Mehrere Initiativen vom Braunkohlentagebau betroffener Bürger aus der Lausitz haben zehn gemeinsame Fragen an die Bundestags-Direktkandidaten der Region formuliert.
„In der nächsten Legislaturperiode besteht die Möglichkeit, das Bundesberggesetz zu novellieren und dabei die Rechte der Betroffenen zu stärken.“ heißt es in dem Schreiben. Solche Änderungen könnten beispielsweise die Rechtsposition am Rand des Tagebaues beeinträchtigter Dörfer, die Finanzierung jahrzehntelanger Folgeschäden des Bergbaus sowie die Enteignungsregelungen des Gesetzes betreffen.
„Das bisherige Berggesetz hinterlässt berechtigte Zweifel an der Ergebnisoffenheit der aktuellen Tagebau-Planverfahren. Von den Kandidaten fordern wir Initiativen, in das Gesetz die bisher unberücksichtigten sozialen und ökologischen Konsequenzen aufzunehmen.“ sagt Thomas Burchardt, Sprecher der Bürgerinitiative „Klinger Runde“.
Auch nach ihrer Sicht auf die aktuelle Situation des Vattenfall-Konzerns in der Lausitz werden die Kandidaten befragt.
Der Wortlaut des Briefes ist weiter unten zu finden. Er wurde an die Direktkandidaten der Wahlkreise 64 (Cottbus / Landkreis Spree-Neiße) und 157 (Landkreis Görlitz) versandt, in denen der überwiegende Anteil des aktiven Bergbaus in der Lausitz stattfindet.
Die Fragen wurden gemeinsam gestellt vom Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit der Agenda 21 der Gemeinde Schenkendöbern, der Allianz für Welzow, der Klinger Runde, dem Lebenswerte Lausitz e.V., dem Pro Heimat e.V., dem Bündnis „Strukturwandel jetzt – kein Nochten II“ aus Nordsachsen sowie der Umweltgruppe Cottbus e.V.
Wortlaut des Briefes:
Sehr geehrter Herr/ Sehr geehrte Frau (…)
am 22. September wünschen Sie sich als Kandidatin / Kandidat zur Bundestagswahl auch unsere Stimmen. Wir vertreten Initiativen der zahlreichen Bergbaubetroffenen und von Bergbau bedrohten Menschen Ihres Wahlkreises.
Diese Menschen wollen sich über Ihre energiepolitischen Vorstellungen eine Meinung bilden können. In der nächsten Legislatur des Bundestages besteht zudem die Möglichkeit, das Bundesberggesetz zu novellieren und dabei die Rechte der Betroffenen zu stärken. In diesem gemeinsamen Brief stellen wir zu beiden Themen konkrete Fragen, um deren schriftliche Beantwortung wir Sie bitten möchten. Wir senden diese Fragen den Kandidaten der Wahlkreise 64 (Cottbus/Spree-Neiße) und 157 (Landkreis Görlitz) zu, in denen der überwiegende Anteil des aktiven Bergbaus in der Lausitz stattfindet.
1. Der Bund und das Land Brandenburg haben sich hohe Klimaschutzziele gesteckt. Daher wird Braunkohle als „Brückentechnologie“ angesehen, ohne dass nachprüfbare Richtlinien für das Ende der „Brücke“ definiert wurden. Stehen Sie zu den beschlossenen Klimaschutzzielen? Mit welchen Kriterien definieren Sie persönlich das Ende dieser Brücke und mit welchen Vorbereitungen wollen Sie, ab wann beginnend dieses Ende erreichen?
2. Die Regeln des europäischen Strommarktes verhindern aktuell den wirtschaftlichen Betrieb von Gaskraftwerken. Braunkohlestrom – selbst wenn er aus Kraftwerken mit geringen Wirkungsgraden kommt – trägt mit dazu bei, dass deutlich umweltfreundlichere Kraftwerke vom Netz genommen werden. Als Nebeneffekt steigen hierdurch auch die sogenannten Ökostromumlagen für kleine und mittlere Verbraucher. Wie wollen Sie diese derzeitig paradoxe Situation auf der Ebene der Bundespolitik lösen?
3. Wie bewerten Sie mögliche Absichten des Vattenfall-Konzerns, die Lausitzer Kohlewirtschaft zu verkaufen, auch vor dem Hintergrund der Unsicherheit für die betroffenen Menschen in der Region?
4. Das Bundesberggesetz sieht für Bodenschätze eine Förderabgabe von 10 % des Marktwertes vor. Die Braunkohlewirtschaft ist davon in der Praxis bisher ausgenommen. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass auf Braunkohle künftig eine Förderabgabe erhoben wird?
5. Bei bergbaubedingten Schäden z.B. an Gebäuden liegt die Beweislast nach § 120 des Bundesberggesetzes nicht beim geschädigten Bürger, sondern beim Bergbaubetrieb („Bergschadensvermutung“). Das gilt aber nur für den Bergbau unter Tage. Werden Sie sich dafür einsetzen, diese Regelung auf Tagebaue auszudehnen?
6. Vattenfall bildet Rückstellungen für die Rekultivierung seiner Tagebaue. Dabei ist jedoch nicht transparent, ob die zunehmend erkannten Probleme der Bergbaufolgelandschaft hinsichtlich Standsicherheit und Wasserqualität ausreichend berücksichtigt sind. Das Verlangen einer Sicherheitsleistung ist bisher in § 56 BBergG nicht vorgeschrieben, sondern der zuständigen Behörde freigestellt. Wie wollen Sie der Gefahr begegnen, dass Spätfolgen des Bergbaus in folgenden Jahrzehnten erneut von der Allgemeinheit getragen werden müssen? Werden Sie sich für eine höhere, transparentere und obligatorische Sicherheitsleistung einsetzen?
7. Für Menschen, die am Tagebaurand leben müssen, gibt es bisher keine gesetzlich festgelegte Entschädigung für die zumeist massive Beeinträchtigung ihres Lebensumfeldes und ihrer Lebensqualität. Das macht sie in der Praxis zu Bittstellern gegenüber dem Bergbaubetrieb. Werden Sie sich für eine gesetzliche Regelung dieser sogenannten „Randbetroffenheit“ einsetzen? Wie sollte diese nach Ihrer Meinung aussehen?
8. Die Möglichkeit der Enteignung bewohnter Grundstücke für Bergbauvorhaben wurde in den 1930er Jahren durch die Nationalsozialisten ins deutsche Bergrecht eingeführt. Werden Sie diese wieder streichen und damit Bergbau auf unbesiedelte Flächen oder freiwillige Verkäufe beschränken?
9. Durch die Einleitung eines Braunkohlenplanverfahrens entstehen für die betroffenen Kommunen verschiedene unverschuldete Sonderausgaben (juristische Beratung, Gutachten, …). Wie wollen Sie sich dafür einsetzen, dass den Kommunen ausreichend Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen zur Verfügung stehen?
10. Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Aspekte der Nachhaltigkeit und des Kreislaufwirtschaftsgedanken im Bergrecht zukünftig zu verankern?
Quelle: Umweltgruppe Cottbus
Foto: Archivbild
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