Ein Teil der Saisonarbeiter-Unterkünfte von Spreewaldbauer Ricken in Vetschau wird vorübergehend zur Wohnadresse für etwa 200 Asylsuchende im Landkreis Oberspreewald-Lausitz. Dies entschied der Kreisausschuss in seiner jüngsten Sitzung am Donnerstagabend (7. Januar) in Senftenberg. Am Freitagmorgen trafen sich OSL-Landrat Siegurd Heinze, Vetschaus Bürgermeister Bengt Kanzler und Sozialdezernent Alexander Erbert im Beisein von Medienvertretern mit Inhaber Karl-Heinz Ricken zu einem Rundgang über das Areal. Angesichts nach wie vor hoher Flüchtlingszahlen ermögliche das vorliegende Angebot des Vetschauer Unternehmers eine wichtige Entlastung: Denn noch immer setze die Kreisverwaltung alles daran, keine Turnhallen, Zelte oder Container belegen zu müssen.
Bleibe die Lage ähnlich angespannt wie in den vergangenen Wochen, könnten bereits in den nächsten Tagen die ersten Bewohner einziehen, hieß es am Freitag vor Ort. Angedacht sei eine schrittweise Belegung der Wohnanlage über mehrere Wochen hinweg. Im Durschnitt 200 Personen könnten laut Unterkunftsvertrag in dem zur Verfügung gestellten Bereich der Wohnanlage „An der Dscherka“, so die formelle Bezeichnung, untergebracht werden. Glaube man den Prognosen, die einen weiterhin hohen Zustrom Asylsuchender für die Bundesrepublik voraussagen, könne dieser Richtwert bereits Anfang März 2016 erreicht sein. Die Mitarbeiter der Kreisverwaltung seien daher kreisweit auch weiterhin auf der Suche nach geeigneten größeren und kurzfristig verfügbaren Unterkünften.
Das der Verwaltung vorliegende Angebot von Spreewaldbauer Ricken umfasse neben der Bereitstellung von Wohnraum, Funktions-, Beratungs- und Personalräumen insbesondere auch die Essensversorgung sowie die Bewachung des Objektes. Die Zimmer bzw. Wohneinheiten in den Unterkünften seien schlicht, jedoch zweckmäßig und erfüllten die gesetzlichen Vorgaben.
Zunächst 15 Monate umfasse die per Vertrag definierte Dauer der Nutzung. Möglich sei auch eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus, zeigt sich die Verwaltung offen. Eine Entscheidung darüber hänge ab von den bundesweiten Entwicklungen, die derzeit nach wie vor niemand vorhersagen könne.
Die Betreuung und Funktion als Ansprechpartner übernehmen Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes, Kreisverband Calau, welche dann auch die migrationsspezifische Beratung und soziale Beratung der Bewohner gewährleisten. Zudem seien regelmäßig auch Mitarbeiter der Kreisverwaltung selbst, wie beispielsweise die Integrationsbeauftragte oder Mitarbeiter des Asyl- und Ausländeramtes, anwesend.
An den Landkreis vermietet werde nur ein Teil der Wohnanlage. Die restlichen Wohnmöglichkeiten sollen auch weiterhin durch Saisonarbeitskräfte genutzt werden, erklärt Karl-Heinz Ricken. Bereits seit 2003 prägen Saisonarbeitskräfte das Bild in Vetschau. Seit 2014 dienen neu entstandene Zimmer auf dem Areal als Unterkünfte für die während der Erntezeit beschäftigten Angestellten des Vetschauer Unternehmers. Zuvor übernachteten diese unter anderem in Wohnblöcken im Stadtgebiet. Größere Probleme bei der Unterbringung der Saisonarbeitskräfte habe es dabei bislang nicht gegeben.
Auch über die Beschäftigen von Unternehmer Karl-Heinz Ricken hinaus wohnen Menschen mit Migrationshintergrund in Vetschau/Spreewald. So leben hier beispielsweise derzeit 60 Asylsuchende, darunter weitestgehend Familien, in Wohnungen. Dies funktioniere, wie auch andernorts im Landkreis, weitestgehend reibungslos, bestätigt Bürgermeister Bengt Kanzler: Schon seit Jahren wohnen in Vetschau mehr als 250 Bürger mit Migrationshintergrund völlig unauffällig. Die Unterbringung weiterer Asylbewerber in der Stadt stelle dabei nicht nur eine mit viel Kraft zu bewältigende Herausforderung dar, sondern berge auch Chancen in sich. Die kulturelle Vielfalt werde bereichert sowie die wirtschaftliche Belebung forciert. Kein Bürger müsse dabei auf etwas verzichten.
Um die Integration von Flüchtlingen voranzutreiben, wurde bereits im Mai 2014 das „Netzwerk Tolerantes Vetschau“ gegründet. Dessen Mitglieder treffen sich regelmäßig, um über verschiedene Themen und Maßnahmen im Sinne eines friedlichen und offenen Miteinanders zu sprechen. Auch Karl-Heinz Ricken nimmt regelmäßig an den Treffen teil. Personen, die sich ebenfalls im Netzwerk engagieren möchten, können sich unter der Telefonnummer 035433 777 36 an den Fachbereich Ordnung und Soziales der Stadt wenden. Weitere Informationen zum Netzwerk Tolerantes Vetschau gibt es auf der Internetseite der Stadtverwaltung unter
www. vetschau.de.
Um sich näher über die geplante Unterbringung der neuen Mitbürger in Vetschau/Spreewald zu informieren, sollen interessierte Bürger die Gelegenheit bekommen, die Wohnanlage zu besichtigen. Und zwar am Samstag, den 16. Januar 2016, von 10 bis 12 Uhr. Treffpunkt für die Begehungen ist der Hofladen im Stradower Weg.
Hintergrund: Die Entwicklungen im Bereich Asyl
Von 261 auf 1.222: Im Vergleich zum Vorjahr beinahe verfünffacht habe sich die Zahl derjenigen Asylsuchenden, die es für den Landkreis Oberspreewald-Lausitz in 2015 aufzunehmen galt. Eine immense Herausforderung für die Kreisverwaltung, gleichzeitig eine fordernde Aufgabe auch für die elf Kommunen im Landkreis. „Alle haben zwischenzeitlich einen wichtigen Teil beigetragen, indem sie aktiv Vorschläge zur Unterbringung unterbreitet haben. Hier werden wir jedoch auch im neuen Jahr weiterhin auf die Unterstützung der Städte, Ämter und Gemeinden angewiesen sein. Nur so können wir auch weiterhin Abstand nehmen von der Nutzung von Schulsporthallen oder gar von dem Erwerb von Zelten und Containern, wie es in anderen Regionen bereits praktiziert werden musste“, erklärte Landrat Siegurd Heinze am Freitagvormittag während des Rundgangs bei Spreewaldbauer Ricken.
Wer wissen möchte, wo Asylsuchende im Landkreis OSL derzeit untergebracht sind, wer sich allgemein für das Thema Integration interessiert oder Fragen zum Thema hat, findet weitere Informationen und Ansprechpartner auf der Internetseite der Kreisverwaltung unter www.osl-online.de.
Quelle: Landkreis Oberspreewald-Lausitz