Der öffentliche Hilferuf der Spremberger Bürgermeisterin Christine Herntier (parteilos) gegen rechtsextreme Entwicklungen in der Stadt hat bundesweit mediale Aufmerksamkeit ausgelöst. Nach ihrem Bericht im Hauptausschuss und einem Kommentar im aktuellen Amtsblatt griffen überregionale Medien das Thema auf. Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) kündigte daraufhin Unterstützung an. Demnach sei ein Termin unter anderem mit dem Verfassungsschutz vor Ort anvisiert. Am heutigen Montag äußerte sich Herntier erneut in einer Videobotschaft auf der Website der Stadt. Dort stellte sie klar, dass es ihr um Verantwortung gehe. Sie sehe sich durch das Echo auf ihren Appell bestätigt und erklärte: „Alle finden es scheiße, dass Spremberg in die rechte Ecke gestellt wird.“ Das sei der kleinste gemeinsame Nenner, auf dessen Grundlage man jetzt gemeinsam arbeiten könne. Sie kündigte an, das Thema in der Stadtverordnetenversammlung am Mittwoch erneut anzusprechen.
Bürgermeisterin mit Hilferuf an die Öffentlichkeit
Im Rahmen ihres offiziellen Verwaltungsberichts im Hauptausschuss der Stadtverordnetenversammlung schilderte Christine Herntier die zunehmende Präsenz rechtsextremer Strukturen in Spremberg. Sie sprach dort unter anderem von massiver Verunsicherung in der Bevölkerung und berichtete von Rückmeldungen aus den Schulen, wonach Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler mit Angst und Wut auf konkrete Vorfälle reagierten. In einem parallel veröffentlichten persönlichen Kommentar im Amtsblatt rief Herntier die Stadtgesellschaft zum Handeln auf. Sie schrieb: „Lasst uns darüber reden. Als Anfang.“ Sie verwies auf Aufkleber, NS-Symbole, Beschädigungen an öffentlichen Gebäuden und Störungen bei Gedenkveranstaltungen. Diese Erscheinungen werden nach Angaben der Bürgermeisterin insbesondere mit Aktivitäten der neonazistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ in Verbindung gebracht. Sichtbar sei deren Einfluss unter anderem durch Plakataktionen am Bahnhof, Aufrufe zum Parteieintritt sowie wiederholte Stickerkampagnen im gesamten Stadtgebiet. In diesem Zusammenhang kündigte Herntier an, dass die Stadtverwaltung die Beantragung einer Videoüberwachung an bestimmten Orten prüft. Sie machte zugleich deutlich, dass hierfür hohe rechtliche Hürden bestehen, die man jedoch ausloten wolle. Zudem forderte sie eine stärkere Polizeipräsenz im Stadtgebiet.
Auch aus der Jugendsozialarbeit wird der wachsende Einfluss rechtsextremer Gruppen bestätigt. Der Spremberger Sozialarbeiter und Stadtverordnete Benny Stobinski erklärte in einem Beitrag des rbb, dass Jugendliche in der Stadt gezielt angesprochen und eingebunden würden. Aktivitäten wie Lagerfeuer, gemeinsame Sportangebote oder sogenannte „Liederabende“ wirkten auf viele junge Menschen anziehend. Stobinski sagte, dass es auch Jugendliche gebe, „die sich mit dem Hitlergruß begrüßen“.
Innenminister Wilke: Verfassungsschutz und Prävention sollen greifen
Brandenburgs Innenminister René Wilke hat den Appell der Bürgermeisterin öffentlich gewürdigt und konkrete Hilfe zugesagt. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagte Wilke, er halte den Schritt für mutig. Eine Bürgermeisterin mache sich mit einer solchen Aussage nicht nur Freunde. Man dürfe das Problem nicht ignorieren, sondern müsse es offen ansprechen. Wilke kündigte einen Vor-Ort-Termin mit dem Verfassungsschutz an, um zu prüfen, wie das Land die Stadt unterstützen kann. Zudem sollen laut Ministerium die Präventionsarbeit an Schulen gestärkt und ein größerer Schwerpunkt auf Medienbildung gelegt werden. Der Minister begründete dies mit dem Hinweis, dass ein wesentlicher Teil der Radikalisierung bei Jugendlichen heute im Internet beginne. Ziel sei es laut Wilke, ins Handeln zu kommen und konkrete Maßnahmen einzuleiten. Er betonte, dass eine Bürgermeisterin eine solche Herausforderung nicht allein bewältigen könne. Es brauche den gemeinsamen Einsatz vieler Verantwortlicher auf kommunaler, zivilgesellschaftlicher und staatlicher Ebene.
Zustimmung und Kritik in der Öffentlichkeit
Die öffentliche Reaktion auf den Hilferuf fällt wie zu erwarten vielfältig aus. Viele Menschen und auch zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen das Vorgehen der Bürgermeisterin. In Kommentarspalten der sozialen Netzwerke und öffentlichen Stellungnahmen wird betont, wie wichtig eine klare Haltung gegenüber Rechtsextremismus sei. Auch im Hauptausschuss wurde die Problemlage ebenfalls aufgegriffen (hier nachzuschauen). Einzelne Ausschussmitglieder bestätigten den Eindruck einer zunehmenden rechtsextremen Einflussnahme in Spremberg und regten an, geeignete Formate zu entwickeln, um dem Problem im politischen und gesellschaftlichen Raum zu begegnen.
Zugleich äußern sich auch kritische Stimmen in den Kommentarspalten zu den Berichten. Einige Bürgerinnen und Bürger werfen Herntier vor, das Ansehen der Stadt zu beschädigen. In mehreren Kommentaren wurde eine Entschuldigung oder sogar ein Rücktritt gefordert. Andere Beiträge stellen die Frage, ob der Fokus auf Rechtsextremismus gerechtfertigt sei oder ob nicht andere Probleme wie Drogenkriminalität, soziale Unsicherheit oder Infrastrukturmängel stärker in den Mittelpunkt gerückt werden müssten. Auch die Rolle von fehlenden Freizeitangeboten und Bildungsarbeit wird thematisiert.
Herntier: „Spremberg will nicht in die rechte Ecke gestellt werden“
In ihrer Videobotschaft am Montag bekräftigte Christine Herntier, dass die öffentliche Ansprache des Themas notwendig sei. „Ich bin keine Schönwetterbürgermeisterin“, sagte sie wörtlich. Sie sehe es als ihre Aufgabe, auch unbequeme Entwicklungen klar zu benennen. Mit Blick auf die Vielzahl von Rückmeldungen sprach Herntier von einem kleinsten gemeinsamen Nenner: Niemand wolle, dass Spremberg als rechtsextrem wahrgenommen werde. Dieser Konsens sei eine Arbeitsgrundlage, mit der sich politische und gesellschaftliche Initiativen aufbauen ließen. „Lasst uns zusammenarbeiten, um die Stadt weiter voranzutreiben“, sagte sie am Ende ihrer Botschaft. Am Mittwoch soll das Thema erneut in der Stadtverordnetenversammlung zur Sprache kommen.
Videobotschaft vom Montag:
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Red. / Presseinformation