Nach dem 7:0-Heimsieg der Ströbitzer über schwache Rüdersdorfer und der Kolkwitzer 1:7-Auswärtspleite bei Petershagen/Eggersdorf warnte Wacker-Trainer Tino Kandlbinder vorige Woche sein Team: “Verbannt beide Resultate schnellstens aus euren Köpfen. So etwas wird sich beim Nachbarschaftsderby auf dem Jahn-Sportplatz in Kolkwitz nicht wiederholen. Dort gehts ganz anders zur Sache”. Wie recht Kandlbinder damit hatte, der wegen Urlaubs vom wortkargen Co-Trainer Karsten Mattke vertreten wurde, belegt nicht nur der verdiente 4:3-(1:0)-Sieg des Gastgebers, sondern auch die Art und Weise wie die junge Aufsteiger-Mannschaft vor immerhin 165 Zuschauern den Derbyerfolg zustande brachte.
Nach kurzer und zerfahrener Abtastphase fand der ganz in weiß aufgelaufene Kolkwitzer SV schneller seinen eigenen Rhythmus – im Gegensatz zu den zunächst sehr vorsichtig operierenden West-Cottbusern. Bereits in der 8. Minute besaß der völlig freigespielte Paul Zerna die erste Großchance, doch sein Schuss landete im herbstlichen Sonnenhimmel. Äußerst unglücklich für die Gäste dann der Kolkwitzer Führungstreffer in der 17. Minute, weil Mirko Treuger eine scharfe Eingabe unter Keeper Andre Thoms ins eigene Tor abfälschte. Während der KSV nun weiter Druck machte, blieben die Wacker-Angriffe oft schon im Ansatz stecken. So blieb dann auch Maikel Krügers Fernschuss (35.), den Torwart Daniel Räckel entschärfte, die einzig wirklich nennenswerte Möglichkeit der Wackeraner, deren Abwehr zudem unsicher und löchrig wirkte. Auffällig auch die vielen leichten Ballverluste besonders im Mittelfeld, was alles zusammengenommen den erfahrenen Keeper Thoms vermutlich ziemlich in Rage brachte. „Konzentriert euch, seid giftig!“, rief er unüberhörbar seinen Vorderleuten zu.
So richtig Dampf in den Lokalderby-Kessel kam erst mit Beginn der zweiten Spielhälfte. Nach zwei vergebenen Riesenchancen (Matthias Bagola 49. und 54.) brachte Marten Zittlau mit einem Doppelschlag zum 3:0 sein Team binnen 120 Sekunden (55./56.) scheinbar uneinholbar auf die Siegerstraße – wie wohl auch die meisten Zuschauer vermuteten. Zumal die Wacker-Defensive bei beiden Zittlau-Toren offen wie ein Scheunentor war. Doch die Ströbitzer gaben sich nicht auf und besannen sich endlich auf die einfache Fußballweisheit: „Wenn du nicht weißt, wohin mit dem Ball, dann hau ihn doch ins Tor“. So geschah es, als Rene Handreck nach rund einjähriger Verletzungspause für den Außenstehenden ziemlich überraschend rund 20 Minuten vor dem Abpfiff aufs Spielfeld trabte und die Wacker-Offensive deutlich belebte. In Strafraumnähe schnell an den Ball gekommen, fackelte „Hanne“ nicht lange und verkürzte mit einem Schuss ins lange Eck zum 3:1 (72.) Drei Minuten später erzielte der zur Halbzeit eingewechselte Robert Becker (nicht Kapitän Martin Handreg wie offiziell vermerkt) per Kopf gar das 3:2. Jetzt wurde das Match echt turbulent und gewann noch mehr an Brisanz. Allerdings kam es auch zu einigen hitzigen Aktionen und Ruppigkeiten beiderseits, auf die Schiedsrichter Baumann (Guteborn) und seine beiden Assistenten nicht immer besonders souverän reagierten. Die endgültige Entscheidung bei diesem offenen Schlagabtausch führte der Kolkwitzer Stefan Jähne in der Nachspielzeit herbei, als er einen Konter zum 4:2 abschloss (90.+2.). Sekunden vor dem Schlusspfiff (90.+5.) tankte sich der 34-jährige Rene Handreck von rechts durch den Kolkwitzer Strafraum und stellte mit seinem zweiten Treffer in dieser am Ende wirklich mitreißenden Partie den 4:3-Endstand her.
Während Wackers Co-Trainer Mattke anschließend dazu nicht mehr sagte als: „Ich sage nichts!“, brachte es der Kolkwitzer Doppeltorschütze Marten Zittlau so auf den Punkt: „Die Derby-Atmosphäre hat bei uns zusätzliche Kräfte freigesetzt“. Sein freudestrahlender Coach Christian Frischke pflichtete ihm bei und verwies darauf, dass „unsere Mannschaft heute insgesamt viel präsenter und willensstärker als der Gegner war. Das sehe ich als das Entscheidende an. Wir agierten gedanklich fast immer etwas schneller und waren aggressiver in den Zweikämpfen. Bis auf die letzten zehn Minuten, als wir plötzlich Angst vor der eigenen Courage bekamen, stand unsere Abwehr sehr sicher“. Ein Extralob verteilte Frischke an Sebastian Lehnik bzw. Steven Richter und den Ex-Energie-Spieler Patryk Mrowca (er bestritt sein erstes Spiel für den KSV), die auf den Sechser-Positionen viele Akzente für die Offensive setzten.
Aufstellungen
Kolkwitzer SV: Räckel – Roggatz, Goertz, M. Schulze, M. Jähne, Mrowca, Lehnik, Helbig, Zerna (66. Richter), Zittlau (73. St. Jähne), Bagola.
Wacker Ströbitz: Thoms – Kammer, Nuhs, Treuger, Semke (46. Becker), Knapczyk (72. Handreck), Schrobback, Gottwald, Platzeck (72. Kowal), Krüger, Handreg.
Text und Fotos: Rudolf Neuland