Hüpft ein Kind unbesorgt durch den Tag. Schreitet ein alt gewordener Mensch zu seinen Traum von Unbeschwertheit. So leben beide in ihren Gedanken frei, im Rhythmus des Alltäglichen. In diesen Zusammenläufen sind viele prosaische Mitteilungen aus dem Inneren unserer Gefühlslage versteckt. Früher hätte man gesagt im inneren unserer Seele beherbergt. Dies sind Augenblicke des Innehaltens. Festhalten von Geburtswehen, von Angst vor den Schulzeugnissen, Erinnerung an den ersten Zungenkuss, die Freude auf ein gutes Essen und dem Spaziergang in der Sonne, Freude und Ängste des Versagens. Besser sein als der Erfolgreiche. Karriereorientierte Menschen fürchten sich vor dem Weg zum Jobcenter. Erniedrigungen und Geringschätzungen finden Platz auf der Couch des Psychiaters. Tagtäglichkeiten. Aber es soll noch etwas Besonderes geben was man ergründen kann. Man muss sich dafür öffnen, um mit Ihr ins Gespräch zukommen. Das ist die Poesie. Sie ist die Kunst, die täglichen Wahrnehmungen in Gedichte zu fassen.
Gedankendichtungen kann man auf dem Handy oder auf dem PC schreiben. Man kann auch ein Blatt Papier und ein Bleistift dazu nehmen. Es soll sie noch geben – die Gedichteschreiber. Diese begnadeten Wortakrobaten, die den Mut haben, eine waghalsige Luftrolle aus ihrer Sinnesfreude heraus für alle spürbar darzubieten.
Oft höre ich aber auch die Frage: Wer braucht heutzutage noch die Dichtkunst. Gedichte schreiben nur Träumer Schwärmer oder Wolkenverschieber. Deshalb braucht sie keiner ernst zu nehmen, sagen die Leute. Wofür brauchen wir Verseschreiber. Der Mensch braucht Nahrung. Von Gedichten ist ja noch niemand satt geworden. Wer braucht schon Lyrik zum Leben. Bei Ehrentagen ist es schon mal ganz nett, wenn da ein kurzes Gedicht vorgelesen wird. Ein wenig lustig sollte es schon sein. Ist es nicht süß, wenn der Enkel zu Opas 70-sten Geburtstag sein selbst geschriebenes Gedicht vorliest. Alle säuseln gerührt: Das Kind wird ein berühmter Dichter. Sie klatschen Beifall. So kann es sich ereignen, dass diese Belustigung der Gäste die erste Plattform für einen Nachwuchslyriker darstellt. Solange die Verse zur Erheiterung beitragen, wird es auch Applaus geben. Ich weiß noch aus eigener Erfahrung wie es war, wenn ich in meinem Bekanntenkreis außerhalb der genannten Gelegenheiten einige neue Verse vorstellen wollte. Sehr oft bekam ich nach dem zweiten Gedicht zu hören: Leider haben wir heute noch etwas Wichtigeres zu tun. Wenn mal mehr Zeit ist, dann werden wir dir zuhören. Ich soll nicht böse sein. Wir wussten schon immer, dass du ein richtiger Dichter bist. Dabei lächelten sie mitleidig. Viele von meinen Verwandten und Bekannten fanden jedoch nie die Zeit, sich meine Verse anzuhören.
Richtiger Dichter. Was ist das? Gibt es wirklich den richtigen Dichter. Ist es der Mensch, der das tägliche Verlangen in sich spürt, sein Vorhandensein in Verse zu fassen? Der Weg bis dahin ist nicht geradlinig. Viele schöne und auch weniger angenehme Lebensmomente fließen in die Wortzeilen hinein. Wer daran arbeitet dies zu beherrschen, verfügt in meinen Augen über einen ganz besonderen Schatz.
Lyrik, das ist für mich auch die kleine Blume im Knopfloch. Wer steckt sich schon noch eine Blume ins Knopfloch seiner Jacke und wer liest noch gern selbst Gedichte. Jedes Kraut, jedes Gras, jede Blüte am Wegesrand ist für mich Lyrik.
Ich freue mich auf das Lyrikfest am 6.9.2014 in Senftenberg. Von 14:00 Uhr bis ca. 20:00Uhr werden im Senftenberger Kultur- und Freizeitzentrum “Pegasus” über 20 Wortakrobaten darüber berichten, was sie täglich dazu bewegt, ihre Gedankenwelten in Verse zu fassen.
Wolfgang Wache