Schröter: Weiterhin keine konkreten Hinweise auf Anschlagsplanungen in Brandenburg – Durchsuchungen in Strausberg und Potsdam
Potsdam – Im Rahmen einer Aktuellen Stunde im Landtag Brandenburg anlässlich der jüngsten Terroranschläge von Paris führte Innenminister Karl-Heinz Schröter folgendes aus:
„Die niederträchtigen Attentate von Paris erfüllen uns alle mit Trauer und Abscheu. Die islamistischen Terroristen hatten zwei Ziele: Sie wollten zum einen Freiheit und Demokratie in Europa erschüttern. Mit dem Versuch, eine ganze Zeitung auszulöschen, wollten die Terroristen das Herz der Demokratie treffen: Die Meinungsfreiheit und die freie Presse.
Das zweite Ziel waren französische Juden. Denn der dritte Attentäter nahm gezielt Geiseln in einem jüdischen Supermarkt. Vier von ihnen hat er ermordet. Zuvor erschoss er noch eine Polizistin.
Der islamistische Extremismus ist nicht erst seit Neuestem, sondern tatsächlich schon seit Jahren eine tatsächliche Bedrohung in zahlreichen Ländern der Welt. Dies gilt auch für Deutschland. Die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern gehen daher zu Recht von einer abstrakt hohen Gefährdung auch für die Bundesrepublik aus.
Im Klartext bedeutet dies, dass islamistisch motivierte Gewaltstraftaten grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden können, auch wenn dafür keine konkreten Hinweise oder Verdachtsmomente vorliegen. Ob sich an dieser Einschätzung nach den mutmaßlichen Hinweisen im Zusammenhang mit den „Pegida“-Demonstrationen in Dresden etwas ändert, bleibt abzuwarten.
Sie wissen, dass die Entscheidung in Dresden nicht unumstritten ist. Auch ich sage: Sie muss möglichst ein Einzelfall bleiben. Es darf keinesfalls Schule machen, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit vor potenziellen Bedrohungen zurückweichen muss. Demokratische Freiheiten werden grundsätzlich am besten dadurch verteidigt, indem man von ihnen Gebrauch macht. Nur sehr gewichtige Gründe können in Ausnahmefällen zu einem anderen Ergebnis der Abwägung führen.
Jedenfalls gilt für Polizei, Verfassungsschutz und Nachrichtendienste höchste Wachsamkeit gegenüber dieser realen Bedrohung, weil auch Deutschland seit Jahren zum potenziellen Zielgebiet des islamistischen Terrorismus gehört.
Es kann dabei überhaupt kein Zweifel bestehen, dass die ganz große Mehrheit der bei uns lebenden Muslime mit derartigen Auswüchsen eines religiösen Fanatismus nichts zu tun hat und über diese schändlichen Anschläge und Gewalttaten genauso entsetzt und empört ist, wie wir alle. Es ist daher von besonderer Bedeutung, den Dialog mit den Vertretern der Muslime in Deutschland gerade jetzt besonders intensiv zu führen und unzutreffende Pauschalverdächtigungen gegen eine ganze Glaubensgemeinschaft entschieden zurückzuweisen.
Auf der anderen Seite ist es eine Tatsache, dass sich eine bestimmte Richtung innerhalb des Islam in den letzten Jahren zunehmend radikalisiert hat. Das betrifft die sogenannte salafistische Strömung. Ihre Anhänger treten absolut unduldsam gegenüber allen auf, die ihre Weltsicht nicht teilen. Ihre radikalsten Anhänger schrecken auch vor Gewalt und Terror gegen Andersgläubige und Andersdenkende nicht zurück.
Dies gilt übrigens auch in islamischen Ländern selbst. Vergessen wir nicht, dass die meisten Opfer dieses islamistischen Terrors in den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens selbst Muslime sind, gegen die salafistische Kämpfer mit derselben Unerbittlichkeit vorgehen, wie gegen angebliche „Feinde des Islam“ in Europa oder anderswo auf der Welt. Dieser Terror richtet sich letztlich gegen jede Form des zivilisierten Zusammenlebens. Gegen derart radikalisierte Gewalttäter helfen Dialog und Aufklärung nicht. Hier müssen wir stattdessen klar auf die wirksame Arbeit der Sicherheitsbehörden vertrauen.
In Brandenburg selbst stellen wir derzeit keine eigenständigen salafistischen Strukturen fest. Die Zahl der Salafisten in unserem Land schätzen wir auf einen niedrigen zweistelligen Bereich. Anzunehmen ist zudem ein Dunkelfeld, in das wir keinen Einblick haben. Auch aus Brandenburg sind in den letzten zwei Jahren vereinzelte Ausreisen in die Kriegsgebiete in Syrien und dem Irak festzustellen. Die Erfahrungen, die islamistische Kämpfer dort machen, geben uns Anlass zu großer Sorge. Rückkehrer verfügen teilweise über eine Ausbildung in einem Terrorcamp oder sogar Kampferfahrung.
Insgesamt sind mehrere tausend in Europa sozialisierte Personen nach Syrien und in den Irak ausgereist. Etwa 600 davon kommen aus Deutschland. Die Attentäter von Paris und die Ereignisse in Belgien stehen im Zusammenhang mit solchen Auslandsaufenthalten. Hausdurchsuchungen und Festnahmen wegen Unterstützung des „Islamischen Staates“ gab es vor wenigen Tagen auch in Deutschland. Im Zusammenhang mit einem Berliner Ermittlungsverfahren ist es auch in Strausberg und gestern in Potsdam zu Wohnungsdurchsuchungen gekommen.
Das alles stellt unsere Sicherheitsbehörden wie auch die Zivilgesellschaft vor neue Herausforderungen. Wir sind es der Sicherheit unserer Bürger schuldig, diese Herausforderungen anzunehmen, klare Grenzen aufzuzeigen und den Rechtsstaat sowie die wehrhafte Demokratie durchzusetzen.
Ich halte wenig von dem sicherheitspolitischen Aktionismus, der jeweils nach derartigen Anschlägen die politische Debatte und die Talkshows im Fernsehen bestimmt. Hier kommt mir manches zu kurzschlüssig, zu wenig durchdacht vor. Manch überflüssige Profilierung und Polemik tut dieser an sich mit großem Ernst zu führenden Debatte ebenfalls nicht gut.
Aber genauso wenig sollte man nun jeden Vorschlag, wie der Staat terroristische Bedrohungen in Zukunft wirksamer bekämpfen könnte, nun gleich vorschnell als angeblichen „Abbau von Bürgerrechten“ zurückweisen. Auch diesem politischen Reflex kann ich nichts abgewinnen. Die Herausforderung durch den salafistischen Terror hat in den letzten Jahren eine neue Dimension erreicht. Das kann man nicht in Abrede stellen. Vor diesem Hintergrund ist eine sachliche und abgewogene Diskussion darüber, ob die vorhandenen Instrumente zur Bekämpfung dieser Gefahren tatsächlich ausreichen, sehr wohl zulässig und meines Erachtens auch geboten.
Denn es gehört zu den Kernaufgaben des Staates, die Sicherheit seiner Bürger wirksam zu schützen. Dass es eine „100%-ige Sicherheit“ nicht geben kann, ist dabei ebenso richtig, wie es eine Banalität ist. Eine solche Sicherheit verlangt auch niemand. Wohl aber besteht die berechtigte Erwartung, dass der Staat alles Erforderliche unternimmt, um die Sicherheit seiner Bürger bestmöglich zu schützen. Darum geht es. Und dieser Verpflichtung kann sich in Deutschland niemand entziehen, der politische Verantwortung trägt.
Manche – auch die Islamisten selbst – halten unsere westliche Demokratie für dekadent und schwach. Dieser Einschätzung müssen wir gemeinsam klar und selbstbewusst entgegentreten. Denn das Gegenteil ist richtig.
Die Festnahmen und Durchsuchungen in zahlreichen Ländern Europas in den vergangenen zwei Wochen zeigen, dass die Sicherheitsbehörden der gegenwärtigen Gefahr weder blind noch wehrlos gegenüberstehen.
Auch ganz grundsätzlich ist festzustellen, dass die westlichen Demokratien ihren Bürgern nicht nur ein hohes Maß an politischer und persönlicher Freiheit, sondern auch an Sicherheit gewährleisten können. Das gilt trotz der jüngsten Anschläge auf unsere offene Gesellschaft. Ein flüchtiger Blick auf die Weltkarte bestätigt jedem von Ihnen die Richtigkeit dieser Feststellung: Die westlichen Demokratien sind nicht nur Zentren der Demokratie und Freiheit, sondern auch der Sicherheit und des Wohlstandes auf der Welt. Genau diese Eigenschaften tragen ihnen den unversöhnlichen Hass religiös motivierter Fanatiker ein. Auf diese Herausforderung müssen wir mit Entschlossenheit und Besonnenheit gleichermaßen reagieren.
Bei aller Erschütterung über den Terror und seine schrecklichen Folgen: Die Menschen in Europa, in Deutschland und auch in Brandenburg werden sich niemals von Fanatikern mit Maschinenpistolen vorschreiben lassen, wie sie zu leben und was sie zu denken haben. Gegen dieses Selbstbewusstsein einer offenen Gesellschaft wird der Terror einer ganz kleinen Minderheit letztlich keine Chance haben.“
Quelle: Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg