Die Diskussion um die künftige Ausrichtung der Breunkohlestrategie der Bundesregierung ist weiter in vollem Gange. Nun haben sich der Unternehmerverband Berlin Brandenburg, die Handwerkskammer Dresden und Cottbus sowie die Wirtschaftsinitiative Lausitz in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin geäußert:
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
wir schreiben lhnen aus Sorge um die Zukunft der Lausitz. Aus Sorge um die Menschen, um unsere Unternehmen und um das ,,Gute Leben“ in unserer Heimat mit aktuellem Bezug auf die deutschlandweite Kampagne des BMWi und lhrem Hause.
Die Wirtschafts- und Industrieregion Lausitz in Brandenburg und Sachsen war und ist durch Braunkohlegewinnung und —verstromung geprägt. Bereits nach 1990 sind innerhalb weniger Jahre mehr als 100.000 Arbeitsplätze im Bereich Kohle und Energie weggefallen. Die damit einhergehende Deindustrialisierung hat die Situation zusätzlich verschärft, so dass mehr als eine viertel Million Einwohner deshalb die Lausitz verließen. Vor allem junge Menschen haben die Region verlassen, nur wenige sind zuriickgekehrt. lnfolge dessen kämpft die Region bereits heute mit den demographischen Folgen dieser Entwicklung.
Der Strukturwandel in der Lausitz ist damit nicht neu, sondern seit mehr als 20 Jahren ein fortlaufender Prozess und hat u. a. in den Branchen Metall/Maschinenbau, Kunststoff und Chemie sowie Ernährungswirtschaft eine gute Entwicklung genommen. Die Braunkohle ist mit über einer Milliarde Euro aus Auftrags- und Dienstleistungsverträgen und über einer halben Milliarde Euro aus Lohnzahiungen ein zentraler Wirtschaftsfaktor für das Wachstum und die Wertschöpfung in der Region. Weitere tiefgreifende Einschnitte durch den erneuten Wegfall vieler Arbeitsplätze in Kohle und Energie wäre durch die Region nicht mehr zu verkraften und würden auch ein Wegbrechen weiterer Branchen zur Foige haben.
Die Kammern, die Wirtschaftsinitiative Lausitz e. V. (WiL), die Landräte der Lausitz und weitere Akteure sind seit Jahren in der Diskussion, um gemeinsame Lösungen zu finden, wie wir die Stärkung der wirtschaftlichen Zukunftsbranchen schneller voranbringen können. In der von der WiL beauftragten ifo-Studie ,,Industrie- und Wirtschaftsregion Lausitz: Bestandsaufnahmen und Perspektiven“ von 2013 ist die Bedeutung von Kohle und Energie sowie der anderen Wirtschaftsbranchen detailliert aufgezeigt. Aber es wurde auch deutlich herausgearbeitet, welche Chancen und Potenziale die Lausitz besitzt. Um diese Chancen und Potenziale in die Realität umzusetzen, ist eine gemeinsame, konzeptionelle und länderübergreifende Strukturpolitik notwendig. Dies ist aber immer nur im langfristigen Kontext mit der Braunkohle zu gestalten.
Bei dem von der IG BCE bei der Investmentbank Lazard beauftragten Gutachten sind reale betriebswirtschaftliche Daten der Braunkohleunternehmen RWE, Vattenfall und MIBRAG mit den Vorschlägen aus dem Eckpunktepapier bewertet worden. Ergebnis: Die große Mehrheit der Braunkohlenkraftwerksblöcke wäre vom Klimabeitrag unmittelbar betroffen und würde noch im Jahr 2017 zu zahlreichen Schließungen führen. Dies hat für das Rheinische, das Mitteldeutsche Revier und insbesondere für das Lausitzer Revier fatale Folgen. Tausende Arbeitsplätze sind gefährdet, da nicht nur die Arbeitsplétze in den direkten Unternehmen der Tagebaue und Kraftwerke wegfallen, sondern wie in der bereits erwähnten ifo-Studie ausgewiesen, nochmal das Doppelte an indirekten Arbeitsplätzen bei den klein- und mittelständigen Betrieben für Service, Instandsetzung und Dienstleistung wegfallen. Dabei ist noch nicht der Einfluss auf Handwerk, Handel, Versorgung, Tourismus, Sport, Kultur und andere Branchen und Bereiche des öffentlichen Lebens durch den Wegfall
der Kaufkraft in der Region berücksichtigt.
Aber nicht nur der Wegfall der Arbeitsplätze in den genannten Regionen bringt katastrophale Folgen. Die Versorgungssicherheit in den Stromnetzen der gesamten Republik ist dann nach Stilliegung aller Atomkraftwerke und nur noch geringen Anteilen der Stromproduktion aus Braunkohle, von Stromimporten aus unseren Nachbarstaaten abhängig. Hier ist die Sinnfälligkeit der Reduzierung von CO2 zu hinterfragen, wenn wir dann Strom aus fossilen Energieträgern oder auch Atomstrom aus dem Ausland beziehen.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, die Unterzeichner sind nicht gegen den Klimaschutz und die erneuerbaren Energien, aber wir fordern eine zuverlässige und vor allem verlässlich planbare Energiepolitik in Deutschland. Mit solchen Vorschlägen, die aus unserer Sicht nicht hinreichend geprüft und bewertet sind und zum Teil auf Ansätzen basieren, die bereits heute nachweislich den Tatsachen nicht entsprechen. Damit schaffen wir kein Vertrauen bei der Wirtschaft und auch nicht bei den Bürgerinnen und Bürgern.
Dieses Eckpunktepapier muss zurückgezogen werden. Es ist richtig, dass die Politik Rahmenbedingungen ür den Klimaschutz setzen muss. Diese dürfen aber nicht zu einer einseitigen Diskriminierung einzelner Energieträger führen und somit zu einer deutlichen Schwächung einer gesamten Region und der Energieversorgung Deutschlands. In der festen Überzeugung, dass Sie, Frau Bundeskanzlerin, und die Bundesregierung Rahmenbedingungen für die weitere Stärkung der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands im Einklang mit den Klimazielen setzen werden, bitten wir Sie, das Thema Energieversorgung in Konsens mit der Wirtschaft diskriminierungsfrei und ausgewogen zu begleiten.
Unterzeichner:
Michael von Bronk, Wirtschaftsinitiative Lausitz e.V., Vorsitzender
Peter Dreißig, Handwerkskammer Cottbus, Präsident
Dr. Jörg Dittrich, Handwerkskammer Dresden, Präsident
Reinhard Schulze, Unternehmerverband Brandenburg Berlin e.V., Vizepräsident