“Jetzt kann Weihnachten kommen, vielen lieben Dank an alle Finsterwalder, das war überwältigend!” – Frau Müller, Sozialarbeiterin vor Ort bei den Flüchtlingen auf dem Wohngebiet am ehemaligen Sowjetflugplatz in Finsterwalde/Schacksdorf.
Zwei Tage zuvor kam es, nicht zuletzt, aufgrund einer erschreckend undifferenzierten und fremdenfeindlichen Debatte unter einigen Finsterwaldern zur Aufnahme von 26 Flüchtlingen in unserer Stadt, zu ersten Kontaktaufnahmen, zwischen dem Finsterwalder Bürgernetzwerk, Verantwortlichen in der Stadtpolitik, Verwaltung und Sozialarbeitern. Aus einem sozialen Gedanken heraus wurde in einer selten dagewesenen Einigkeit die Initiative “Finsterwalder zeigen Mitgefühl und Solidarität” gegründet. Schnell und problemlos setzten sich die Finsterwalder zusammen, führten Gespräche miteinander, mit Verantwortlichen der Stadt, des Landkreises, bei den Flüchtlingen vor Ort und mit sozialen Einrichtungen.
Keine 24 Stunden später griffen alle Räder ineinander, die Initiative rollte los und am Vortag abgesprochene Besorgungen, Erledigungen und Tätigkeiten wurden von vielen Freiwilligen abgearbeitet. Der Spielzeugladen in der Süd-Passage wurde um Spenden gebeten und reagierte prompt mit einem Berg neuer Spielsachen. Bei den Johannitern standen Kleiderspenden bereit, die wurden abgeholt, Gespräche mit einem Buchladen zur Beschaffung von Lernbüchern geführt. Spenden von Drogerieartikeln gab es leider keine. Dann wurden eben selber welche eingekauft. Das Netzwerk funktioniert, steht permanent in Kontakt untereinander.
Mit vollgepackten Autos ging es dann hinter zum Wohngebiet der Flüchtlinge. „Eine herzliche Willkommensaktion wie sie im Bilderbuch der Solidarität steht. Geflüchtete Menschen aus Syrien, Serbien und der Russischen Föderation werden mit viel Liebe und Engagement aufgenommen. Wir packen an und helfen schnell vor Ort. Danke an die vielen spontanen Finsterwalder Jugendlichen. Das zeichnet unser Gemeinwesen aus!“, urteilt Alexander Piske von den Jusos.
Es wurden Geschenke, Spielzeug, Kleidung, warme Suppe und Tee gebracht. Lars Gerhardt, Initiator des Finsterwalder Bürgernetzwerks und Mitbegründer der Initiative für die Flüchtlinge in unserer Stadt schildert seine Eindrücke: „Endlich konnten wir mal mit unseren neuen Mitbewohnern sprechen, statt nur über sie. Die Gesichter bekamen Namen und diese eine Geschichte. Sämtliche Spenden brachten wir in einen Gemeinschaftsraum und breiteten sie dort aus. Über Spielsachen und Gegenstände des alltäglichen Bedarfs freuten sie sich sehr. Die Bewohner standen zurückhaltend vor den Tischen. Es war beachtlich wonach sie zuerst griffen. Nicht nach den Lebensmitteln, Kleidern, Spielzeugen. Nein, als erstes griffen sie zu den paar Blumentöpfen und Pflanzen. Daran erkennt man denke ich, woran es ihnen fehlt, neben den materiellen Dingen natürlich. Sie hätten es einfach nur gern etwas schön und wären mal wieder froh. Das ist nicht zu viel verlangt.“
Auch Wolle und Strickzeug sorgten für große Freude. Nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass ihnen keine Bücher, kein Radio, kein Fernseher zur Verfügung stehen. Ein gemeinschaftlicher Fernsehraum steht deswegen auch ganz oben auf der Agenda der Helfer, gleich unter regelmäßigen Integrationsarbeiten, mit denen noch in diesem Jahr begonnen werden soll.
Ein Blick in die Wohnungen der neuen Mitbewohner sorgte für ein besseres Bild und ermöglichte es, Bedürfnisse besser einschätzen zu können. Anfänglicher Unsicherheit der freiwilligen Helfer, da man schließlich die einzig verbliebene Privatsphäre dieser Menschen betrat, begegneten diese außerordentlich offenherzig, boten sogar Tee an.
Die Verantwortlichen gaben sich sichtlich Mühe mit der Einrichtung der Wohnungen. Sie verfügen über eine ordentliche, saubere Grund-Möblierung, einen Kühlschrank und eine Waschmaschine. Auch in den Schränken ist von allem eine kleine Grundausstattung vorhanden. Es ist nachvollziehbar, dass man sich bei drei Tellern und drei Tassen dennoch über Geschirr freuen würde. Sie haben einen Tisch im Wohn- und Schlafzimmer, jedoch keinen in der Küche.
„Solche Dinge sind alle nicht lebensnotwenig, das ist uns bewusst. Hierbei geht es jedoch um Hilfe und Unterstützung beim Schaffen eines würdigen und schönen Wohnumfeldes – eine Grundvoraussetzung dafür, sich in einer Gesellschaft wohl zu fühlen und sich zu integrieren. Wer den ganzen Tag damit beschäftigt ist, sein Leid und Elend erträglicher zu machen, wird kaum Kraft finden, sich irgendwo zu integrieren. Den Kindern fehlt es dank der vielen Unterstützung an nichts Notwendigem, jedoch ist das Umfeld kalt und trostlos. Das darf man nicht vergessen.“, so Lars Gerhardt vom Bürgernetzwerk.
Allen Spendern und Helfern kann versichert sein, unsere neuen Mitbewohner zeigen sich wirklich sehr dankbar. Sie machen alles, um in unserer Gesellschaft anzukommen, wir müssen sie nur lassen. Das ist der Gesamteindruck aller Beteiligten der Initiative.
Auch die Sozialarbeiterin zeigte sich angesichts der Hilfe der Finsterwalder in diesem Ausmaß sichtlich gerührt, stand den Tränen nahe, was natürlich auch die Notwendigkeit aufzeigt. Sie betonte, das in ihrer beruflichen Laufbahn so noch nicht erlebt zu haben und dass die Initiative selbst Ihr Weihnachten besonders machte. Während sich Carolin Steinmetzer-Mann bei ihr für nützliche Fakten und hilfreiche Informationen zu Lebensumständen und Bedürfnissen der Bewohner interessierte, widmete sich Marco Müller von Jugend mischt mit e.V. gemeinsam mit Annett Ulbrich, einer engagierten Finsterwalderin, ganz den Flüchtlingskindern, verteilte Spielzeug, Luftballons und Suppe. „Ich war erstaunt wie schnell die Kleine sich auf mich einließ.“, schildert Annett eine Situation mit einem kleinen Mädchen. „Wenn man darüber nachdenkt was sie und ihre Eltern in den letzten Wochen und Monaten durchgemacht haben, sollten wir ihnen weiterhin mit einfachen Dinge Freude schenken.“
Diese Willkommens-Aktion war laut der Verantwortlichen der Grundstein eines langfristig ausgelegten Vorhabens mit überwältigender Beteiligung. Nicht nur Marco Müller, Sozialarbeiter an Grundschulen, erlebte diesen Tag emotional und ergreifend: „Weil es mir echt nahe ging, wie kühl die Atmosphäre ist, in der die Kinder leben müssen. Nur das Einfachste vom Einfachen. Aber es sind alle motiviert weiter zu machen und das ist ein echt tolles Gefühl. Noch nie hatte ich so viel Dankbarkeit erleben können.“
Die Finsterwalder erfüllt es mit Stolz, so tolle Menschen unter sich zu wissen: „Man kann über vieles reden und diskutieren, aber die Einhaltung von Grund- und Menschenrechten sowie die Unterstützung und Aufnahme der Flüchtlinge ist für uns indiskutabel.“, stellt einer der Initiatoren der Bürgerinitiative, Lars Gerhardt, klar.