„Alte Wasserkunst“, Bautzen, das Gebäude, das einst der Trinkwasserversorgung der Bautzner Bevölkerung diente, sollte an diesem Freitagabend mit mehrsprachiger Poesie gefüllt werden. Als ich ankomme, beginnt es zu regnen. „Alte Wasserkunst“ – als wenn der Name eine Prophezeiung wäre, beginnt ein Regenguss, der von Blitz und Donner begleitet wird. Nichts Neues für die Organisatoren, hatten sie doch vor vier Jahren zur Poesienacht im Rahmen des Internationalen Festes der sorbischen Poesie sogar mit Hochwasser zu kämpfen. Der erste Leseblock wird in das untere Geschoss des Turmes verlegt. Ich genieße den Klang des Sorbischen, das so selbstverständlich über die Lippen der Menschen kommt, die nach und nach den Raum füllen. Scheinbar mühelos wechseln die Dichter aus Serbien, Tschechien, Tunesien, Syrien, Polen, Russland, Slowenien, der Ukraine und Deutschland innerhalb eines Gespräches die Sprache. Ich bin gespannt auf mein Gedicht. Nicht, dass ich es nicht kennen würde, mehrmals wandle ich den Wehrgang entlang und spreche die Verse vor mich hin, um dann beim Vortrag den richtigen Ton zu treffen, nein, ich werde das erste Mal mein Gedicht auf sorbisch hören. Dorothea Šołćina hat es übersetzt und trägt es vor. Bevor wir in die Pause gehen, reicht sie mir das Blatt mit den vertrauten und mir doch fremden Schriftzeichen. Für mich ein sehr bewegender Moment.
Benedikt Dyrlich, ein sorbischer Schriftsteller, Politiker, Journalist und Vorsitzender des Sorbischen Künstlerbundes, ist der Mann, bei dem alle organisatorischen Fäden zusammen laufen. Er hat auch den Enkel von Jan Skala eingeladen, dem sorbischen Dichter, der dem diesjährigen Fest mit seiner Lyrik den roten Faden verleiht. Benedikt Dyrlich stellt die Dichter vor, begleitet durch das Programm und hat auch Wolfgang Waches Text „Bekenntnis zur Poesie“ ins Sorbische übertragen. Dieser zweite Leseblock findet dann auch im Garten statt, unter blauem Himmel, getaucht in milde Abendsonne, begleitet vom Ruf der kreisenden Mauersegler und dem Rauschen der Spree – eben ein poetischer Abend in Bautzen.
Am Sonntag lese ich während des Gemeindefestes in Nebelschütz noch einmal gemeinsam mit Dorothea Šołćina mein Gedicht “Einsamkeit der Lyriker”.
Yana Arlt