In Berlin ist heute eine Luftfahrt-Ära zu Ende gegangen. Mit dem letzten Start einer Air-France-Maschine ging der Flughafen Tegel vom Netz. Mitarbeiter, Flughafenfreunde und jahrelange Wegbegleiter versammelten sich, um den kleinen Flughafen mit seiner einzigartigen Architektur zu verabschieden und Danke zu sagen. Aus theoretischer Sicht gibt es seit heute keinen Flughafen mehr auf Berliner Boden. Der neue Hauptstadtflughafen BER, der am vergangenen Samstag offiziell eröffnet wurde, befindet sich im Brandenburger Schönefeld. Von dort aus soll der neue Großflughafen vor allem wirtschaftliche Strahlkraft bis in die Lausitz entwickeln. So die Hoffnung der Südbrandenburger Wirtschaft. Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup sowie die IHK Cottbus rechnen mit weiteren Ansiedlungen und Arbeitsplätzen im Süden von Brandenburg. Zur Wahrheit gehört momentan allerdings auch, dass der BER mit knapp neun Jahren Verspätung in der schwersten Krise seit Jahrzehnten ans Netz gegangen ist. Unklar ist derzeit, ob und wann sich die Passagierzahlen nach der Corona-Krise wieder erholen werden. Dabei wandert der Blick auch auf die Klimafrage. Zur Eröffnung protestierten zahlreiche Klimaaktivisten gegen weiteren Flugverkehr und für den Ausbau von alternativen Verkehrswegen. Finanziell wird der Flughafen noch Jahre auf staatliche Hilfen vom Steuerzahler angewiesen sein. Lütke Daldrup rechnet Mitte der 20er Jahre mit schwarzen Zahlen, vorausgesetzt, dass sich die Branche von den Corona-Einbrüchen erholt. Damit der Flughafen seine Strahlkraft in die Lausitz entfalten kann, sind allerdings weitere Ausbaumaßnahmen der Infrastruktur unabdingbar. Die IHK Cottbus fordert dringend eine Direktverbindung per Zug aus Richtung Cottbus. Aktuell müssen Reisende in Königs Wusterhausen umsteigen. Und auch die A13 soll im Zuge des Strukturstärkungsgesetzes um eine Spur pro Richtung erweitert werden. Die Spreewaldregion selbst ist am Flughafen mit einem eigenen Spreewaldshop und Produkten aus der Region präsent.
Zum Video ->> Wir haben am Eröffnungstag Eindrücke vom neuen Hauptterminal, kurz Flugenhafenchef Engelbert Lütke Daldrup geroffen und ein Gespräch mit IHK-Verkehrsexperte Jens Krause geführt. Zu sehen im Titelvideo.
Letzter Start am Flughafen Tegel: Air-France-Maschine nach Paris
Die IHK Cottbus teilte zum BER mit:
„Die Brandenburger Wirtschaft freut sich, dass der Flughafen Berlin Brandenburg erfolgreich an den Start gegangen ist und die Hauptstadtregion nun endlich internationalen Anschluss an moderne Flughäfen anderer Metropolen gefunden hat. Auch wenn sich manche Entwicklung durch die verspätete BER-Eröffnung verzögert und die durch die Corona-Pandemie verursachte Luftfahrtkrise anhält, werden sich die Prognosen langfristig erfüllen: Der Flughafen BER ist ein Wachstumstreiber für die Hauptstadtregion.“ Das sagt Peter Kopf, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Brandenburger Industrie- und Handelskammern. „Für die erste Ausbaustufe sehen wir den BER auch gut angebunden, doch mit Rückkehr zu den Ursprungsfluggastzahlen gibt es klaren Handlungsbedarf. Das Zusammenwirken und die Vernetzung aller Verkehrsträger spielt eine entscheidende Rolle für die nachhaltige Optimierung von Reiseketten und ist entscheidend für den internationalen Wettbewerb. Das jetzt offene Zeitfenster muss effektiv für die weiteren baulichen Planungen genutzt werden, um die bekannten Engpässe bei der Verkehrsinfrastruktur im Flughafenumfeld zu beseitigen. Alle Kernforderungen der IHK-Verkehrsstudiebleiben daher weiterhin erhalten.“
Fernverkehrsverbindungen ausbauen
Die Ausrichtung auf den öffentlichen Nahverkehr mit geplanten 70 Prozent der Passagiere bzw. Arbeitnehmer ist im internationalen Vergleich richtungsweisend. Um diese Zahlen zu erreichen, besteht jedoch Nachbesserungsbedarf für Gesamtbrandenburg. Viele Brandenburger Reisende erreichen den BER nur mit der Bahn bei mindestens einem Umstieg. Zudem braucht es mehr attraktive Buslinien, die die Menschen aus dem Umland schnell zum Flughafen bringen. Auch die Fernverkehrsverbindungen müssen weiter ausgebaut werden, damit der BER aus anderen Regionen mit Fernbuslinien und schnellen ICE- und IC-Zügen erreichbar wird.
„Mit einem ICE-Zubringer könnten auch mehr Flugverbindungen auf der Langstrecke gewonnen werden. Der Bedarf an mehr internationalen Direkt- und Langstreckenverbindungen vor allem in den asiatischen Raum ist da“, sagt Peter Kopf. Das belegt eine Studie aus dem Jahr 2019, in der sich fast drei Viertel der befragten Berlin-Brandenburger Geschäftsleute unzufrieden mit dem außereuropäischen Geschäftsreiseangebot zeigten. Die wirtschaftliche Entwicklung werde dadurch gehemmt. „Die Anbindung an einen internationalen Flughafen mit attraktiven Langstreckenflügen ist neben moderner Infrastruktur, urbaner Nähe, verfügbaren Fachkräften und einer engen Vernetzung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft schließlich ein wichtiges Ansiedlungsargument für Unternehmen mit hoher Wertschöpfung und gut bezahlten Jobs“, ergänzt er.
Dass das Umfeld innerhalb einer Autostunde diesbezüglich bereits enorm profitiert hat, zeigen aktuelle Ansiedlungen von Tesla und die Entwicklungen wichtiger Dienstleister im Luft- und Raumfahrt- sowie Logistiksektor. Aber auch der Immobilienbereich und kreative mittelständische Unternehmen mit internationaler Vernetzung, die die Entwicklungen in der Flughafenregion mit ihren IT- und Techniklösungen begleiten, sind hier aufzuführen. „Die BER-Eröffnung richtet den Blick auf all diese positiven Entwicklungen und öffnet den Fokus für weitere nationale oder internationale Standortentscheidungen von Unternehmen. Eine zukunftsorientierte Flächenpolitik muss jetzt von Land und Region dynamisch und konsequent umgesetzt werden, um für größere Ansiedlungen vorbereitet zu sein.“
Red. / Presseinfo
Bilder: Steve Seifert