Zur Premiere lud das Cottbuser Staatstheater am 26. September in die Kammerbühne ein. Mit „Meier Müller Schulz oder Nie wieder einsam“ stand eine Geiselfarce von Marc Becker auf dem Programm.
Erzählt wird die Geschichte eines gewissen Herrn Meiers, der der Einsamkeit seines tristen Lebens und der Kargheit seiner Einraumwohnung zu entfliehen sucht, indem er eine Geisel nimmt. Der Zufall trifft auf den Lehrer Schulz, welcher nun gefesselt und mit verbundenen Augen auf dem Wohnzimmersessel um Gnade bittet. Und hier kommt nun rein zufällig Meiers neue Nachbarin Frau Müller mit frischen Eierkuchen hinzu, da sie gerade jetzt ihren Antrittsbesuch vollziehen möchte und schon ist die herrliche Farce perfekt.
Ab jetzt entwickelt sich ein komisches und intelligentes Spiel voller Wendungen und Einfälle, eine herrlich überhöhte Farce über Einsamkeit, Lebenslügen, Anpassung und Sehnsüchte.
Regisseurin Alexandra Wilke inszenierte diese Geschichte mit Tempo und Witz, in einem Bühnenraum (Cleo Niemeyer) der ganz bewusst an die Bauweise einer P 2 Wohnung erinnert. Die funktionelle, aber sparsame Ästhetik gibt den Schauspielern ausreichend Raum und konzentriert die Betrachtung auf das Wesentliche. Am besten funktioniert das Ganze dann, wenn die Regie direkt am Text bleibt und den Figuren ihren Lauf lässt. An einigen Stellen steigen diese jedoch aus ihren Rollen aus und wenden sich direkt an das Publikum, wenn etwa Frau Müller die Zuschauer fragt, ob diese denn von jemand vermisst würden. Hierbei entsteht so eine Form von „Erklär-Theater“, die ich persönlich nicht gebraucht hätte.
Thomas Harms spielt den Herrn Meier mit einer deutlichen Portion von Trotz und Eigensinn. Diesen Typen Mensch der von seiner eigenen Meinung nie ablässt und dabei eklatante Widersprüche mit der größten Überzeugung vermitteln kann. Dabei schwebt er immer ein wenig zwischen seinem Mitleid und seiner Wut hin und her, was ihn fast liebeswürdig für den Betrachter werden lässt.
Frau Müller, eigentlich eine erwachsene Frau, steht noch immer unter dem Pantoffel des Elternhauses und nur dieser Druck treibt sie zu ihrem neuen Nachbarn, will sie ihn doch überreden, sich für eine Familienfeier als ihr Verlobter auszugeben. Dass sie diesen aberwitzigen Plan bis zuletzt durchzieht, obwohl Herr Meier mit einer Pistole rumfuchtelt und Herr Schulz in Handschellen gefesselt am Wohnzimmersessel klebt, ist eine ungewöhnliche, aber herrliche Konsequenz. Sigrun Fischer gelingt es überzeugend diese gesamte, absurde Gefühlspalette zusammenzubringen.
Neu im Schauspielensemble des Staatstheaters, hat Henning Strübbe mit der Rolle des Herrn Schulz einen guten Einstand gegeben der neugierig auf Weiteres macht. Die Wendungen dieser Figur echt und nachvollziehbar zu gestalten, stets das richtige Maß zu finden, dass die ganze Geiselnahme auch am Anfang immer komisch bleibt und im weiteren Verlauf eine Sympathie zu seinem Geiselnehmer zu entwickeln, das alles spielt Hennig Strübbe mit einer glaubwürdigen Selbstverständlichkeit.
Dazu singen alle drei Schauspieler wunderbar arrangierte Lieder (Hans Petith) die nicht nur inhaltlich gut ins Stück passen, sondern auch für sich selbst genommen kleine Leckerbissen sind.
Insgesamt ein herrlicher Theaterabend der bei einer Länge von 1h 30min, plus Pause, genug Zeit lässt im Anschluss bei Bier, Wein oder Tee mit Freunden und Bekannten über Einsamkeit zu sprechen oder über jene Dinge und Personen nachzudenken die einen selbst zur Geisel gemacht haben. Passend, das schönes und informatives Programmheft (Bettina Jantzen), bestens geeignet für vor und nach der Vorstellung.
Nächste Vorstellungen gibt es am 11. Oktober um 19.00 Uhr und am 24. und 30. Oktober jeweils um 19.30 Uhr.
Fotos: Marlies Kross