Kahn um Kahn legte an der Erleninsel inmitten des Spreewaldes an, Fahrradkolonnen und Fußgängertrupps bewegten sich auf Wotschofska zu. Manche haben mit ihrer Eintrittskarte das „Überlebenspaket für echte Rocker“ erworben. Darin die üblichen Spreewaldprodukte von fest bis flüssig. Zum Konzertbeginn waren dann etwa tausend Menschen da, um die Bands ihrer Jugend zu erleben. Der Altersdurchschnitt war für Rockkonzerte ungewöhnlich hoch und die wenigen jungen Leute fielen entsprechend auf. Phillip Schindewolf aus Leipe gehörte mit seiner Freundin Henriette zu den ganz jungen Besuchern. „Och, es ist schon mal interessant, die Musik unserer Eltern live zu erleben. Und mal sehen, wie die so abrocken können“, erzählte er, als er mit seiner ganzen Familie dem Kahn entstieg. Mit dabei, Friedhelm und Monika Gottschalk aus der Altmark: „Wir sind treue Pensionsgäste und haben das Angebot zur Mitfahrt überaus dankbar angenommen, denn wir sind bekennende Oldiefans.“
Gleich bei den ersten Takten hielten es die Muttis und Omis nicht mehr auf den Plätzen aus, die Väter und Großväter blieben noch eine Weile gelassen und hielten sich an Bierbechern fest. Aber spätestens bei „Angel Face“ (Glitter Band) und „Get It On“ (T.Rex) vergaßen auch sie ihre Zurückhaltung. Die Menschmassen wogten vor der Bühne und forderten die ebenso alten und älteren Musiker bis aufs Letzte, was sie auch gern gaben. Schweißüberströmt verließen sie die Bühne, natürlich nicht ohne Zugaben.
„Ach war das schön!“, rief mit heiserer Stimme Sylvia Rothe aus Vetschau. Gemeinsam mit Freundinnen war sie gekommen, um die Musik aus der „Schmuse- und Kuschelzeit“ noch einmal zu erleben. „Es war wie vor 40 Jahren, immer noch ein Kribbeln. Und irgendwie beruhigend, zu sehen, dass unsere Idole mit uns älter geworden sind“, war vom Berliner Rainer Wöller zu hören. Er reist zu jedem Konzert der Oldie-Bands. „Diesmal habe ich alle beide auf der Bühne – wo gibt ‚s denn so was sonst noch!?“ Daniel Schmidgunst von der Lübbenauer Tourismusinformation und Organisator der Veranstaltung hörte es gern. Einmal, weil wieder einmal das Konzept aufgegangen ist und auch ein wenig deshalb, weil er an diesem Tag Geburtstag hat. „Wer bekommt schon so ein Geschenk: Zwei Spitzenbands der Sonderklasse spielen für mich und meine tausend Gäste“, gibt er sichtlich zufrieden zu. Petra Sachse aus Berlin: „Es ist zwar nicht die Musik meiner Generation, aber ich bin begeistert. Rockmusik handgemacht und ohne modernen Schnickschnack zu erleben, ist eine neue und gute Erfahrung. Im nächsten Jahr bin ich totsicher wieder dabei!“
Vor dem Konzert war für die Pressevertreter die Gelegenheit, John Rossall von der Glitter Band und Paul Fenton von T.Rex Fragen zu stellen. Die beiden Rocker sind Gründungsmitglieder der Formationen, die vor 40 Jahren ein neues Kapitel Rockgeschichte aufschlugen. Sie waren die ersten Vertreter des Glam Rock. Paul Fenton (T.Rex): „Wir haben gleich bei unserem ersten TV-Auftritt die Glitzersachen getragen, die die Freundin von Marc Bolan für uns entworfen hatte.“ John Rossall von der Glitter Band: Wir haben auf unsere Klamotten den Schriftzug ‚Angel Face‘ angebracht, unser erster großer Titel. So blieb er auch optisch bei den Zuschauern in Erinnerung und wurde letztlich ein Riesenerfolg.“ Paul Fenton wollte erst gar nicht antworten, weil er grundsätzlich nur Interviews für „New York Times“ aufwärts gibt, musste aber gleich selbst darüber lachen und erzählte ausführlich über T.Rex. „Und wir haben einen neuen Plan: Wir verhandeln grad über den Kauf von Wotschofska. In dieser Stille und Abgeschiedenheit wird unser größter Hit entstehen. Es ist unglaublich schön bei euch im Spreewald, fast noch schöner als in meiner schottischen Heimat. Wer hier lebt, ist privilegiert!“ Beide Künstler dankten dann artig den Journalisten und zogen sich zurück, zum „Schweineschnitzel essen“, wie sie im breitesten Deutsch erklärten.