Am 13. Dezember um 11:04 Uhr fuhr der letzte Eurocity „Wawel“ Richtung Breslau im Cottbuser Hauptbahnhof ein.
Damit endete die über 150-jährige Tradition der Direktverbindung Berlin-Breslau per Schiene. Vertreter aus Politik und Wirtschaft haben den EC-Wawel auf seiner letzten Fahrt begleitet, um gegen die Einstellung dieser Verbindung zu protestieren, und auf dem Hauptbahnhof Cottbus symbolisch einen Gedenkkranz niedergelegt. „Südbrandenburg hat heute seine letzte Schienenfernverbindung nach Polen verloren“, erklärte Jens Krause, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Cottbus. „Nach zehn Jahren EU-Osterweiterung ist das Einstellen des Fernverkehrszuges Wawel ein Armutszeugnis für den Ausbau des deutsch-polnischen Grenzverkehrs auf der Schiene.“ Der Infrastrukturausbau in der Grenzregion verdient mehr politisches Augenmerk. Mit der letzten Schienenfernverbindung nach Polen verlieren Berlin und Brandenburg auch den direkten Anschluss an den über 6 Millionen Einwohner zählenden wichtigen niederschlesischen und schlesischen Wirtschaftsraum. Die seit zwei Jahren verkehrenden IC-Fernbusse Berlin-Breslau ohne Stopp in Cottbus sind für die Region nicht akzeptabel. Kurzfristig muss von der DB AG zwingend ein Halt in Cottbus eingerichtet werden.
Die Schienenverbindung Berlin-Breslau bleibt für die Region wichtig und hat Potential. Sie muss aber schneller werden. Die Fahrzeit des Zuges betrug zuletzt über fünf Stunden. 1935 benötigte der Zug (Fliegender Schlesier) für die gleiche Wegstrecke nur die Hälfte der Zeit. Dieser Rückschritt ist auf eine schlechte Schieneninfrastruktur und fehlende Elektrifizierung auf Teilen der Strecken zwischen Cottbus und Polen zurückzuführen. Die Wirtschaft fordert eine neue Zukunft für die Fernverbindung Berlin-Breslau. In einem ersten Schritt müssen die Regierungen und Bahngesellschaften DB AG und PKP in Deutschland und Polen künftig gemeinsam und zielgerichtet handeln. Es muss eine Einigung getroffen werden, welcher Grenzübergang genutzt wird. Deutschland bevorzugt den Grenzübergang Forst, Polen den 60 km südlicher gelegenen Übergang Horka/Görlitz. Jahrelange Verhandlungen blieben bisher ergebnislos.
Ein zweiter notwendiger Schritt ist der Ausbau der Infrastruktur auf der zu favorisierenden Strecke „Cottbus-Horka-Görlitz“. Diese Streckenführung ist aus heutiger Sicht die am ehesten realisierbare und schnellste Strecke zwischen Berlin und Breslau. Bereits 2008 verabschiedete der IHK-Verkehrsausschuss auf Grundlage umfangreicher Vorstudien der Berlin-Brandenburger IHKs und auf Empfehlung des EU-Projektes „VIA Regia plus“ eine Resolution zur schnellstmöglichen Elektrifizierung der Strecke Cottbus-Horka-Görlitz.
„Ohne die finanzielle Unterstützung der Europäischen Union ist der dringend notwendige Infrastrukturausbau der Schienenverbindungen zwischen Deutschland und Polen jedoch nicht möglich“, sagte Jens Krause. Dass Michael Cramer, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im EU-Parlament und Prof. Boguslaw Liberadzki, Verkehrsausschussmitglied im EU-Parlament, die Protestfahrt des EC-Wawel nach Breslau begleiteten, deutet die Südbrandenburger Wirtschaft als wichtiges Signal von Seiten der EU, was die Bedeutung der Verflechtung dieser deutsch-polnischen Wirtschaftsräume auf der Schiene anbelangt.
Quelle: Industrie- und Handelskammer Cottbus