Der 10. April wird den Menschen in Erinnerung bleiben. Entweder als Tag, als das zweite Volksbegehren in Brandenburg erfolgreich gestartet wurde, oder es begann zu scheitern. In Cottbus fanden sich auf zwei Veranstaltungen etwa 1.600 Menschen zusammen, um gegen die in Potsdam beschlossene Fusion der BTU Cottbus und der HS Lausitz zu protestieren und die ersten Stimmen im Rathaus abzugeben.
Doch wie konnte es in einem demokratischen Land mit gewählten Volksvertretern überhaupt dazu kommen, dass das Volk gegen “ihre Majestät” (künftig mit dem neuen Landtag im Stadtschloss Potsdam ja passend) aufbegehrt? Anfang letzten Jahres gab Wissenschaftsministerin Kunst (parteilos) bekannt, die beiden Lausitzer Hochschulen zusammenlegen zu wollen. Mehrere Expertenkommissionen kamen zwar zu dem Schluss, dass die Kooperation beider Einrichtungen verbessert werden müsse, aber niemand ging so weit, die Zusammenlegung zu fordern. Was entstehen sollte, war eine gemeinsame Einrichtung mit dem Schwerpunkt “Energie” verteilt auf drei Standorte in Cottbus und Senftenberg.
Heftige Proteste in der BTU Cottbus waren die Folge. Es herrschte Unverständnis wie man ein festgelegtes Ziel verkünden konnte, ohne über den Sinn oder Unsinn des Vorhabens zu diskutieren. Es sollte nur der Weg zur neuen “Energieuniversität Lausitz” besprochen werden, aber am großen Ziel nicht mehr rumgerüttelt werden. Doch hier hatten die Potsdamer Politiker die “den langen Weg” in die Lausitz noch ein paar mal finden würden müssen, die Rechnung ohne die Betroffenen gemacht. Was folgte waren gut organisierte und kreative Protestbekundungen und eine Volksinitiative die in kürzester Zeit 42.000 Unterschriften für den Erhalt beider Einrichtungen sammelte.
Übrigens, zur gleichen Zeit blieb es an der HS Lausitz verdächtig ruhig. Der dortige Präsident, Herr Schulz, bekundete, die Einrichtung begrüße den Schritt aus Potsdam. Ansonsten hörte man nicht viel von der Belegschaft oder den Studenten. Gerüchte machten die Runde, dass Meinungen unterdrückt würden und ein Abweichen nicht erwünscht sei. Auch die finanzielle Situation der HS Lausitz geriet dabei ins Gespräch, war es der letzte Strohhalm die Einrichtung zu erhalten? Die teure Biotechnologie in Senftenberg sollte die finanziellen Möglichkeiten ausgereizt haben und nun Zugzwang erforden. Herr Schulz ging bei einer großen Diskussion im Audimax der BTU Cottbus nicht auf eine Nachfrage ein. Darauf folgten “Lausitzdialoge” mit Herrn Grünewald, die von vielen Teilnehmern eher als monologartige Belehrungen beschrieben wurden.
Im August, die Volksinitiative hatte mit 42.000 Stimmen das nötige Quorum mehr als übererfüllt, bekam die Protestbewegung einen Dolch aus den eigenen Reihen durch den Rücken gestochen. Sonst als vorderster Kämpfer für die BTU und HS auftretend, Bilder, die Unterschrift leistend und wortreich gegen die Ministeriumspläne schimpfend, kippte der Cottbuser Oberbürgermeister Frank Szymanski vor versammelter Mannschaft um. Nicht körperlich, aber geistig. Vorausgegangen war ein intensives Gespräch mit Landesvater Platzeck vorausgegangen, was hier besprochen wurde, kann nur vermutet werden. Szymanski sah die Forderungen der Stadtverordneten mit Nachbesserungen im geplanten Zusammenschluss erfüllt und wechselte vor tausenden Demonstranten das Pferd.
Hilfreich war dies nur für diejenigen, die in die Politik eh schon kein Vertrauen mehr hatten. Der Volksinitiative tat dies keinen Abbruch, hinterließ im ersten Moment aber viele ratlose Gesichter, was gerade passiert sei. Zufrieden dürfte lediglich Ministerpräsident Platzeck gewesen sein, der nun den langen Weg aus der Lausitz zurück nach Potsdam antrat. 40kg Papier gegen die Zwangsfusionspläne von Frau Ministerin Kunst für die BTU Cottbus und HS Lausitz wurden übergeben und geprüft.
Peinlich weiterhin, dass die Entscheidungen der Fraktion der SPD und DIE LINKE schon vor Anhörung der Volksinitiative im Januar 2013 bekannt gegeben wurden, so dass die Anhörung eine Woche später im Landtag eine Verhöhnung bürgerlichen Engagements gepaart mit einer Backpfeife für jedes Demokratieverständnis war.
Die Initiative wurde nun auch formell abgelehnt, weiterhin ohne konkrete Konzepte seitens des Ministeriums und die zugesagten zusätzlichen Finanzmittel seien “versteckt in den Haushaltsposten und nicht für jeden erkennbar.” Zeigen wollte man sie Nachfragenden allerdings auch nicht.
Derweil legte die Universität Verfassungsklage gegen das beschlossene Gesetz ein, denn der Eingriff der Politik in die Wissenschaftsfreiheit sah man verletzt.
BTU Cottbus wehrt sich mit Verfassungsklage beim Landesverfassungsgericht gegen Auflösungsgesetz
Aus der Initiative formte sich ein Aktionsbündnis um ein Volksbegehren zu starten. Die Hürden dafür legt das Land Brandenburg in einer hauptsächlich ländlich geprägten Einwohnerstruktur mit 80.000 gültigen Stimmen recht hoch. Zumal die Bürger in die Amtsstuben gehen müssen, um ihren Willen kund zu tun.
Am heutigen 10. April startete nun das Volksbegehren und pünktlich um 9 Uhr morgens stand Frau Ciofani (Foto unten) im Rathaus, um ihre Stimme abzugeben. Kurz danach erinnerte sie einen anderen Politiker an sein Versprechen. Wolfgang Neskovic bot den ersten fünfzig Stimmabgebern eine gesponserte Tour zum Bundestag.
Am Nachmittag nutzten mehrere hundert Bürger die Möglichkeit bei der Auftaktveranstaltung ihre Adresse zu hinterlassen, um die Unterlagen nach Hause geschickt zu bekommen. BTU Präsident Zimmerli erinnerte als Schweizer noch einmal die gewählten Politiker in Cottbus und Brandenburg an ihre eigentliche Verpflichtung erinnerte: “Aus Sicht der BTU Cottbus ist das Volksbegehren ein adäquates demokratisches Mittel, um unseren Argumenten gegen die verordnete Zwangsfusion noch einmal politisches Gewicht zu verschaffen. Mit einer Zwangsfusion werde zerstört, was in 22 Jahren in Cottbus und Senftenberg aufgebaut worden sei. Die Universität werde die Fachhochschule schlucken und dabei Forschungsleistung verlieren. Ich hoffe, dass sich die Landtagsabgeordneten infolge des Volksbegehrens darauf besinnen, nicht in erster Linie Parteimitglieder, sondern gewählte Volksvertreter zu sein.”
Anwesend war an diesem Tag der Spremberger Bürgermeister Schulz, der sich klar zum Volksbegehren positionierte. Moderator Michael Apelt bedankte sich am Ende auch bei ihm als “unseren Oberbürgermeister aus Spremberg”. Frank Szymanski, der die Welt als gewählter Cottbuser Volksvertreter wieder gerade hätte rücken können, wurde nicht gesehen.
Nun läuft das Volksbegehren bis zum 09.10.2013. Bis dahin hat das Aktionsbündnis Zeit, 80.000 Stimmen im märlischen Land zu sammeln, abstimmen können Bürger mit Wohnsitz in Brandenburg ab 16 Jahren.
Für Fragen hat das Aktionsbündnis an der Ecke Sprem/Altmarkt auch ein Büro eingerichtet.
Eine Onlinebeantragung der Unterlagen ist bisher hier möglich:
Cottbus
Spremberg
Potsdam
Eisenhüttenstadt
Amt Burg
Königs Wusterhausen
Fotos: Benjamin Andriske
Der 10. April wird den Menschen in Erinnerung bleiben. Entweder als Tag, als das zweite Volksbegehren in Brandenburg erfolgreich gestartet wurde, oder es begann zu scheitern. In Cottbus fanden sich auf zwei Veranstaltungen etwa 1.600 Menschen zusammen, um gegen die in Potsdam beschlossene Fusion der BTU Cottbus und der HS Lausitz zu protestieren und die ersten Stimmen im Rathaus abzugeben.
Doch wie konnte es in einem demokratischen Land mit gewählten Volksvertretern überhaupt dazu kommen, dass das Volk gegen “ihre Majestät” (künftig mit dem neuen Landtag im Stadtschloss Potsdam ja passend) aufbegehrt? Anfang letzten Jahres gab Wissenschaftsministerin Kunst (parteilos) bekannt, die beiden Lausitzer Hochschulen zusammenlegen zu wollen. Mehrere Expertenkommissionen kamen zwar zu dem Schluss, dass die Kooperation beider Einrichtungen verbessert werden müsse, aber niemand ging so weit, die Zusammenlegung zu fordern. Was entstehen sollte, war eine gemeinsame Einrichtung mit dem Schwerpunkt “Energie” verteilt auf drei Standorte in Cottbus und Senftenberg.
Heftige Proteste in der BTU Cottbus waren die Folge. Es herrschte Unverständnis wie man ein festgelegtes Ziel verkünden konnte, ohne über den Sinn oder Unsinn des Vorhabens zu diskutieren. Es sollte nur der Weg zur neuen “Energieuniversität Lausitz” besprochen werden, aber am großen Ziel nicht mehr rumgerüttelt werden. Doch hier hatten die Potsdamer Politiker die “den langen Weg” in die Lausitz noch ein paar mal finden würden müssen, die Rechnung ohne die Betroffenen gemacht. Was folgte waren gut organisierte und kreative Protestbekundungen und eine Volksinitiative die in kürzester Zeit 42.000 Unterschriften für den Erhalt beider Einrichtungen sammelte.
Übrigens, zur gleichen Zeit blieb es an der HS Lausitz verdächtig ruhig. Der dortige Präsident, Herr Schulz, bekundete, die Einrichtung begrüße den Schritt aus Potsdam. Ansonsten hörte man nicht viel von der Belegschaft oder den Studenten. Gerüchte machten die Runde, dass Meinungen unterdrückt würden und ein Abweichen nicht erwünscht sei. Auch die finanzielle Situation der HS Lausitz geriet dabei ins Gespräch, war es der letzte Strohhalm die Einrichtung zu erhalten? Die teure Biotechnologie in Senftenberg sollte die finanziellen Möglichkeiten ausgereizt haben und nun Zugzwang erforden. Herr Schulz ging bei einer großen Diskussion im Audimax der BTU Cottbus nicht auf eine Nachfrage ein. Darauf folgten “Lausitzdialoge” mit Herrn Grünewald, die von vielen Teilnehmern eher als monologartige Belehrungen beschrieben wurden.
Im August, die Volksinitiative hatte mit 42.000 Stimmen das nötige Quorum mehr als übererfüllt, bekam die Protestbewegung einen Dolch aus den eigenen Reihen durch den Rücken gestochen. Sonst als vorderster Kämpfer für die BTU und HS auftretend, Bilder, die Unterschrift leistend und wortreich gegen die Ministeriumspläne schimpfend, kippte der Cottbuser Oberbürgermeister Frank Szymanski vor versammelter Mannschaft um. Nicht körperlich, aber geistig. Vorausgegangen war ein intensives Gespräch mit Landesvater Platzeck vorausgegangen, was hier besprochen wurde, kann nur vermutet werden. Szymanski sah die Forderungen der Stadtverordneten mit Nachbesserungen im geplanten Zusammenschluss erfüllt und wechselte vor tausenden Demonstranten das Pferd.
Hilfreich war dies nur für diejenigen, die in die Politik eh schon kein Vertrauen mehr hatten. Der Volksinitiative tat dies keinen Abbruch, hinterließ im ersten Moment aber viele ratlose Gesichter, was gerade passiert sei. Zufrieden dürfte lediglich Ministerpräsident Platzeck gewesen sein, der nun den langen Weg aus der Lausitz zurück nach Potsdam antrat. 40kg Papier gegen die Zwangsfusionspläne von Frau Ministerin Kunst für die BTU Cottbus und HS Lausitz wurden übergeben und geprüft.
Peinlich weiterhin, dass die Entscheidungen der Fraktion der SPD und DIE LINKE schon vor Anhörung der Volksinitiative im Januar 2013 bekannt gegeben wurden, so dass die Anhörung eine Woche später im Landtag eine Verhöhnung bürgerlichen Engagements gepaart mit einer Backpfeife für jedes Demokratieverständnis war.
Die Initiative wurde nun auch formell abgelehnt, weiterhin ohne konkrete Konzepte seitens des Ministeriums und die zugesagten zusätzlichen Finanzmittel seien “versteckt in den Haushaltsposten und nicht für jeden erkennbar.” Zeigen wollte man sie Nachfragenden allerdings auch nicht.
Derweil legte die Universität Verfassungsklage gegen das beschlossene Gesetz ein, denn der Eingriff der Politik in die Wissenschaftsfreiheit sah man verletzt.
BTU Cottbus wehrt sich mit Verfassungsklage beim Landesverfassungsgericht gegen Auflösungsgesetz
Aus der Initiative formte sich ein Aktionsbündnis um ein Volksbegehren zu starten. Die Hürden dafür legt das Land Brandenburg in einer hauptsächlich ländlich geprägten Einwohnerstruktur mit 80.000 gültigen Stimmen recht hoch. Zumal die Bürger in die Amtsstuben gehen müssen, um ihren Willen kund zu tun.
Am heutigen 10. April startete nun das Volksbegehren und pünktlich um 9 Uhr morgens stand Frau Ciofani (Foto unten) im Rathaus, um ihre Stimme abzugeben. Kurz danach erinnerte sie einen anderen Politiker an sein Versprechen. Wolfgang Neskovic bot den ersten fünfzig Stimmabgebern eine gesponserte Tour zum Bundestag.
Am Nachmittag nutzten mehrere hundert Bürger die Möglichkeit bei der Auftaktveranstaltung ihre Adresse zu hinterlassen, um die Unterlagen nach Hause geschickt zu bekommen. BTU Präsident Zimmerli erinnerte als Schweizer noch einmal die gewählten Politiker in Cottbus und Brandenburg an ihre eigentliche Verpflichtung erinnerte: “Aus Sicht der BTU Cottbus ist das Volksbegehren ein adäquates demokratisches Mittel, um unseren Argumenten gegen die verordnete Zwangsfusion noch einmal politisches Gewicht zu verschaffen. Mit einer Zwangsfusion werde zerstört, was in 22 Jahren in Cottbus und Senftenberg aufgebaut worden sei. Die Universität werde die Fachhochschule schlucken und dabei Forschungsleistung verlieren. Ich hoffe, dass sich die Landtagsabgeordneten infolge des Volksbegehrens darauf besinnen, nicht in erster Linie Parteimitglieder, sondern gewählte Volksvertreter zu sein.”
Anwesend war an diesem Tag der Spremberger Bürgermeister Schulz, der sich klar zum Volksbegehren positionierte. Moderator Michael Apelt bedankte sich am Ende auch bei ihm als “unseren Oberbürgermeister aus Spremberg”. Frank Szymanski, der die Welt als gewählter Cottbuser Volksvertreter wieder gerade hätte rücken können, wurde nicht gesehen.
Nun läuft das Volksbegehren bis zum 09.10.2013. Bis dahin hat das Aktionsbündnis Zeit, 80.000 Stimmen im märlischen Land zu sammeln, abstimmen können Bürger mit Wohnsitz in Brandenburg ab 16 Jahren.
Für Fragen hat das Aktionsbündnis an der Ecke Sprem/Altmarkt auch ein Büro eingerichtet.
Eine Onlinebeantragung der Unterlagen ist bisher hier möglich:
Cottbus
Spremberg
Potsdam
Eisenhüttenstadt
Amt Burg
Königs Wusterhausen
Fotos: Benjamin Andriske