Vor der Lausitz liegt ein protestreiches Wochenende. Mehrere Umwelt- und Klimagrupppen, darunter auch die Aktivisten von „Ende Gelände“, haben zahlreiche Protestaktionen unter anderem im Lausitzer Braunkohlerevier angekündigt (wie berichtet). „Ende Gelände“ kündigt in dem Zuge ebenfalls wieder zivilen Ungehorsam an, um der Forderung nach einer besseren Klimapolitik mehr Nachdruck zu verleihen. Genau diese Ankündigung weckt in vielen Lausitzer Köpfen schlechte Erinnerungen, als besonders im Jahr 2016 hunderte Aktivisten Kraftwerks- und Tagebauanlagen sowie Bagger stürmten und besetzten. Die Befürchtungen einer erneuten Eskalation dieser Art sind deshalb groß und so rufen die Lausitzer Kommunen, zusammen mit dem Bergbaubetreiber LEAG, mehreren Wirtschaftsverbänden und Vertretern des lokalen Sports alle Seiten auf, friedlich und ohne Gewalt zu protestieren. Einen friedlichen Protest ihrer Seite wird es am Freitag am Kraftwerk Schwarze Pumpe in Form eines Familienfestes geben, bei dem auch offen diskutiert werden kann. Die Polizei wird an diesem Wochenende mit mehreren Hundertschaften in der Lausitz sein. „Ende Gelände“ selbst schreibt in einem offenen Brief an die Kohle-Mitarbeiter in der Lausitz: „Wir werden uns ruhig und besonnen verhalten; wir gefährden keine Menschen. Wir werden mit unseren Körpern blockieren und besetzen; es ist nicht das Ziel, Infrastruktur zu zerstören oder zu beschädigen.“
Die Statements von Vertretern Lausitzer Kommunen gibt es im Titelvideo.
Der Lausitzer Apell:
Wir, die in der Lausitzrunde verbundenen Lausitzer Kommunen und Kreise, die Vertreter der Wirtschaft in der Region sowie der Gewerkschaft, die Sportverbände und Sportvereine, blicken mit großer Sorge auf die für den Zeitraum vom 29. November bis 1. Dezember vom sogenannten Aktionsbündnis „Ende Gelände“ geplanten massiven Störaktionen im Lausitzer Revier.
Aus den Erfahrungen von Pfingsten 2016, als Mitglieder von Ende Gelände den Tagebau Welzow Süd und das Kraftwerk Schwarze Pumpe erstürmten, wissen wir, dass es bei den Aktionen von „Ende Gelände“ regelmäßig zu gewalttätigen Übergriffen unter dem Deckmantel des Klimaschutzes kommt.
Die Situation in der Lausitz hat sich seit dem Jahr 2016 jedoch entscheidend geändert. In einem mühsamen Prozess und unter Beteiligung aller Interessengruppen wurde in der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung ein gesamtgesellschaftlicher Kompromiss zum Kohleausstieg im Jahr 2038 erarbeitet. In Kürze werden Bundesrat und Bundestag das „Strukturstärkungsgesetz“ verabschieden, um diesen Kompromiss 1:1 umsetzen zu können.
Der mühsam ausgehandelte Ausgleich der Interessen zur Erhaltung des Wirtschaftsstandortes Deutschlands einerseits und des notwendigen Klimaschutzes andererseits wird vom Aktionsbündnis “Ende Gelände” jedoch nicht akzeptiert. Die mehr als berechtigten Sorgen der Menschen, Unternehmen und Kommunen in der Lausitz angesichts der zu erwartenden neuerlichen gewalttätigen Aktionen von „Ende Gelände“ sind ebenso groß, wie das Unverständnis über das Treiben der selbsternannten „Aktivisten“.
Als gesamtgesellschaftliche Bündnisse der Lausitz stehen wir hinter den Empfehlungen der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung. Wir verurteilen jede Form von gewalttätigen Aktionen, unabhängig davon wer sie ausübt, gegen Menschen, Unternehmen und Institutionen und hoffen, dass weitere Schäden für die Region Lausitz abgewendet werden können.
Die LEAG teilte vorab mit:
Im Vorfeld der angekündigten Massenaktion des Anti-Kohle-Bündnisses „Ende Gelände“ in der Lausitz, die vom Verfassungsschutz als „linksextremistisch beeinflusste Kampagne“ eingeschätzt wird, appelliert die Lausitz Energie Bergbau AG und Lausitz Energie Kraftwerke AG (LEAG) an die Vernunft und das Verantwortungsbewusstsein der Organisatoren und Teilnehmer dieser Aktion. „Ende Gelände“ hatte in den vergangenen Wochen in ganz Deutschland und darüber hinaus dazu aufgerufen, sich vom 29. November bis 1. Dezember an der Besetzung und Blockade von betrieblichen Anlagen des Tagebau- und Kraftwerksbetreibers und viertgrößten Energieerzeugers in Deutschland zu beteiligen.
Die LEAG weist noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass das Betreten ihres Betriebsgeländes durch Betriebsfremde aus Sicherheitsgründen untersagt ist und rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Oberstes Ziel für alle Beteiligten und Betroffenen müsse es sein, dass im Zusammenhang mit den angekündigten Aktionen weder LEAG-Mitarbeiter noch Teilnehmer der Aktion zu Schaden kommen.
„Wir möchten, dass die Personen, die mit ,Ende Gelände‘ in die Lausitz kommen, die deutlich gekennzeichneten Grenzen unseres Betriebsgeländes respektieren und sich nicht selbst oder andere durch unbesonnenes Annähern und Erklettern von Betriebsanlagen und Maschinen in Gefahr bringen“, erklärt LEAG-Personalvorstand Jörg Waniek. Das Betreten und der Aufenthalt auf Gleisanlagen der Kohlebahn beispielsweise sei gefährlich, weil im Lausitzer Revier Kohlezüge nicht nur gezogen, sondern auch geschoben werden. Der Triebfahrzeugführer kann in einem solchen Fall die voraus liegende Strecke nur bedingt einsehen. Ein kurzfristiges Reagieren ist aufgrund des langen Bremsweges für den Lokführer kaum möglich. Eine weitere Gefahrenquelle sei die hohe elektrische Spannung der Fahrleitungsanlage. Auch an den bergbaulichen Anlagen im Tagebau gebe es zahlreiche stromführende und sich bewegende Maschinenteile, die für uneingeweihte Betriebsfremde zur Gefahr werden können. Und nicht zuletzt bergen die meterhohen Böschungen im Tagebau die zunächst nicht offensichtliche Gefahr, durch unachtsames Betreten ins Rutschen zu kommen.
Deshalb appelliert Jörg Waniek an die Kohlegegner: „Belassen Sie es bei friedlichem Protest und Meinungsstreit! Halten Sie sich an demokratische Spielregel und geltendes Recht! Respektieren Sie vor allem die Menschen, die in Tagebauen und Kraftwerken täglich dafür arbeiten, dass in Deutschland zuverlässig, zu jeder Tageszeit und bei jeder Witterung so viel Strom zur Verfügung steht, wie gebraucht wird!“
Tagebaue, Kraftwerke und der Eisenbahnbetrieb seien versorgungswichtige Anlagen, deren Störung oder Beschädigung nicht nur den Betreiber treffe, sondern auch Folgen für Haushalte und Unternehmen im ganzen Land haben kann. Annähernd jede zehnte Kilowattstunde Strom, die in Deutschland verbraucht wird, stammt aus einem der von der LEAG betriebenen Braunkohlenkraftwerke. Systemdienstleistungen und Flexibilität dieser Kraftwerke stellen zudem einen wesentlichen Beitrag zur Netzstabilität dar. „Die Forderung nach einem Sofortausstieg aus der Braunkohlenverstromung, die ,Ende Gelände‘ diesmal in der Lausitz mit Gewalt durchsetzen will, ist schlecht durchdacht, maß- und verantwortungslos. Damit würde das deutsche Stromversorgungssystem, so wie es heute aufgestellt ist, gefährlich aus dem Gleichgewicht geraten“, warnt der LEAG-Vorstand. „Die Empfehlungen der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung für einen Kohleausstieg bis Ende 2038 stellen einen breiten gesamtgesellschaftlichen Kompromiss dar, der auch die notwendigen Entwicklungschancen für die Lausitz berücksichtigt. Es zeugt von einem Mangel an Demokratieverständnis, wenn „Ende Gelände“ und seine Mitstreiter die KWSB-Empfehlungen nicht nur ignorieren, sondern zudem ihren Minderheitswillen vom Sofortausstieg der Mehrheit im Land aufzwingen wollen, und das auf dem Rücken der Menschen in der Lausitz.“
Die Befürchtungen des Energieunternehmens haben einen realen und ernsten Hintergrund: Bereits 2016 hatte „Ende Gelände“, unterstützt durch das Lausitzer Klimacamp, mit tausenden Kohlegegnern Geräte im Tagebau Welzow besetzt, Kohlebahngleise blockiert und mit sogenannten Auffahrkrallen auf den Schienen versucht, Züge zum Entgleisen zu bringen. Diese Aktionen mit dem Ziel, das Kraftwerk Schwarze Pumpe zum Abschalten zu zwingen, gipfelten in der gewaltsamen Erstürmung des Kraftwerks und hinterließen Schäden in Millionenhöhe.
Derzeit sind etwa 8.000 Menschen direkt bei der LEAG in Brandenburg und Sachsen beschäftigt, darunter mehr als 600 Auszubildende. Nimmt man die indirekten Effekte dazu, hängen sogar etwa 20.000 Lausitzer Jobs an der Braunkohle.
red/Presseinfo