten Bischofskonferenz zugrunde.
Auch im Rückblick meine ich, dass dieser Anspruch richtig war. Neu an der heutigen Diskussion ist nicht, dass es in der Polizei Mitarbeiter gibt, die früher einmal auf die eine oder andere Weise für die DDR-Staatssicherheit tätig gewesen sind. Das ist seit den 90er Jahren bekannt und in Abständen immer wieder – auch öffentlich – diskutiert worden.
Unsere heutige Debatte hat sehr wohl eine Vorgeschichte. Ich widerspreche dem Eindruck, als würde Brandenburg erst heute damit anfangen – wie es manchmal etwas selbstgerecht heißt – “die DDR-Vergangenheit” aufzuarbeiten.
Ich habe gesagt, ich halte den grundsätzlichen Anspruch auf eine rechtsstaatliche, differenzierte und einzelfallbezogene Beurteilung der DDR-Vergangenheit für richtig, sehe es aber zugleich nicht als meine Aufgabe als heutiger Innenminister an, die Arbeit der damals tätigen Überprüfungsgremien und deren konkrete Entscheidungen rückblickend zu bewerten.
Ich bin Innenminister und kein Zeithistoriker. Und hier handelt es sich um ein abgeschlossenes Kapitel der Landesgeschichte, über das man selbstverständlich verschiedener Meinung sein kann. Dagegen ist nichts zu sagen. Hier werden sicherlich Historiker, Publizisten und auch die vom Landtag eingesetzte Enquetekommission auf Aufhellung und kritische Aufarbeitung sorgen. Auch das Innenministerium hat in eine Studie in Auftrag gegeben. Das alles kann nur hilfreich sein; ich begrüße dies ausdrücklich.
Aber niemand kann die Zeit 20 Jahre zurückdrehen. Und selbstverständlich wissen wir alle heute mehr über die Tätigkeit der Stasi als es damals der Fall war. Von dem heute viel besser erschlossenen Aktenbestand der Stasi-Unterlagen-Behörde einmal ganz abgesehen. Die Frage, was man damals möglicherweise hätte anders machen sollen oder können, ist daher zwar durchaus von Interesse, aber letztlich ebenfalls müßig, weil sie uns bei den heutigen Herausforderungen, vor denen wir im Umgang mit dem schwierigen Thema stehen, nicht weiterbringt.
Von aktueller Bedeutung sind für mich als Innenminister dagegen die Auswirkungen der damaligen Übernahmen in den Landesdienst und anschließenden Überprüfungen auf Stasi-Mitarbeit.
Betroffene, Medien und die Öffentlichkeit fordern Auskünfte und Antworten. Sie tun das mit Recht. Ich habe zugesagt, mich nicht nur der Debatte dazu zu stellen, sondern auch den notwendigen Konsequenzen. Und ich bin bereit, diese Zusage einzulösen.
Es muss uns – gerade auch im Interesse der Polizei – gelingen, diese Debatte sachlich und anhand klarer Maßstäbe zu führen. Ich sehe dazu keine vernünftige Alternative. Die Alternative ist, dass uns das Gespenst der Stasi in den kommenden Jahren immer wieder und an neuen Stellen verfolgen wird, und dann erneut allgemeine Überraschung und Empörung ausbricht. Deshalb sage ich: Wir brauchen jetzt den Mut zu Wahrheit und Klarheit.
Wir brauchen ihn auch deshalb, weil die Polizei nicht irgendein Teil der öffentlichen Verwaltung ist. Die Polizei verkörpert das staatliche Gewaltmonopol. Kein anderer Teil der öffentlichen Verwaltung darf im Rahmen ihrer Befugnisse so massiv und auch unter Anwendung unmittelbaren Zwangs in Rechte Dritter, also der Bürger, eingreifen. Deshalb sind an die Tätigkeit und die Integrität der Polizei besonders hohe Maßstäbe anzulegen. Ich denke, das versteht sich von selbst.
Die Bürger wollen und sollen ihrer Polizei vertrauen können. Und dieses Vertrauen hat Voraussetzungen. Mir geht es darum, das Ansehen der Polizei des Landes zu schützen.
Genau deshalb werde ich beides tun: Ich werde erstens dort, wo es notwendig ist, klare Konsequenzen ziehen – auch in dienstlicher und personeller Hinsicht. Ich habe dies bereits mehrfach in den letzten Wochen getan. Und ich werde das auch in Zukunft tun, wenn ich dazu Anlass habe.
Und ich werde zweitens die Polizei und ihre Mitarbeiter immer dann in Schutz nehmen, wenn sie sich unbegründeten Vorwürfen ausgesetzt sieht. Beides gehört zusammen. Beides wird dazu führen, einen gangbaren und von der Öffentlichkeit breit akzeptierten Weg zu finden. Denn breite gesellschaftliche Akzeptanz ist unabdingbar. Die Polizei steht nicht für sich allein – sie steht im Dienst aller Bürgerinnen und Bürger des Landes Brandenburg und damit mitten in der Gesellschaft.
Ich bin heute konkret damit konfrontiert, dass es Beamte in der Polizei gibt, die ihrem Dienstherren bisher entweder erwiesenermaßen oder aber mutmaßlich die Unwahrheit über ihre Tätigkeit für die DDR-Staatssicherheit gesagt haben.
In diesen Fällen bleibt mir als Innenminister gar nichts anderes übrig, als zu handeln. Kein Dienstherr kann ein solches Verhalten tolerieren. Weder im Fall der Stasi, noch in anderen gravierenden Fällen.
Auch die Überprüfungen in den 90er Jahren basierten immer auf dem Grundsatz, dass die Beamten gegenüber ihrem Dienstherren wahrheitsgemäße Angaben machen mussten. Das war die Grundlage für alles weitere, also eine faire und differenzierte Prüfung im Einzelfall. Jedem Beamten war und ist bewusst, was es bedeutet, seinen Dienstherrn anzulügen. Ich sage das einmal so deutlich.
Das war vor 20 Jahren nicht akzeptabel und das ist heute auch nicht akzeptabel. Vertrauen setzt Ehrlichkeit voraus, und wo es daran mangelt, ist das Vertrauen zerstört. Der Dienstherr steht in allen diesen Fällen für das Land Brandenburg, und dieses wiederum für alle seine Bürgerinnen und Bürger. Und ein Beamter darf die Bürger, denen er zu dienen hat, nicht anlügen. Er verliert damit den Anspruch auf Vertrauen. Das ist ein ganz einfacher Grundsatz. Und nach diesem bin ich bislang verfahren und werde ich auch in Zukunft verfahren.
Auch anderen gegenüber, die damals ihre Tätigkeit für das MfS offengelegt haben und deswegen aus dem Landesdienst entfernt wurden, wäre es nicht fair, wenn 20 Jahre später in derselben Sache plötzlich ganz andere Maßstäbe gelten sollten. Und rechtsstaatlich wäre das auch nicht zu begründen.
Ich bin zur Aufklärung bereit. Unerwartet sehe ich mich aber mit Problemen und Hindernissen konfrontiert, die uns eine solche umfassende und rechtsstaatlich einwandfreie Prüfung wesentlich erschweren.
Ich habe mich vor einiger Zeit an die Stasi-Unterlagen-Behörde gewandt mit der Bitte um aktuelle Auskünfte über insgesamt 68 Schutzbereichs- und Wachenleiter der Polizei. Sie vertreten die Polizei verantwortlich vor Ort in herausgehobener Funktion. Diese Bitte um Auskunft hat die Stasi-Unterlagen-Behörde kürzlich aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Ich halte dieses Auskunftsersuchen nach wie vor für zulässig und werde dazu mit der Stasi-Unterlagen-Behörde das Gespräch suchen. Ich habe mich bereits gestern in Potsdam mit Roland Jahn getroffen, wir werden im Gespräch bleiben und ich hoffe, dass wir eine Lösung finden werden.
Welche Rechtsauffassung sich letztlich durchsetzt, wird sich zeigen. Bitte bedenken Sie: Auch wir gehen mit unseren durchaus weitreichenden Maßnahmen immer ein rechtliches Risiko ein. Die Stasi-Unterlagen-Behörde wird nicht müde, angebliche Versäumnisse im Land Brandenburg anzuprangern und eine verstärkte Aufarbeitung der Vergangenheit anzumahnen. Sie ist eine große Behörde mit über 1.600 Mitarbeitern und einem Jahresetat von 100 Mio. Euro, die sich mit nichts anderem befasst. Jetzt will und brauche ich als Innenminister ihre Hilfe – und kassiere eine Absage. Das ergibt für mich kein ganz glückliches Bild, um es einmal so auszudrücken. Auch die Stasi-Unterlagen-Behörde muss sich sagen lassen: Mehr Mut wäre gut!
Die Polizei des Landes Brandenburg hat in den letzten 20 Jahren eine gute Arbeit geleistet und sich das große Vertrauen der Brandenburger zu Recht erworben. Die aktuelle Diskussion ändert an diesem Befund nichts. Die Polizei steht nicht unter Generalverdacht, sie nimmt das selbst auch nicht so wahr, und einem solchen Generalverdacht würde ich als Innenminister auch als erster widersprechen.
Führen wir die notwendige Debatte um das Thema Polizei und Stasi also so, dass das Vertrauen in unsere Polizei gestärkt wird. Mit kritischer Offenheit, nachvollziehbaren Maßstäben und unter Berücksichtigung der historischen Umstände kann uns das gemeinsam gelingen.
Quelle: Ministerium des Innern
Im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe äußerte sich Innenminister Dietmar Woidke am 18. Mai 2011 in Potsdam zum Thema “Die Polizei, die Stasi und die DDR-Vergangenheit – Ein neues altes Thema?”
Den dort gehaltenen Beitrag können Sie hier nachlesen.
Die Polizei, die Stasi und die DDR-Vergangenheit
Beitrag von Innenminister Dr. Dietmar Woidke auf der gemeinsamen Veranstaltung mit der Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe “Die Polizei, die Stasi und die DDR-Vergangenheit – Ein neues altes Thema?” am 18. Mai 2011 in Potsdam.
Anrede,
Die Debatte, die wir heute hier führen, ist notwendig. Es ist auch notwendig, sie in aller Öffentlichkeit zu führen. Die Debatte liegt nicht zuletzt im Interesse der Polizei des Landes Brandenburg selbst.
Richtig ist auch, dass wir sie gemeinsam als Innenministerium mit unserer Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe durchführen. Ich sehe diese Debatte als Chance und ich meine, es gibt keinen Anlass dazu, vor ihr Angst zu haben. Wir müssen uns ihr stellen. Ich als Innenminister bin dazu bereit.
In dieser Debatte spielen verschiedene Interessen, Motive und Beweggründe eine Rolle. Deshalb möchte ich drei Punkte besonders betonen, die ich für erforderlich halte, um wirklich zu einem Fortschritt in der Sache zu kommen.
Erstens: Wir müssen diese Debatte ganz offen, streitbar, aber auch konstruktiv miteinander führen.
Zweitens: Es muss gelingen, in der Diskussion zu nachvollziehbaren und realitätstauglichen Kriterien zu kommen, an denen wir sowohl damalige, als auch heutige Verfahren und Entscheidungen zur Frage von Stasi-Belastungen in der Polizei messen können.
Und drittens: Es ist von allen Beteiligten auch zu fordern, dass sie zu dieser Debatte ohne Selbstgerechtigkeit und Geschichtsvergessenheit beitragen. Denn im Laufe von 20 Jahren waren viele, darunter alle Fraktionen des ersten Landtags Brandenburg, an Entscheidungen in dieser Frage beteiligt – und es geht nicht an, dass manche davon heute nichts mehr wissen wollen.
Eine so geführte Debatte ist nicht nur notwendig, sie kann uns auch gemeinsam nach vorne bringen. Ich sage als Innenminister ausdrücklich: Sie wird dann der Polizei des Landes und ihren Ansehen nicht nur nicht schaden, sondern ganz im Gegenteil nutzen. Davon bin ich überzeugt.
Ich weiß, dass es auch andere Stimmen gibt. Manche fragen, ob denn nicht nach 20 Jahren auch einmal Schluss sein muss mit dem Thema Stasi. Sie bezweifeln, ob es Sinn macht, diese angeblich alten Geschichten immer wieder hervorzukramen. Mehr oder weniger deutlich wird von einigen ein Schlussstrich gefordert. Ich sage dazu in aller Klarheit: Diese Schlussstrich-Debatte ist müßig. Und zwar schon allein deswegen, weil es in einer demokratischen und offenen Gesellschaft keine Instanz oder Autorität gibt, die einen solchen Schlussstrich verordnen könnte.
Deshalb kann es nicht darum gehen, ob wir diese Debatte auch 20 Jahre nach der Einheit noch führen wollen, sondern einzig und allein darum, wie und anhand welcher Kriterien wir dies tun.
Über die Grundsätze und Praxis der Überprüfungen in den 90er Jahren ist eben ausführlich gesprochen worden. Es gab damals einen breiten politischen Konsens im Land darüber, dass nicht jede vormalige Zugehörigkeit oder Tätigkeit für das MfS allein ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein sollte. Gewollt war vielmehr eine differenzierte Überprüfung aller Betroffenen auf der Grundlage einer Einzelfallbeurteilung. Diese Philosophie lag auch der Arbeit der so genannten Bischofskonferenz zugrunde.
Auch im Rückblick meine ich, dass dieser Anspruch richtig war. Neu an der heutigen Diskussion ist nicht, dass es in der Polizei Mitarbeiter gibt, die früher einmal auf die eine oder andere Weise für die DDR-Staatssicherheit tätig gewesen sind. Das ist seit den 90er Jahren bekannt und in Abständen immer wieder – auch öffentlich – diskutiert worden.
Unsere heutige Debatte hat sehr wohl eine Vorgeschichte. Ich widerspreche dem Eindruck, als würde Brandenburg erst heute damit anfangen – wie es manchmal etwas selbstgerecht heißt – “die DDR-Vergangenheit” aufzuarbeiten.
Ich habe gesagt, ich halte den grundsätzlichen Anspruch auf eine rechtsstaatliche, differenzierte und einzelfallbezogene Beurteilung der DDR-Vergangenheit für richtig, sehe es aber zugleich nicht als meine Aufgabe als heutiger Innenminister an, die Arbeit der damals tätigen Überprüfungsgremien und deren konkrete Entscheidungen rückblickend zu bewerten.
Ich bin Innenminister und kein Zeithistoriker. Und hier handelt es sich um ein abgeschlossenes Kapitel der Landesgeschichte, über das man selbstverständlich verschiedener Meinung sein kann. Dagegen ist nichts zu sagen. Hier werden sicherlich Historiker, Publizisten und auch die vom Landtag eingesetzte Enquetekommission auf Aufhellung und kritische Aufarbeitung sorgen. Auch das Innenministerium hat in eine Studie in Auftrag gegeben. Das alles kann nur hilfreich sein; ich begrüße dies ausdrücklich.
Aber niemand kann die Zeit 20 Jahre zurückdrehen. Und selbstverständlich wissen wir alle heute mehr über die Tätigkeit der Stasi als es damals der Fall war. Von dem heute viel besser erschlossenen Aktenbestand der Stasi-Unterlagen-Behörde einmal ganz abgesehen. Die Frage, was man damals möglicherweise hätte anders machen sollen oder können, ist daher zwar durchaus von Interesse, aber letztlich ebenfalls müßig, weil sie uns bei den heutigen Herausforderungen, vor denen wir im Umgang mit dem schwierigen Thema stehen, nicht weiterbringt.
Von aktueller Bedeutung sind für mich als Innenminister dagegen die Auswirkungen der damaligen Übernahmen in den Landesdienst und anschließenden Überprüfungen auf Stasi-Mitarbeit.
Betroffene, Medien und die Öffentlichkeit fordern Auskünfte und Antworten. Sie tun das mit Recht. Ich habe zugesagt, mich nicht nur der Debatte dazu zu stellen, sondern auch den notwendigen Konsequenzen. Und ich bin bereit, diese Zusage einzulösen.
Es muss uns – gerade auch im Interesse der Polizei – gelingen, diese Debatte sachlich und anhand klarer Maßstäbe zu führen. Ich sehe dazu keine vernünftige Alternative. Die Alternative ist, dass uns das Gespenst der Stasi in den kommenden Jahren immer wieder und an neuen Stellen verfolgen wird, und dann erneut allgemeine Überraschung und Empörung ausbricht. Deshalb sage ich: Wir brauchen jetzt den Mut zu Wahrheit und Klarheit.
Wir brauchen ihn auch deshalb, weil die Polizei nicht irgendein Teil der öffentlichen Verwaltung ist. Die Polizei verkörpert das staatliche Gewaltmonopol. Kein anderer Teil der öffentlichen Verwaltung darf im Rahmen ihrer Befugnisse so massiv und auch unter Anwendung unmittelbaren Zwangs in Rechte Dritter, also der Bürger, eingreifen. Deshalb sind an die Tätigkeit und die Integrität der Polizei besonders hohe Maßstäbe anzulegen. Ich denke, das versteht sich von selbst.
Die Bürger wollen und sollen ihrer Polizei vertrauen können. Und dieses Vertrauen hat Voraussetzungen. Mir geht es darum, das Ansehen der Polizei des Landes zu schützen.
Genau deshalb werde ich beides tun: Ich werde erstens dort, wo es notwendig ist, klare Konsequenzen ziehen – auch in dienstlicher und personeller Hinsicht. Ich habe dies bereits mehrfach in den letzten Wochen getan. Und ich werde das auch in Zukunft tun, wenn ich dazu Anlass habe.
Und ich werde zweitens die Polizei und ihre Mitarbeiter immer dann in Schutz nehmen, wenn sie sich unbegründeten Vorwürfen ausgesetzt sieht. Beides gehört zusammen. Beides wird dazu führen, einen gangbaren und von der Öffentlichkeit breit akzeptierten Weg zu finden. Denn breite gesellschaftliche Akzeptanz ist unabdingbar. Die Polizei steht nicht für sich allein – sie steht im Dienst aller Bürgerinnen und Bürger des Landes Brandenburg und damit mitten in der Gesellschaft.
Ich bin heute konkret damit konfrontiert, dass es Beamte in der Polizei gibt, die ihrem Dienstherren bisher entweder erwiesenermaßen oder aber mutmaßlich die Unwahrheit über ihre Tätigkeit für die DDR-Staatssicherheit gesagt haben.
In diesen Fällen bleibt mir als Innenminister gar nichts anderes übrig, als zu handeln. Kein Dienstherr kann ein solches Verhalten tolerieren. Weder im Fall der Stasi, noch in anderen gravierenden Fällen.
Auch die Überprüfungen in den 90er Jahren basierten immer auf dem Grundsatz, dass die Beamten gegenüber ihrem Dienstherren wahrheitsgemäße Angaben machen mussten. Das war die Grundlage für alles weitere, also eine faire und differenzierte Prüfung im Einzelfall. Jedem Beamten war und ist bewusst, was es bedeutet, seinen Dienstherrn anzulügen. Ich sage das einmal so deutlich.
Das war vor 20 Jahren nicht akzeptabel und das ist heute auch nicht akzeptabel. Vertrauen setzt Ehrlichkeit voraus, und wo es daran mangelt, ist das Vertrauen zerstört. Der Dienstherr steht in allen diesen Fällen für das Land Brandenburg, und dieses wiederum für alle seine Bürgerinnen und Bürger. Und ein Beamter darf die Bürger, denen er zu dienen hat, nicht anlügen. Er verliert damit den Anspruch auf Vertrauen. Das ist ein ganz einfacher Grundsatz. Und nach diesem bin ich bislang verfahren und werde ich auch in Zukunft verfahren.
Auch anderen gegenüber, die damals ihre Tätigkeit für das MfS offengelegt haben und deswegen aus dem Landesdienst entfernt wurden, wäre es nicht fair, wenn 20 Jahre später in derselben Sache plötzlich ganz andere Maßstäbe gelten sollten. Und rechtsstaatlich wäre das auch nicht zu begründen.
Ich bin zur Aufklärung bereit. Unerwartet sehe ich mich aber mit Problemen und Hindernissen konfrontiert, die uns eine solche umfassende und rechtsstaatlich einwandfreie Prüfung wesentlich erschweren.
Ich habe mich vor einiger Zeit an die Stasi-Unterlagen-Behörde gewandt mit der Bitte um aktuelle Auskünfte über insgesamt 68 Schutzbereichs- und Wachenleiter der Polizei. Sie vertreten die Polizei verantwortlich vor Ort in herausgehobener Funktion. Diese Bitte um Auskunft hat die Stasi-Unterlagen-Behörde kürzlich aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Ich halte dieses Auskunftsersuchen nach wie vor für zulässig und werde dazu mit der Stasi-Unterlagen-Behörde das Gespräch suchen. Ich habe mich bereits gestern in Potsdam mit Roland Jahn getroffen, wir werden im Gespräch bleiben und ich hoffe, dass wir eine Lösung finden werden.
Welche Rechtsauffassung sich letztlich durchsetzt, wird sich zeigen. Bitte bedenken Sie: Auch wir gehen mit unseren durchaus weitreichenden Maßnahmen immer ein rechtliches Risiko ein. Die Stasi-Unterlagen-Behörde wird nicht müde, angebliche Versäumnisse im Land Brandenburg anzuprangern und eine verstärkte Aufarbeitung der Vergangenheit anzumahnen. Sie ist eine große Behörde mit über 1.600 Mitarbeitern und einem Jahresetat von 100 Mio. Euro, die sich mit nichts anderem befasst. Jetzt will und brauche ich als Innenminister ihre Hilfe – und kassiere eine Absage. Das ergibt für mich kein ganz glückliches Bild, um es einmal so auszudrücken. Auch die Stasi-Unterlagen-Behörde muss sich sagen lassen: Mehr Mut wäre gut!
Die Polizei des Landes Brandenburg hat in den letzten 20 Jahren eine gute Arbeit geleistet und sich das große Vertrauen der Brandenburger zu Recht erworben. Die aktuelle Diskussion ändert an diesem Befund nichts. Die Polizei steht nicht unter Generalverdacht, sie nimmt das selbst auch nicht so wahr, und einem solchen Generalverdacht würde ich als Innenminister auch als erster widersprechen.
Führen wir die notwendige Debatte um das Thema Polizei und Stasi also so, dass das Vertrauen in unsere Polizei gestärkt wird. Mit kritischer Offenheit, nachvollziehbaren Maßstäben und unter Berücksichtigung der historischen Umstände kann uns das gemeinsam gelingen.
Quelle: Ministerium des Innern
Im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe äußerte sich Innenminister Dietmar Woidke am 18. Mai 2011 in Potsdam zum Thema “Die Polizei, die Stasi und die DDR-Vergangenheit – Ein neues altes Thema?”
Den dort gehaltenen Beitrag können Sie hier nachlesen.
Die Polizei, die Stasi und die DDR-Vergangenheit
Beitrag von Innenminister Dr. Dietmar Woidke auf der gemeinsamen Veranstaltung mit der Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe “Die Polizei, die Stasi und die DDR-Vergangenheit – Ein neues altes Thema?” am 18. Mai 2011 in Potsdam.
Anrede,
Die Debatte, die wir heute hier führen, ist notwendig. Es ist auch notwendig, sie in aller Öffentlichkeit zu führen. Die Debatte liegt nicht zuletzt im Interesse der Polizei des Landes Brandenburg selbst.
Richtig ist auch, dass wir sie gemeinsam als Innenministerium mit unserer Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe durchführen. Ich sehe diese Debatte als Chance und ich meine, es gibt keinen Anlass dazu, vor ihr Angst zu haben. Wir müssen uns ihr stellen. Ich als Innenminister bin dazu bereit.
In dieser Debatte spielen verschiedene Interessen, Motive und Beweggründe eine Rolle. Deshalb möchte ich drei Punkte besonders betonen, die ich für erforderlich halte, um wirklich zu einem Fortschritt in der Sache zu kommen.
Erstens: Wir müssen diese Debatte ganz offen, streitbar, aber auch konstruktiv miteinander führen.
Zweitens: Es muss gelingen, in der Diskussion zu nachvollziehbaren und realitätstauglichen Kriterien zu kommen, an denen wir sowohl damalige, als auch heutige Verfahren und Entscheidungen zur Frage von Stasi-Belastungen in der Polizei messen können.
Und drittens: Es ist von allen Beteiligten auch zu fordern, dass sie zu dieser Debatte ohne Selbstgerechtigkeit und Geschichtsvergessenheit beitragen. Denn im Laufe von 20 Jahren waren viele, darunter alle Fraktionen des ersten Landtags Brandenburg, an Entscheidungen in dieser Frage beteiligt – und es geht nicht an, dass manche davon heute nichts mehr wissen wollen.
Eine so geführte Debatte ist nicht nur notwendig, sie kann uns auch gemeinsam nach vorne bringen. Ich sage als Innenminister ausdrücklich: Sie wird dann der Polizei des Landes und ihren Ansehen nicht nur nicht schaden, sondern ganz im Gegenteil nutzen. Davon bin ich überzeugt.
Ich weiß, dass es auch andere Stimmen gibt. Manche fragen, ob denn nicht nach 20 Jahren auch einmal Schluss sein muss mit dem Thema Stasi. Sie bezweifeln, ob es Sinn macht, diese angeblich alten Geschichten immer wieder hervorzukramen. Mehr oder weniger deutlich wird von einigen ein Schlussstrich gefordert. Ich sage dazu in aller Klarheit: Diese Schlussstrich-Debatte ist müßig. Und zwar schon allein deswegen, weil es in einer demokratischen und offenen Gesellschaft keine Instanz oder Autorität gibt, die einen solchen Schlussstrich verordnen könnte.
Deshalb kann es nicht darum gehen, ob wir diese Debatte auch 20 Jahre nach der Einheit noch führen wollen, sondern einzig und allein darum, wie und anhand welcher Kriterien wir dies tun.
Über die Grundsätze und Praxis der Überprüfungen in den 90er Jahren ist eben ausführlich gesprochen worden. Es gab damals einen breiten politischen Konsens im Land darüber, dass nicht jede vormalige Zugehörigkeit oder Tätigkeit für das MfS allein ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein sollte. Gewollt war vielmehr eine differenzierte Überprüfung aller Betroffenen auf der Grundlage einer Einzelfallbeurteilung. Diese Philosophie lag auch der Arbeit der so genannten Bischofskonferenz zugrunde.
Auch im Rückblick meine ich, dass dieser Anspruch richtig war. Neu an der heutigen Diskussion ist nicht, dass es in der Polizei Mitarbeiter gibt, die früher einmal auf die eine oder andere Weise für die DDR-Staatssicherheit tätig gewesen sind. Das ist seit den 90er Jahren bekannt und in Abständen immer wieder – auch öffentlich – diskutiert worden.
Unsere heutige Debatte hat sehr wohl eine Vorgeschichte. Ich widerspreche dem Eindruck, als würde Brandenburg erst heute damit anfangen – wie es manchmal etwas selbstgerecht heißt – “die DDR-Vergangenheit” aufzuarbeiten.
Ich habe gesagt, ich halte den grundsätzlichen Anspruch auf eine rechtsstaatliche, differenzierte und einzelfallbezogene Beurteilung der DDR-Vergangenheit für richtig, sehe es aber zugleich nicht als meine Aufgabe als heutiger Innenminister an, die Arbeit der damals tätigen Überprüfungsgremien und deren konkrete Entscheidungen rückblickend zu bewerten.
Ich bin Innenminister und kein Zeithistoriker. Und hier handelt es sich um ein abgeschlossenes Kapitel der Landesgeschichte, über das man selbstverständlich verschiedener Meinung sein kann. Dagegen ist nichts zu sagen. Hier werden sicherlich Historiker, Publizisten und auch die vom Landtag eingesetzte Enquetekommission auf Aufhellung und kritische Aufarbeitung sorgen. Auch das Innenministerium hat in eine Studie in Auftrag gegeben. Das alles kann nur hilfreich sein; ich begrüße dies ausdrücklich.
Aber niemand kann die Zeit 20 Jahre zurückdrehen. Und selbstverständlich wissen wir alle heute mehr über die Tätigkeit der Stasi als es damals der Fall war. Von dem heute viel besser erschlossenen Aktenbestand der Stasi-Unterlagen-Behörde einmal ganz abgesehen. Die Frage, was man damals möglicherweise hätte anders machen sollen oder können, ist daher zwar durchaus von Interesse, aber letztlich ebenfalls müßig, weil sie uns bei den heutigen Herausforderungen, vor denen wir im Umgang mit dem schwierigen Thema stehen, nicht weiterbringt.
Von aktueller Bedeutung sind für mich als Innenminister dagegen die Auswirkungen der damaligen Übernahmen in den Landesdienst und anschließenden Überprüfungen auf Stasi-Mitarbeit.
Betroffene, Medien und die Öffentlichkeit fordern Auskünfte und Antworten. Sie tun das mit Recht. Ich habe zugesagt, mich nicht nur der Debatte dazu zu stellen, sondern auch den notwendigen Konsequenzen. Und ich bin bereit, diese Zusage einzulösen.
Es muss uns – gerade auch im Interesse der Polizei – gelingen, diese Debatte sachlich und anhand klarer Maßstäbe zu führen. Ich sehe dazu keine vernünftige Alternative. Die Alternative ist, dass uns das Gespenst der Stasi in den kommenden Jahren immer wieder und an neuen Stellen verfolgen wird, und dann erneut allgemeine Überraschung und Empörung ausbricht. Deshalb sage ich: Wir brauchen jetzt den Mut zu Wahrheit und Klarheit.
Wir brauchen ihn auch deshalb, weil die Polizei nicht irgendein Teil der öffentlichen Verwaltung ist. Die Polizei verkörpert das staatliche Gewaltmonopol. Kein anderer Teil der öffentlichen Verwaltung darf im Rahmen ihrer Befugnisse so massiv und auch unter Anwendung unmittelbaren Zwangs in Rechte Dritter, also der Bürger, eingreifen. Deshalb sind an die Tätigkeit und die Integrität der Polizei besonders hohe Maßstäbe anzulegen. Ich denke, das versteht sich von selbst.
Die Bürger wollen und sollen ihrer Polizei vertrauen können. Und dieses Vertrauen hat Voraussetzungen. Mir geht es darum, das Ansehen der Polizei des Landes zu schützen.
Genau deshalb werde ich beides tun: Ich werde erstens dort, wo es notwendig ist, klare Konsequenzen ziehen – auch in dienstlicher und personeller Hinsicht. Ich habe dies bereits mehrfach in den letzten Wochen getan. Und ich werde das auch in Zukunft tun, wenn ich dazu Anlass habe.
Und ich werde zweitens die Polizei und ihre Mitarbeiter immer dann in Schutz nehmen, wenn sie sich unbegründeten Vorwürfen ausgesetzt sieht. Beides gehört zusammen. Beides wird dazu führen, einen gangbaren und von der Öffentlichkeit breit akzeptierten Weg zu finden. Denn breite gesellschaftliche Akzeptanz ist unabdingbar. Die Polizei steht nicht für sich allein – sie steht im Dienst aller Bürgerinnen und Bürger des Landes Brandenburg und damit mitten in der Gesellschaft.
Ich bin heute konkret damit konfrontiert, dass es Beamte in der Polizei gibt, die ihrem Dienstherren bisher entweder erwiesenermaßen oder aber mutmaßlich die Unwahrheit über ihre Tätigkeit für die DDR-Staatssicherheit gesagt haben.
In diesen Fällen bleibt mir als Innenminister gar nichts anderes übrig, als zu handeln. Kein Dienstherr kann ein solches Verhalten tolerieren. Weder im Fall der Stasi, noch in anderen gravierenden Fällen.
Auch die Überprüfungen in den 90er Jahren basierten immer auf dem Grundsatz, dass die Beamten gegenüber ihrem Dienstherren wahrheitsgemäße Angaben machen mussten. Das war die Grundlage für alles weitere, also eine faire und differenzierte Prüfung im Einzelfall. Jedem Beamten war und ist bewusst, was es bedeutet, seinen Dienstherrn anzulügen. Ich sage das einmal so deutlich.
Das war vor 20 Jahren nicht akzeptabel und das ist heute auch nicht akzeptabel. Vertrauen setzt Ehrlichkeit voraus, und wo es daran mangelt, ist das Vertrauen zerstört. Der Dienstherr steht in allen diesen Fällen für das Land Brandenburg, und dieses wiederum für alle seine Bürgerinnen und Bürger. Und ein Beamter darf die Bürger, denen er zu dienen hat, nicht anlügen. Er verliert damit den Anspruch auf Vertrauen. Das ist ein ganz einfacher Grundsatz. Und nach diesem bin ich bislang verfahren und werde ich auch in Zukunft verfahren.
Auch anderen gegenüber, die damals ihre Tätigkeit für das MfS offengelegt haben und deswegen aus dem Landesdienst entfernt wurden, wäre es nicht fair, wenn 20 Jahre später in derselben Sache plötzlich ganz andere Maßstäbe gelten sollten. Und rechtsstaatlich wäre das auch nicht zu begründen.
Ich bin zur Aufklärung bereit. Unerwartet sehe ich mich aber mit Problemen und Hindernissen konfrontiert, die uns eine solche umfassende und rechtsstaatlich einwandfreie Prüfung wesentlich erschweren.
Ich habe mich vor einiger Zeit an die Stasi-Unterlagen-Behörde gewandt mit der Bitte um aktuelle Auskünfte über insgesamt 68 Schutzbereichs- und Wachenleiter der Polizei. Sie vertreten die Polizei verantwortlich vor Ort in herausgehobener Funktion. Diese Bitte um Auskunft hat die Stasi-Unterlagen-Behörde kürzlich aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Ich halte dieses Auskunftsersuchen nach wie vor für zulässig und werde dazu mit der Stasi-Unterlagen-Behörde das Gespräch suchen. Ich habe mich bereits gestern in Potsdam mit Roland Jahn getroffen, wir werden im Gespräch bleiben und ich hoffe, dass wir eine Lösung finden werden.
Welche Rechtsauffassung sich letztlich durchsetzt, wird sich zeigen. Bitte bedenken Sie: Auch wir gehen mit unseren durchaus weitreichenden Maßnahmen immer ein rechtliches Risiko ein. Die Stasi-Unterlagen-Behörde wird nicht müde, angebliche Versäumnisse im Land Brandenburg anzuprangern und eine verstärkte Aufarbeitung der Vergangenheit anzumahnen. Sie ist eine große Behörde mit über 1.600 Mitarbeitern und einem Jahresetat von 100 Mio. Euro, die sich mit nichts anderem befasst. Jetzt will und brauche ich als Innenminister ihre Hilfe – und kassiere eine Absage. Das ergibt für mich kein ganz glückliches Bild, um es einmal so auszudrücken. Auch die Stasi-Unterlagen-Behörde muss sich sagen lassen: Mehr Mut wäre gut!
Die Polizei des Landes Brandenburg hat in den letzten 20 Jahren eine gute Arbeit geleistet und sich das große Vertrauen der Brandenburger zu Recht erworben. Die aktuelle Diskussion ändert an diesem Befund nichts. Die Polizei steht nicht unter Generalverdacht, sie nimmt das selbst auch nicht so wahr, und einem solchen Generalverdacht würde ich als Innenminister auch als erster widersprechen.
Führen wir die notwendige Debatte um das Thema Polizei und Stasi also so, dass das Vertrauen in unsere Polizei gestärkt wird. Mit kritischer Offenheit, nachvollziehbaren Maßstäben und unter Berücksichtigung der historischen Umstände kann uns das gemeinsam gelingen.
Quelle: Ministerium des Innern
Im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe äußerte sich Innenminister Dietmar Woidke am 18. Mai 2011 in Potsdam zum Thema “Die Polizei, die Stasi und die DDR-Vergangenheit – Ein neues altes Thema?”
Den dort gehaltenen Beitrag können Sie hier nachlesen.
Die Polizei, die Stasi und die DDR-Vergangenheit
Beitrag von Innenminister Dr. Dietmar Woidke auf der gemeinsamen Veranstaltung mit der Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe “Die Polizei, die Stasi und die DDR-Vergangenheit – Ein neues altes Thema?” am 18. Mai 2011 in Potsdam.
Anrede,
Die Debatte, die wir heute hier führen, ist notwendig. Es ist auch notwendig, sie in aller Öffentlichkeit zu führen. Die Debatte liegt nicht zuletzt im Interesse der Polizei des Landes Brandenburg selbst.
Richtig ist auch, dass wir sie gemeinsam als Innenministerium mit unserer Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe durchführen. Ich sehe diese Debatte als Chance und ich meine, es gibt keinen Anlass dazu, vor ihr Angst zu haben. Wir müssen uns ihr stellen. Ich als Innenminister bin dazu bereit.
In dieser Debatte spielen verschiedene Interessen, Motive und Beweggründe eine Rolle. Deshalb möchte ich drei Punkte besonders betonen, die ich für erforderlich halte, um wirklich zu einem Fortschritt in der Sache zu kommen.
Erstens: Wir müssen diese Debatte ganz offen, streitbar, aber auch konstruktiv miteinander führen.
Zweitens: Es muss gelingen, in der Diskussion zu nachvollziehbaren und realitätstauglichen Kriterien zu kommen, an denen wir sowohl damalige, als auch heutige Verfahren und Entscheidungen zur Frage von Stasi-Belastungen in der Polizei messen können.
Und drittens: Es ist von allen Beteiligten auch zu fordern, dass sie zu dieser Debatte ohne Selbstgerechtigkeit und Geschichtsvergessenheit beitragen. Denn im Laufe von 20 Jahren waren viele, darunter alle Fraktionen des ersten Landtags Brandenburg, an Entscheidungen in dieser Frage beteiligt – und es geht nicht an, dass manche davon heute nichts mehr wissen wollen.
Eine so geführte Debatte ist nicht nur notwendig, sie kann uns auch gemeinsam nach vorne bringen. Ich sage als Innenminister ausdrücklich: Sie wird dann der Polizei des Landes und ihren Ansehen nicht nur nicht schaden, sondern ganz im Gegenteil nutzen. Davon bin ich überzeugt.
Ich weiß, dass es auch andere Stimmen gibt. Manche fragen, ob denn nicht nach 20 Jahren auch einmal Schluss sein muss mit dem Thema Stasi. Sie bezweifeln, ob es Sinn macht, diese angeblich alten Geschichten immer wieder hervorzukramen. Mehr oder weniger deutlich wird von einigen ein Schlussstrich gefordert. Ich sage dazu in aller Klarheit: Diese Schlussstrich-Debatte ist müßig. Und zwar schon allein deswegen, weil es in einer demokratischen und offenen Gesellschaft keine Instanz oder Autorität gibt, die einen solchen Schlussstrich verordnen könnte.
Deshalb kann es nicht darum gehen, ob wir diese Debatte auch 20 Jahre nach der Einheit noch führen wollen, sondern einzig und allein darum, wie und anhand welcher Kriterien wir dies tun.
Über die Grundsätze und Praxis der Überprüfungen in den 90er Jahren ist eben ausführlich gesprochen worden. Es gab damals einen breiten politischen Konsens im Land darüber, dass nicht jede vormalige Zugehörigkeit oder Tätigkeit für das MfS allein ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein sollte. Gewollt war vielmehr eine differenzierte Überprüfung aller Betroffenen auf der Grundlage einer Einzelfallbeurteilung. Diese Philosophie lag auch der Arbeit der so genannten Bischofskonferenz zugrunde.
Auch im Rückblick meine ich, dass dieser Anspruch richtig war. Neu an der heutigen Diskussion ist nicht, dass es in der Polizei Mitarbeiter gibt, die früher einmal auf die eine oder andere Weise für die DDR-Staatssicherheit tätig gewesen sind. Das ist seit den 90er Jahren bekannt und in Abständen immer wieder – auch öffentlich – diskutiert worden.
Unsere heutige Debatte hat sehr wohl eine Vorgeschichte. Ich widerspreche dem Eindruck, als würde Brandenburg erst heute damit anfangen – wie es manchmal etwas selbstgerecht heißt – “die DDR-Vergangenheit” aufzuarbeiten.
Ich habe gesagt, ich halte den grundsätzlichen Anspruch auf eine rechtsstaatliche, differenzierte und einzelfallbezogene Beurteilung der DDR-Vergangenheit für richtig, sehe es aber zugleich nicht als meine Aufgabe als heutiger Innenminister an, die Arbeit der damals tätigen Überprüfungsgremien und deren konkrete Entscheidungen rückblickend zu bewerten.
Ich bin Innenminister und kein Zeithistoriker. Und hier handelt es sich um ein abgeschlossenes Kapitel der Landesgeschichte, über das man selbstverständlich verschiedener Meinung sein kann. Dagegen ist nichts zu sagen. Hier werden sicherlich Historiker, Publizisten und auch die vom Landtag eingesetzte Enquetekommission auf Aufhellung und kritische Aufarbeitung sorgen. Auch das Innenministerium hat in eine Studie in Auftrag gegeben. Das alles kann nur hilfreich sein; ich begrüße dies ausdrücklich.
Aber niemand kann die Zeit 20 Jahre zurückdrehen. Und selbstverständlich wissen wir alle heute mehr über die Tätigkeit der Stasi als es damals der Fall war. Von dem heute viel besser erschlossenen Aktenbestand der Stasi-Unterlagen-Behörde einmal ganz abgesehen. Die Frage, was man damals möglicherweise hätte anders machen sollen oder können, ist daher zwar durchaus von Interesse, aber letztlich ebenfalls müßig, weil sie uns bei den heutigen Herausforderungen, vor denen wir im Umgang mit dem schwierigen Thema stehen, nicht weiterbringt.
Von aktueller Bedeutung sind für mich als Innenminister dagegen die Auswirkungen der damaligen Übernahmen in den Landesdienst und anschließenden Überprüfungen auf Stasi-Mitarbeit.
Betroffene, Medien und die Öffentlichkeit fordern Auskünfte und Antworten. Sie tun das mit Recht. Ich habe zugesagt, mich nicht nur der Debatte dazu zu stellen, sondern auch den notwendigen Konsequenzen. Und ich bin bereit, diese Zusage einzulösen.
Es muss uns – gerade auch im Interesse der Polizei – gelingen, diese Debatte sachlich und anhand klarer Maßstäbe zu führen. Ich sehe dazu keine vernünftige Alternative. Die Alternative ist, dass uns das Gespenst der Stasi in den kommenden Jahren immer wieder und an neuen Stellen verfolgen wird, und dann erneut allgemeine Überraschung und Empörung ausbricht. Deshalb sage ich: Wir brauchen jetzt den Mut zu Wahrheit und Klarheit.
Wir brauchen ihn auch deshalb, weil die Polizei nicht irgendein Teil der öffentlichen Verwaltung ist. Die Polizei verkörpert das staatliche Gewaltmonopol. Kein anderer Teil der öffentlichen Verwaltung darf im Rahmen ihrer Befugnisse so massiv und auch unter Anwendung unmittelbaren Zwangs in Rechte Dritter, also der Bürger, eingreifen. Deshalb sind an die Tätigkeit und die Integrität der Polizei besonders hohe Maßstäbe anzulegen. Ich denke, das versteht sich von selbst.
Die Bürger wollen und sollen ihrer Polizei vertrauen können. Und dieses Vertrauen hat Voraussetzungen. Mir geht es darum, das Ansehen der Polizei des Landes zu schützen.
Genau deshalb werde ich beides tun: Ich werde erstens dort, wo es notwendig ist, klare Konsequenzen ziehen – auch in dienstlicher und personeller Hinsicht. Ich habe dies bereits mehrfach in den letzten Wochen getan. Und ich werde das auch in Zukunft tun, wenn ich dazu Anlass habe.
Und ich werde zweitens die Polizei und ihre Mitarbeiter immer dann in Schutz nehmen, wenn sie sich unbegründeten Vorwürfen ausgesetzt sieht. Beides gehört zusammen. Beides wird dazu führen, einen gangbaren und von der Öffentlichkeit breit akzeptierten Weg zu finden. Denn breite gesellschaftliche Akzeptanz ist unabdingbar. Die Polizei steht nicht für sich allein – sie steht im Dienst aller Bürgerinnen und Bürger des Landes Brandenburg und damit mitten in der Gesellschaft.
Ich bin heute konkret damit konfrontiert, dass es Beamte in der Polizei gibt, die ihrem Dienstherren bisher entweder erwiesenermaßen oder aber mutmaßlich die Unwahrheit über ihre Tätigkeit für die DDR-Staatssicherheit gesagt haben.
In diesen Fällen bleibt mir als Innenminister gar nichts anderes übrig, als zu handeln. Kein Dienstherr kann ein solches Verhalten tolerieren. Weder im Fall der Stasi, noch in anderen gravierenden Fällen.
Auch die Überprüfungen in den 90er Jahren basierten immer auf dem Grundsatz, dass die Beamten gegenüber ihrem Dienstherren wahrheitsgemäße Angaben machen mussten. Das war die Grundlage für alles weitere, also eine faire und differenzierte Prüfung im Einzelfall. Jedem Beamten war und ist bewusst, was es bedeutet, seinen Dienstherrn anzulügen. Ich sage das einmal so deutlich.
Das war vor 20 Jahren nicht akzeptabel und das ist heute auch nicht akzeptabel. Vertrauen setzt Ehrlichkeit voraus, und wo es daran mangelt, ist das Vertrauen zerstört. Der Dienstherr steht in allen diesen Fällen für das Land Brandenburg, und dieses wiederum für alle seine Bürgerinnen und Bürger. Und ein Beamter darf die Bürger, denen er zu dienen hat, nicht anlügen. Er verliert damit den Anspruch auf Vertrauen. Das ist ein ganz einfacher Grundsatz. Und nach diesem bin ich bislang verfahren und werde ich auch in Zukunft verfahren.
Auch anderen gegenüber, die damals ihre Tätigkeit für das MfS offengelegt haben und deswegen aus dem Landesdienst entfernt wurden, wäre es nicht fair, wenn 20 Jahre später in derselben Sache plötzlich ganz andere Maßstäbe gelten sollten. Und rechtsstaatlich wäre das auch nicht zu begründen.
Ich bin zur Aufklärung bereit. Unerwartet sehe ich mich aber mit Problemen und Hindernissen konfrontiert, die uns eine solche umfassende und rechtsstaatlich einwandfreie Prüfung wesentlich erschweren.
Ich habe mich vor einiger Zeit an die Stasi-Unterlagen-Behörde gewandt mit der Bitte um aktuelle Auskünfte über insgesamt 68 Schutzbereichs- und Wachenleiter der Polizei. Sie vertreten die Polizei verantwortlich vor Ort in herausgehobener Funktion. Diese Bitte um Auskunft hat die Stasi-Unterlagen-Behörde kürzlich aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Ich halte dieses Auskunftsersuchen nach wie vor für zulässig und werde dazu mit der Stasi-Unterlagen-Behörde das Gespräch suchen. Ich habe mich bereits gestern in Potsdam mit Roland Jahn getroffen, wir werden im Gespräch bleiben und ich hoffe, dass wir eine Lösung finden werden.
Welche Rechtsauffassung sich letztlich durchsetzt, wird sich zeigen. Bitte bedenken Sie: Auch wir gehen mit unseren durchaus weitreichenden Maßnahmen immer ein rechtliches Risiko ein. Die Stasi-Unterlagen-Behörde wird nicht müde, angebliche Versäumnisse im Land Brandenburg anzuprangern und eine verstärkte Aufarbeitung der Vergangenheit anzumahnen. Sie ist eine große Behörde mit über 1.600 Mitarbeitern und einem Jahresetat von 100 Mio. Euro, die sich mit nichts anderem befasst. Jetzt will und brauche ich als Innenminister ihre Hilfe – und kassiere eine Absage. Das ergibt für mich kein ganz glückliches Bild, um es einmal so auszudrücken. Auch die Stasi-Unterlagen-Behörde muss sich sagen lassen: Mehr Mut wäre gut!
Die Polizei des Landes Brandenburg hat in den letzten 20 Jahren eine gute Arbeit geleistet und sich das große Vertrauen der Brandenburger zu Recht erworben. Die aktuelle Diskussion ändert an diesem Befund nichts. Die Polizei steht nicht unter Generalverdacht, sie nimmt das selbst auch nicht so wahr, und einem solchen Generalverdacht würde ich als Innenminister auch als erster widersprechen.
Führen wir die notwendige Debatte um das Thema Polizei und Stasi also so, dass das Vertrauen in unsere Polizei gestärkt wird. Mit kritischer Offenheit, nachvollziehbaren Maßstäben und unter Berücksichtigung der historischen Umstände kann uns das gemeinsam gelingen.
Quelle: Ministerium des Innern