Zwischen Hochglanz-Resorts, Beachclubs und Yachthäfen gibt es sie noch: diese kleinen, unaufgeregten Orte an der Ostsee, die eher an Gummistiefel als an Gucci erinnern. Wer sucht, findet entlang der norddeutschen Küste Regionen, in denen Tourismus noch bedeutet: einfach mal durchatmen, frischen Fisch vom Kutter holen, die Ostsee nicht durch ein Handtuchrevier, sondern durch Schilf und Dünen sehen.
Born auf dem Darß – Zwischen Bodden und Windflüchtern
Auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst liegt Born – ein Ort, der selbst in der Hochsaison still bleibt. Das Dorf zieht sich zwischen Bodden und Darßwald entlang, mit reetgedeckten Häusern, Kranichen im Morgendunst und Radwegen, die durch Buchenwald und Moor zu versteckten Badestellen führen.
Besonders beliebt ist die Strecke durch den Darßwald bis zum Weststrand. Keine Kioske, keine Liegestühle – nur Windflüchter und Treibholz. Wer hier unterwegs ist, kann stundenlang gehen, ohne einem anderen Menschen zu begegnen. Und wenn doch, dann vielleicht einem Maler mit Staffelei.
Eine geführte Wanderung durch den Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft lohnt sich vor allem im Herbst zur Kranichrast. Auch der kleine Seglerhafen bietet Touren über den Bodden an. Wer es ganz ruhig mag, findet in den traditionellen Ferienhäusern an der Ostsee eine passende Unterkunft – oft geführt von Familien, die seit Generationen vor Ort sind.
Hohwacht – Klein, windig, wunderbar normal
Ein Ort, der sich mit seiner Steilküste und der windigen Brise konsequent gegen jedes Küstenklischee stemmt. Hohwacht in Schleswig-Holstein verzichtet auf großen Rummel und bietet dafür klare Luft, eine wuchtige Küstenlinie und viel Raum für Bewegung. Statt Flaniermeile gibt es eine schlichte Strandpromenade mit einer kleinen Fischräucherei und einem Kiosk, der Kaffee und Klappstulle verkauft.
Die besten Aktivtipps:
• Die Steilküste Richtung Sehlendorfer Binnensee ist ideal für Spaziergänge mit Weitblick.
• Der flache See ist ein echter Geheimtipp für Stand-up-Paddling bei ruhigem Wetter – ideal für Anfänger.
• Wer länger unterwegs sein will: Der Ostseeküstenradweg führt von Hohwacht aus in Richtung Heiligenhafen mit Blick aufs Meer und Felder im Rücken.
Wustrow – Der kleine Bruder von Ahrenshoop
Ahrenshoop kennt man. Wustrow nicht unbedingt. Dabei trennt die beiden Orte nur ein Streifen Land. Wustrow ist so etwas wie der bodenständige Bruder – ohne Galerien, aber mit ehrlichem Küstencharme. Der Naturstrand ist kilometerlang und kaum frequentiert, das Ortsbild geprägt von Kapitänshäusern und kleinen Gärten.
Tipp: Von hier aus lässt sich wunderbar zum Hohen Ufer wandern – einer Steilküste mit Blick bis zum Horizont. Wer mag, kann mit einem Traditionssegler zu einer Mitfahrt über den Bodden starten. In der Dorfstraße gibt’s eine kleine Bäckerei, die noch selbst backt – und keine Smoothiebar.
Barhöft – Das vergessene Tor zum Meer
Barhöft ist kaum mehr als ein Hafen, eine Handvoll Häuser und ein Aussichtsturm. Der Blick reicht bis zur Insel Hiddensee, aber die Ruhe bleibt ganz diesseits des Meeres. Cafés? Fehlanzeige. Dafür viel Wind, Möwen und ein Hauch von früher.
Tipp: Wer in Barhöft ist, sollte unbedingt den Rundweg entlang des Barhöfter Kliffs gehen. Besonders in den frühen Abendstunden, wenn das Licht flach fällt, ist das ein fast meditativer Spaziergang. Am kleinen Hafen kann man frischen Fisch direkt aus dem Kutter kaufen. Wer nach mehr Trubel sucht, ist in 20 Minuten mit dem Rad in Stralsund.
Thiessow auf Rügen – Zwischen Boddenblick und Apfelgarten
Rügen hat große Namen: Binz, Sellin, Göhren. Aber Thiessow? Kennt kaum jemand – und genau das macht den Ort auf der Halbinsel Mönchgut so reizvoll. Die flachen Boddengewässer laden zum Stehpaddeln und Windsurfen ein, der weite Südstrand ist selten überlaufen.
Tipp: Von Thiessow aus führt ein Radweg durch das Biosphärenreservat Südost-Rügen bis zur Halbinsel Klein Zicker – eine Fahrt durch Schilf, Apfelplantagen und Boddenlandschaften. Jeden Montag und Donnerstag findet in Thiessow ein kleiner Bauernmarkt statt, auf dem lokale Erzeuger Käse, Marmeladen und Räucherfisch anbieten.
Für alle Wassersportbegeisterte bietet die Region übrigens ein wachsendes Angebot an Kursen und Verleihstationen – besonders an der flachen Küste bei Klein Zickergibt es auch hier kreative Konzepte fernab der klassischen Surfzentren.
Fazit: Die echte Ostsee entdecken
Weniger ist manchmal mehr. Wer an die Ostsee fährt, weil er Abstand vom Lärm sucht, findet in diesen Orten eine ruhige Alternative zum touristischen Mainstream. Es braucht kein Schicki-Micki, wenn das, was da ist, echt ist: der Wind, die Menschen, der Fisch, die Landschaft. Ob mit Rad, zu Fuß oder mit dem SUP – wer bereit ist, genauer hinzuschauen, entdeckt an der Ostsee viel mehr als Klischees.