Das Bundeskabinett hat in seiner heutigen Sitzung den Gesetzesentwurf zum Strukturstärkungsgesetz für die Kohlregionen (Lausitz, Mitteldeutsches Revier und Rheinisches Revier) beschlossen. “Der Bund unterstützt den Strukturwandel in den Kohleregionen bis 2038 mit bis zu 40 Milliarden Euro. Ziel ist es, den Kohleregionen im Zuge des schrittweisen Ausstiegs aus der Kohle neue Chancen für eine nachhaltige Wirtschaft mit hochwertiger Beschäftigung zu eröffnen.” heißt es von der Bundesregierung.
Die Handelskammern fordern zur rechtlichen Absicherung der Finanzhilfen einen Staatsvertrag, der unabhängig von wechselnen Regierungskoalitionen im Bund bestehen bleibt. Insgesamt geht es um 40 Milliarden Euro für die vier Kohleländer. Davon sind 25,8 Prozent (10,32 Milliarden Euro) für die betroffenen Brandenburger Landkreise und die kreisfreie Stadt Cottbus vorgesehen. Von diesen 10,32 Milliarden Euro soll Brandenburg 3,612 Milliarden Euro zur eigenen Verwendung und im Rahmen genau definierter Inhalte erhalten. Der größere Anteil – 6,708 Milliarden Euro – ist in den jeweiligen Bundesministerien für Investitionen in Brandenburg vorgesehen. Dazu gehören zum Beispiel Ausbau und Elektrifizierung der Bahnstrecken Lübbenau – Cottbus und Cottbus – Forst, Ausbau Bahnknoten Königs-Wusterhausen, sechsspuriger Ausbau der A 13 vom Dreieck Schönfeld bis zum Anschluss Spreewalddreieck sowie zahlreiche Ortsumfahrungen wie z. B. Cottbus B 97 oder B 101 / B 169 Elsterwerda. Auch die Finanzierung der universitären Medizinerausbildung am Carl-Thiem-Klinikum Cottbus ist möglich. Diese Medizinerausbildung soll unter anderem eng mit der bestehenden MHB in Neuruppin kooperieren. Auch das in Cottbus vorgesehene Next Generation Hospital kann aus den Mitteln finanziert werden.
Auch die Allgemeinheit profitiert
Grundlage bilden die im Frühjahr dieses Jahres vorgelegten Empfehlungen der Kommission “Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung” und die daraus von der Bundesregierung extrahierten Eckpunkte. Kern des Gedankens ist es, die betroffenen Regionen die Last der Veränderungen nicht allein tragen zu lassen. Schließlich profitieren alle Menschen bundesweit vom für den Klima- und Naturschutz so wichtigen Kohleausstieg.
Für besonders bedeutsame Investitionen erhalten die Braunkohlereviere bis 2038 vom Bund Finanzhilfen von bis zu 14 Milliarden Euro. Die Mittel teilen sich auf in 43 Prozent für das Lausitzer Revier, 37 Prozent für das Rheinische Revier und 20 Prozent für das Mitteldeutsche Revier. Sie können von den Ländern genutzt werden, um dort in wirtschaftsnahe Infrastruktur, öffentlichen Nahverkehr, Breitband- und Mobilitätsinfrastruktur oder Umweltschutz und Landschaftspflege zu investieren. Die Länder leisten hierbei den durch das Grundgesetz vorgeschriebenen Eigenanteil. Nach dem Vorbild der EU-Regionalpolitik werden die Finanzhilfen in mehrjährige Förderperioden aufgeteilt. Alle Maßnahmen für die Lausitz haben wir hier aufgelistet.
Mittelverwaltung wird überprüft
Der Bund ist berechtigt und verpflichtet, die Mittelverwendung durch die Länder in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Dies gilt vor allem mit Blick auf die Erreichung des Hauptziels: Die Kompensation wegfallender Wertschöpfung und Arbeitsplätze.
Mit gut einer Milliarde Euro können außerdem strukturschwache Standorte von Steinkohlekraftwerken und das ehemalige Braunkohlerevier Helmstedt eine Förderung erfahren. Förderfähig sind hier neben Helmstedt Wilhelmshaven, Unna, Hamm, Herne, Duisburg, Gelsenkirchen, Rostock, Saarlouis und Saarbrücken.
Forschungs- und Förderprogramme geplant
Darüber hinaus investiert der Bund 26 Milliarden Euro in Forschungs- und sonstige Förderprogramme vor Ort und unterstützt damit die Regionen. Geplant ist die Ansiedelung von Bundeseinrichtungen in den Revieren an. dadurch sollen bis zu 5.000 Arbeitsplätze erhalten beziehungsweise neu geschaffen werden. Zudem soll die Verkehrsinfrastruktur stärker und schneller verbessert werden. In der Lausitz sollen sich an der BTU Cottbus-Senftenberg und der Hochschule Zittau-Görlitz verschiedene Forschungsinstitute der Helmholtz-Gesellschaft, Fraunhofer und des DLR ansiedeln.
Auch Planungsbeschleunigung vorgesehen
Es werden zunächst besonders relevante und damit prioritäre Projekte realisiert. Diese haben die Länder in enger Abstimmung mit den betroffenen Bundesministerien bereits ausgemacht. Auch Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung sind vorgesehen.
Modellregionen fördern
Ergänzend wird die Bundesregierung die Braunkohlereviere als Modellregionen fördern. Herauszustellen sind dabei ihre treibhausneutrale, ressourceneffiziente und nachhaltige Entwicklung. Cottbus wird beispielsweise Modellregion für Wasserstoff, dafür soll Cottbusverkehr die Einsatzmöglichkeiten im ÖPNV erproben, im Industriepark Schwarze Pumpe entsteht ein Wasserstoffspeicherkraftwerk, welches nach der Pilotphase auf bisherige Braunkohlekraftwerke übertragen werden und so viele der Arbeitsplätze in den Kraftwerken sichern soll. Weiterhin sind energieneutrale Wohnquartiere geplant.
Reaktionen:
Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Dietmar Woidke: „Das ist die entscheidende Voraussetzung, um in der Lausitz und den anderen Kohleregionen die notwendigen Investitionen voranzubringen. Die Menschen in den Revieren wollen keine schönen Reden, sondern klares Handeln. Ich freue mich, dass es vorwärtsgeht. Das, was wir herausverhandelt haben und jetzt beschlossen wurde, muss Bestand haben. Aber einen Zusatz brauchen wir noch: Einen Staatsvertrag zwischen Ländern und dem Bund, damit niemand mehr ausbüchsen kann.“ Sehr positiv bewertet Woidke die Festlegung in dem Gesetz, dass Einrichtungen des Bundes mit rund 5.000 Beschäftigten in den vom Strukturwandel betroffenen Regionen angesiedelt oder ausgebaut werden sollen, so zum Beispiel die Bundesknappschaft in Cottbus. Er begrüßt, dass im Rahmen der Strukturstärkung auch die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden sollen, um Planung und Bau von Bahn und Bundesstraßen zu beschleunigen. Woidke weiter: „Ich gehe davon aus, dass sich der Bundestag kurzfristig mit dem Gesetz befassen wird, sodass wir im Schulterschluss mit den Kommunen ab Januar 2020 starten und die Projekte umsetzen können. Ich danke allen, die mitgekämpft haben. Es hat sich gelohnt. Die Lausitz hat jetzt eine historisch einmalige Chance. Wir wollen sie gemeinsam nutzen. Ein starkes Brandenburg braucht eine starke Lausitz. Und ich setze mich dafür ein, dass die Lausitz eine Industrie- und Energieregion bleibt, als ´Europäische Modellregion für Klimaschutz und Wirtschaftswachstum“.
Vorsitzender der Brandenburger CDU Ingo Senftleben: „Die Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben erledigt und den gesetzlichen Rahmen für die Strukturentwicklung geschaffen. Damit hat die Lausitz jetzt eine riesige Chance, die Zukunft zu ihrem Vorteil zu gestalten. Darauf können wir uns aber nicht ausruhen. Gute Entscheidungen reichen nicht, die Menschen wollen gute Taten sehen. Das bedeutet auch, dass wir dieses Gesetz nicht nur im Bundestag beraten, sondern auch vor Ort den Menschen vorstellen und mit ihnen besprechen. Erst wenn man in der Lausitz spürt, dass die Strukturentwicklung beginnt, werden wir Vertrauen in den Braunkohleausstieg gewinnen können. Die Auswirkungen des Kohleausstiegs werden die Städte und Dörfer in der Region zuallererst zu spüren bekommen. Sie müssen stärker finanziell berücksichtigt werden. Um den Prozess erfolgreich gestalten zu können, müssen wir Einnahmeausfälle ausgleichen und den Kommunen finanzielle Spielräume schaffen. Nur wenn das gesellschaftliche Leben vor Ort keine Nachteile erfährt, werden wir die Strukturentwicklung meistern.“
Marcus Tolle, Hauptgeschäftsführer der IHK Cottbus: „Für die Entstehung neuer Wertschöpfungsketten und der Sicherung von Arbeitsplätzen wird eine professionelle Investorenakquisition benötigt. Durch den Strukturwandel betroffene Unternehmen sollten durch eine innovative Beratung bei der Internationalisierung unterstützt werden. Positiv sind die Vielzahl an Infrastrukturprojekten und die Sonderabschreibungsregel zu bewerten. Dennoch befürchten wir, dass das Land Brandenburg und seine Kommunen den zehnprozentigen Eigenanteil nicht leisten können und somit wichtige Projekte in Gefahr wären.”
Dr. Detlef Hamann, Hauptgeschäftsführer der IHK Dresden: „Nach unserer Auffassung wird der nun beschlossene Gesetzentwurf im kommenden parlamentarischen Verfahren noch an einigen Stellen nachjustiert werden müssen. Vor allem erwarten wir noch Verbesserungen und Konkretisierungen des Gesetzes hinsichtlich der Entwicklung von Bestandsunternehmen in den Revieren. Auf der anderen Seite sind die enthaltenen Sonderabschreibungsregeln und die beabsichtigte proaktive Unternehmensberatung positiv hervorzuheben. Weitere regulative und abgabenseitige Entlastungen und Freiräume für die regionale Unternehmerschaft sind dennoch erforderlich.“
Torsten K. Bork, Geschäftsführer der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH: „Ein guter Tag für die Lausitz. Der heute vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzesentwurf gibt den Menschen in der Lausitz Zuversicht für eine erfolgreiche Zukunft und gelungene Strukturentwicklung. Die Politik hat Wort gehalten und wieder die notwendigen Pflöcke eingeschlagen. Die Wirtschaftsregion Lausitz unterstützt weiterhin das Vorgehen der politischen Landes- und Bundesakteure uneingeschränkt und in jeder Hinsicht. Wir werden den Austausch und die Zusammenarbeit mit allen Partnern verstetigen und dabei unserer Wirtschaftsregion Lausitz mit innovativen Ideen, nachhaltigen Konzepten zu neuen wirtschaftlichen Perspektiven führen. Das sind wir unseren Kindern und den nachfolgenden Generationen schuldig.“